1984

19. Januar
Bei den Dreharbeiten zu dem Fernsehfilm "Der eiserne Weg" stirbt der Regisseur Wolfgang Staudte, 77, in Jugoslawien. Er wird in der Nordsee bestattet. Seine besten Filme – "Rotation", "Der Untertan", "Kirmes" – handeln vom deutschen Charakter.

6. April
In München wird der Bavaria-Film "Die unendliche Geschichte" uraufgeführt, produziert von Bernd Eichinger und Dieter Geissler, Regie: Wolfgang Petersen, nach dem Buch von Michael Ende. 60 Millionen DM Produktionskosten sind ein neuer deutscher Höchststand. Der Film ist in englischer Sprache gedreht und zielt auf den Weltmarkt.

19. Mai
"Paris, Texas" von Wim Wenders wird bei den Filmfestspielen in Cannes uraufgeführt. Der Film gewinnt die "Goldene Palme". Wenders streitet sich anschließend mit dem Filmverlag der Autoren über das Verleihkonzept. Der Film kommt erst im Januar 1985 in die westdeutschen Kinos. 

7. Juni
In Frankfurt am Main wird das "Deutsche Filmmuseum" eröffnet: mit einer Dauerausstellung, Raum für Wechselausstellungen und dem "Komunalen Kino". Direktor: Walter Schobert. Auch das "Deutsche Institut für Filmkunde" findet mit Archiv und Bibliothek am Schaumainkai seinen Platz.

Juni
Im Münchner Verlag edition text + kritik erscheint die erste Lieferung des Filmlexikons "CineGraph", herausgegeben von Hans-Michael Bock. Die Loseblattsammlung entwickelt sich zum bedeutendsten Kompendium deutscher Filmgeschichtsschreibung.

30. Juni/1. Juli
Beim Münchner Filmfest ist die Uraufführung von "Heimat" das große Ereignis. Die Chronik in 11 Teilen von Edgar Reitz dauert 15 Stunden und 24 Minuten. Sie erzählt vom Leben einer Familie in dem (fiktiven) Hunsrückdorf Schabbach von 1919 bis 1982. Ein genauer Blick auf die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts – aus der Perspektive der Provinz.

15. Juli
Magdalena Montezuma, 41, eigentlich: Erika Kluge, stirbt in Berlin. Mit dem Gesicht einer Medusa spielte sie "die leise Verrückten, die hellsichtig Umnachteten, die an abseitige Leidenschaften sich Verlierenden" (Hans-Dieter Seidel) in Filmen von Rosa von Praunheim, Ulrike Ottinger, Elfi Mikesch und vor allem von Werner Schroeter.

5. August
In Ost-Berlin stirbt die Schauspielerin Hertha Thiele, 76. Mit zwei Rollen hat sie 1931/32 deutsche Filmgeschichte gemacht: als schwärmerische Manuela in "Mädchen in Uniform" und als proletarische Anni in "Kuhle Wampe". 1937 emigrierte sie aus politischer Überzeugung in die Schweiz.

13. September
Der Regisseur Peter Pewas, 80, stirbt in Hamburg. Mit nur drei Spielfilmen – "Der verzauberte Tag", "Straßenbekanntschaft" und "Viele kamen vorbei" – hat er Geschichte gemacht. Weil sie quer zu den Erwartungen der Zeit lagen.

26./27. Oktober
Die Akademie der Künste in West-Berlin erhält eine neue Abteilung: "Film- und Medienkunst". Als Gründungsmitglieder werden Eberhard Fechner, Markus Imhoof, Peter Lilienthal, Jean-Pierre Ponelle, Wolfgang Ramsbott, Volker Schlöndorff, Margarethe von Trotta und Andrzej Wajda gewählt. Direktor wird der Regisseur Peter Lilienthal, sein Stellvertreter Eberhard Fechner. Als "Sekretär" der Abteilung fungiert Ursula Ludwig.

November
In den Dritten Programmen der ARD wird der dreiteilige Dokumentarfilm "Der Prozess" von Eberhard Fechner gezeigt: eine Rekonstruktion des Düsseldorfer Majdanek-Prozesses. Angeklagte, Zeugen und ehemalige Häftlinge kommen zu Wort. "Hier war eine poetische Empfindsamkeit am Werk, die die Realität des Prozesses neu zusammenfügte und selbst zum Prozeß wurde, zum eigentlichen Prozeß, dessen Wahrheit sich aus der unaufdringlichen Subjektivität des Autors entwickelt." (George Tabori). Den Zuschauern des Ersten Programms sollte der Film nicht zugemutet werden.

 

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Hans Helmut Prinzler: Chronik, 1895-2004. In: Wolfgang Jacobsen, Anton Kaes, Hans Helmut Prinzler (Hg.): Geschichte des deutschen Films. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Stuttgart: Metzler 2004

© 2004 J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart.