Summary
For many years, Rainer Voss was one of Germany's top investment bankers. In Marc Bauder's documentary feature the insider provides insights into the financial business that has often been criticized and yet has remained inscrutable to most people. In articulate and comprehensible ways Voss renders the principles and mechanisms of the international financial markets transparent. He explains everyday procedures that are sometimes mandatory but at other times turn manipulatory. He illustrates what drives "financial sharks", how and why greed and unscrupulousness usually win, why financial crises are inevitable and why it is always the small retail investors who lose in the end.
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„Das ist ein geschlossenes System, indem man immer weiter sich von der Wirklichkeit entfernt. Deswegen mache ich mir auch keine Gedanken darüber, ob das, was ich in meinem Job mache, die Deals, die ich abschließe oder die Aktionen, die ich mache – ob die irgendwelche Auswirkungen auf die Welt da draußen haben“: Die Lärmkulisse eines hektischen Börsenparketts paart sich mit der nächtlichen Skyline der Mainmetropole. Motive, die wir aus der „Tagesschau“ und der Vorabendsendung „Börse vor acht“ kennen, auf die wir Laien uns aber keinen Reim machen können.
Überall sind noch kleine, unscheinbare Zeugnisse einstiger Nutzung zu entdecken: Rainer Voss befindet sich im leeren Sitzungssaal eines leerstehenden Frankfurter Bankgebäudes, der im krassen Gegensatz zu den Bildern in unserem Kopf steht, und lässt uns einen Blick hinter die Kulissen der Arbeitswelt unserer Banker werfen. Die Aufnahmen der gigantischen Bank- und Finanzpaläste unterlegt B. Fleischmann mit getragener sakraler Musik: Es sind, so der ehemalige Trader, die gotischen Kirchen des 20. und 21. Jahrhunderts.
Bis zu tausend Banker haben in fußballplatzgroßen Lofts geschuftet und nicht nur mit Unsummen hantiert, sondern auch solche verdient: 100.000 Euro im Monat waren auch für Rainer Voss drin, nachdem Ronald Reagan und Margaret Thatcher Mitte der 1980er Jahre den Bankensektor liberalisiert, d.h. privatisiert haben. Bis dahin aber war ein steiniger Weg zurückzulegen: jeder Jung-Börsianer muss „Schulterklappen sammeln“ wie bei der Bundeswehr – durch Nacht- und Sonderschichten. Wie junge Klinik-Ärzte in der Bereitschaft, nur wesentlich ertragreicher.
Der Goldman-Sachs-Skandal in den USA hat, so Voss, die totale Verantwortungslosigkeit der Banken offenbart. Was auch an der Ausbildung der Banker liege, die zur völligen Kritiklosigkeit ihren Vorgesetzten gegenüber erzogen werden. Politische Äußerungen sind verpönt, gefragt ist allein die bedingungslose Loyalität zum Arbeitgeber. Die Banker müssen, so Voss, ihr bisheriges Leben aufgeben und, so sie bereits eine haben, die Familie gleich mit. Sie gewinnen dafür eine neue, luxuriöse Welt, die vom realen Leben außerhalb der Finanzpaläste völlig abgeschottet ist. Monatsgehälter und Provisionen in unverantwortbaren Größenordnungen schaffen eigene Lebensumstände abseits alter Verbindungen, Freundschaften, gesellschaftlicher Aktivitäten.
Transparenz ist nicht möglich. Denn es gibt, so Rainer Voss, keinen einzigen Manager, der die gesamte Konzernstruktur des größten deutschen Finanzinstitutes, der Deutschen Bank, in all' ihren Verästelungen durchschaut – weder im Konzern selbst noch außerhalb. Weshalb sich solche globalen Mega-Strukturen auch der politischen Kontrolle entziehen: Wo es keine persönliche Verantwortung gibt, existiert auch keine persönliche Haftung. Irgendwann, so ist sich der Insider Voss sicher, fliegt uns dieses System um die Ohren – finanztechnisch und gesellschaftspolitisch...
Marc Bauder, Stuttgarter des Jahrgangs 1974, studierte zunächst Betriebswirtschaft in Köln, St. Gallen und New York, bevor er an der Babelsberger Filmhochschule „Konrad Wolf“ ein Produktions-Studium aufnahm. Er ist über einen Bundestagsabgeordneten in Kontakt zum hochrangigen Investmentbanker Rainer Voss getreten. Der die Geschichte vom „Two-Nighter“, dem schlaflosen Durcharbeiten über zwei Tage und Nächte, so bildhaft erzählte, dass der Regisseur überzeugt davon war, allein mit ihm einen Dokfilm bestreiten zu können.
Wobei einige Spielregeln vereinbart wurden: keine Namen von Mitarbeitern oder Banken, für die Voss gearbeitet hat und das Recht, Fragen auch 'mal nicht zu beantworten. Was Marc Bauder, der das „Making of“ dieses Horrortrips durch unsere ungezügelte kapitalistische Welt, gerade auch seine juristische Absicherung betreffend, in seine Doku integriert hat, auch deutlich werden lässt. Der einzige Drehort, ein komplett leerstehendes Bankgebäude in Frankfurt, nur drei Hochhäuser neben der Deutschen Bank, sorgt für eine sehr spezielle Ästhetik.
Marc Bauder: „Dieses Gebäude ist wie eine Zwischenwelt, in der man nie so genau weiß, ob die Leute gestern erst ausgezogen sind oder morgen wieder einziehen werden. Wir haben ja sehr lange dort gedreht, und wenn wir so durch die leeren Flure gingen und an manchen Stellen noch Namensschilder, Aufkleber oder Urlaubskarten gefunden haben, war das schon ein gruseliges Gefühlt. Jeder Raum funktionierte als ein eigener Echoraum, den wir wiederbelebten oder zum Hinterfragen von vorgefertigten, stereotypen Bildern nutzen konnten. Stück für Stück entstand so ein Psychogramm einer Branche und ihrer Akteure, ohne dass wir das Gebäude wirklich verlassen mussten.“
„Master of the Universe“ ist nach der Uraufführung am 9. August 2013 im Wettbewerb der Semaine de la Critique in Locarno mit dem Hauptpreis der Jury ausgezeichnet worden. Auf die Deutsche Erstaufführung am 28. Oktober 2013 beim Dokfilmfestival Leipzig folgten der Kinostart am 7. November 2013 und die TV-Erstausstrahlung am 17. Juni 2014 auf Arte.
Pitt Herrmann