Soviel Wind und keine Segel

DDR 1981/1982 TV-Spielfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
„Segeln ist eine Sportart, wo man ab und zu abheben muss“: Für einen hochseetüchtigen Segler werben die Wassersportenthusiasten der im hohen Norden unweit der Ostseeküste angesiedelten Rinderzuchtgenossenschaft Altwarin um finanzielle Unterstützung. Der liegt nämlich gerade in der Werft von Schröder (Joachim Konrad) auf dem Trockenen. Doch beim Vorstand um den Chef Fritz Scheffel (Jürgen Zartmann) treffen die Bitten ihres unermüdlichen Sprechers Ali Munkwitz (Günter Schubert) und des sportbegeisterten Tierarztes Karl Merkel (Karl Sturm) auf taube Ohren. „Wir sind Viehzüchter“ stellt Vorstandsmitglied Arno Schmidt (Fred Delmare) trocken fest. Lediglich die einzige Frau der Chefetage, Hauptbuchhalterin Irma Brandstätter (Renate Reinecke), hat Feuer gefangen: für das Segeln und für den handfesten Freizeitkapitän Ali.

Ein überraschend angekündigter Ministerbesuch aus der fernen Hauptstadt Berlin kommt ihr gerade recht, denn er gibt ihr die Gelegenheit, den Vorsitzenden Fritz Scheffel dem Ansinnen von Ali gewogener zu machen. Scheffel will nämlich die Fürsprache des hohen Politikers erlangen in einer Auseinandersetzung um Weideflächen mit der benachbarten Pflanzenproduktion. Deren Vorsitzender Gunter Hoßmann (Arnim Mühlstedt) hat natürlich auch die Zeichen der Zeit erkannt und ist zu einer harten Auseinandersetzung bereit, die auch das vorzügliche Versöhnungs-Essen von Scheffels Gattin (Gisela Wunderlich) nicht verhindern kann. Um den Spitzen-Genossen zu beeindrucken, wird ausgerechnet Arno damit beauftragt, unverzüglich eine Betriebssportgemeinschaft ins Leben zu rufen. Auf einer Wiese ist rasch ein Fußballfeld improvisiert und der Lagerraum, in dem derzeit die Segler ihre Boote unterstellen und warten, soll zu einer Mehrzweck-Sporthalle für Gymnastik, Tischtennis und Boxen umfunktioniert werden.

Bei der Gründung einer Sektion Segeln stellen sich Scheffel und Schmidt daher weiterhin stur. Dabei ist diese die bisher einzig funktionierende Sportgruppe der Genossenschaft, auch wenn ihr inzwischen 45 Jahre alter Kahn laufend leck schlägt und sein Motor gerade in Reparatur ist. Weshalb der Segeltörn mit Irma auch voll in die Hose geht: Als ein Sturm aufkommt, stranden alle Bootsinsassen völlig durchnässt. Was Irmas Liebe zur See nicht wirklich ins Wanken bringt. Der Kaufvertrag für die Segeljacht liegt unterschriftsbereit in ihrem Schreibtisch und wenn Scheffler nicht bald auf Kurs gebracht werden kann, geht das Schmuckstück womöglich an einen anderen Interessenten, wie Alis Kumpel Hannes (Detlef Bierstedt) vom VEB Tiefbau weiß.

Während der Minister (Erik S. Klein) mit seinem Sekretär (Horst Bauer) zunächst die Pflanzenproduktion inspiziert, lässt Theo Macher (nomen est omen: Berthold Schulze) großen Haus- und Wagenputz machen. Und Irma wird beauftragt, im Waldgasthof ein Essen zu bestellen. Doch der hat geschlossen und andere gastronomische Einrichtungen werden gerade renoviert. Da hat Ali eine rettende Idee: Fakten schaffen statt lange Diskussionen. Essen in der Kantine und danach Ausfahrt mit dem neu erworbenen Motorsegler. Auf nicht ganz legale Weise besorgt Irma die Unterschriften der Vorstandsmitglieder – und plötzlich steht der Minister auf der Matte.

Der ist Feuer und Flamme für die Segler und Hobby-Bootsbauer, lässt es sich in der Kantine schmecken und zum Ausflug im schmucken, „Irma“ getauften Seekreuzer einladen. Sein Lob aus höchst fachmännischem Mund mit der Ministerhand an der Pinne: die Altwariner Rinderzüchter nutzen als Wassersportler optimal die Nähe zur Ostsee. Das sei vorbildlich. Fritz Scheffel ist nicht amüsiert, reibt sich aber bereits die Hände. Er hat sich zu früh gefreut: Erstens, so das sportbegeisterte hohe Tier aus der Hauptstadt, habe der Kreis die Entscheidungshoheit und zweitens solle die Pflanzenproduktion die Wiese bekommen. Für „Betriebsegoismus“ sei kein Platz, die beiden Vorsitzenden sollten sich gefälligst untereinander einigen.

Bei der attraktiven Ökonomin Irma dauert das private Happy End etwas länger, da muss erst ihre mütterliche Freundin Lotte Bleß (Evamaria Barth) ein Machtwort sprechen. Deren selbstbewusste Tochter Änne (Anja Mortensen) zeigt Arno Schmidts Söhnen Helmut (Sören Sonnenburg) und Norbert (Anja Mortensen) derweil, das auch auf dem platten Land eine neue Zeit angebrochen ist: „Wenn wir Frauen gleichberechtigt sind, können wir auch Fußball spielen.“

Die liebenswert-harmlose musikalische Komödie „So viel Wind und keine Segel“, eine Adlershofer Produktion (PL Horst Bauer), ist in Ueckermünde und Finowfurt gedreht worden. Erstausgestrahlt am 15. Juni 1982 im Fernsehen der DDR war sie am 1. Mai 2019 zum 10. Todestag von Fred Delmare im „Dritten“ des Mitteldeutschen Rundfunks zu sehen.

Pitt Herrmann