Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung
Historie
Die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung wird am 26. April 1966 durch Beschluss der Hessischen Landesregierung genehmigt. Ihre Entstehungsgeschichte ist eng verwoben mit den (film)politischen Umwälzungen der jüngeren deutschen Vergangenheit.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs verbot die "Alliierte Hohe Kommission" der vier Besatzungsmächte zunächst jegliche filmische Betätigung. Darüber hinaus beschlagnahmte sie das gesamte, sog. reichseigene Filmvermögen Deutschlands und verwaltete dieses nach Maßgabe eines Kontrollgesetztes bis 1953.
Die Alliierten übergaben 1953 die Verwaltung des Filmstockes wieder der BRD. Noch im gleichen Jahr verabschiedete der Bundestag ein "Gesetz zur Abwicklung und Entflechtung des reichseigenen Filmvermögens", das eine möglichst rasche Privatisierung dieses Vermögens vorsah. Mit Verträgen, die ein Mitspracherecht der Bundesregierung für den Fall vorsahen, dass die Filmstöcke als Ganzes weiter übertragen werden sollten, verkaufte die Bundesrepublik 1956 den Filmstock an die neu gegründeten Firmen Bavaria Filmkunst GmbH und Universum Film GmbH.
1965 äußerte der Bertelsmann-Konzern - der 1962 die Universum Film GmbH übernommen hatte - die Absicht, seinen Filmstock nach Amerika zu verkaufen. Nach intensiven Beratungen einigten sich die Bundesregierung, Bertelsmann und die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) auf die Gründung einer Stiftung bürgerlichen Rechts, die sowohl den Filmstock von Bertelsmann als auch von Bavaria Filmkunst GmbH übernehmen sollte. Die Stiftung erhielt den Namen des großen deutschen Regisseurs der Stummfilmzeit, Friedrich Wilhelm Murnau.
Filme zu sichern und zu erhalten, zu restaurieren und zu rekonstruieren, sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, Recherchen zu ermöglichen sowie die Rechte an den Filmen wahrzunehmen und sie vor unbefugter Auswertung zu schützen, ist Aufgabe und Ziel der Murnau-Stiftung.
Organisation
Oberstes Gremium der Murnau-Stiftung ist das Kuratorium. Ihm gehören fünf stimmberechtigte Vertreter der Filmwirtschaft sowie zwei Vertreter der öffentlichen Hand mit insg. 3 Stimmen an. Die Delegierten der Filmwirtschaft werden aus den Sparten Produktion, Verleih, Filmtheater, Technik und Export in das Kuratorium entsandt.
Die Interessen der öffentlichen Hand nehmen Vertreter des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst und des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien wahr.
Die Zusammensetzung des Kuratoriums, das Spektrum der darin versammelten Interessen und Verantwortungsbereiche dokumentiert nachhaltig die Rolle der Murnau-Stiftung als bedeutende Einrichtung zur Wahrung und Verbreitung des Kulturguts Film.
Filmstock
Die Murnau-Stiftung pflegt einen einzigartigen, in sich geschlossenen Filmstock. Er umfasst Kopien und Materialien samt der damit verbundenen Rechte vom Beginn der "Laufbilder" 1895 bis zum Anfang der 1960er Jahre.
Als Rechtsnachfolgerin der ehemaligen Produktionsfirmen Ufa, Universum-Film, Bavaria, Terra, Tobis und Berlin-Film besitzt die Murnau-Stiftung rund 2.000 Stumm- und 1.000 Tonfilme. Zum Bestand der Stiftung gehören außerdem rund 3.000 Kurzfilme (darunter Werbe-, Kultur- und Dokumentarfilme), die von kulturgeschichtlich großem Wert sind.
Ergänzt wird dies durch 60.000 Fotos, Plakate und Werbematerialien. Hinzu kommen Drehbücher, Dialoglisten sowie Fachliteratur inklusive Fachzeitschriften.
Außerdem hält die Murnau-Stiftung umfangreiche Rechtsunterlagen zu ihren Filmen bereit, die den Werdegang einer Produktion von der Entstehung bis zur aktuellen Auswertung widerspiegeln.
Daneben sammelt, erhält und dokumentiert die Stiftung Materialien und Rechte an anderen Filmen mit kultureller und historischer Bedeutung.
Aufgaben
Zweck der Stiftung ist, auch im Hinblick auf die kulturhistorische Bedeutung des Deutschen Films und aus Gründen der Volksbildung, Erziehung und ihres wissenschaftlichen Auftrages, die Förderung der deutschen Filmkultur und Filmkunst. Dieser Zweck wird verwirklicht insbesondere durch folgende Aufgaben:
a) für die Inanspruchnahme durch die Allgemeinheit die Erhaltung und die Vorhaltung von Filmmaterialien
a.a.) Filmmaterialien von und / oder Rechten an Filmstöcken der aufgelösten reichseigenen Filmproduktionsgesellschaften (Universum Film AG, UFA Filmkunst GmbH, Berlin-Film GmbH, Bavaria-Filmkunst GmbH, Terra Filmkunst GmbH, Tobis-Filmkunst GmbH),
a.b.) Filmmaterialen aus und / oder Rechten an den Nachkriegsproduktionen der Universum Film AG aus der Zeit von 1956 bis 1961 und der Bavaria-Filmkunst GmbH aus der Zeit von 1956 bis 1962,
a.c.) Filmmaterialien von und / oder Rechten an Filmen mit kultureller oder historischer Bedeutung,
b.) Unterhaltung und Betreiben eines Filmarchives, das der Allgemeinheit zur Verfügung steht;
c.) die Unterhaltung einer wissenschaftlichen und / oder kulturellen Dokumentation und Bibliothek zu historischen oder kulturell bedeutenden Filmstöcken;
d.) die Verleihung von Preisen als Anreiz für die Allgemeinheit, unmittelbar auf dem Gebiet der Filmkultur und Filmkunst in hervorragender Weise tätig zu werden und damit den gemeinnützigen Zweck der Stiftung zu fördern;
e.) die Förderung und Unterstützung der Ausbildung von Studenten, Doktoranden, Postdoktoranden und anderen Fachkräften aus wissenschaftlichen und / oder kulturellen Gebieten, die den Zwecken der Stiftung entsprechen, sowie der Unterstützung deren Arbeiten, sofern diese den Zwecken der Stiftung entsprechen und der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden;
f.) die Durchführung von und die Mitwirkung an Seminaren, Symposien und sonstigen Fachveranstaltungen auf wissenschaftlichen und / oder kulturellen Gebieten, die den Zwecken der Stiftung entsprechen;
g.) die Zusammenarbeit mit Körperschaften öffentlichen Rechts, die auf dem Gebiet der film-kulturellen Förderung tätig sind, dem Deutschen Filminstitut - DIF e.V., dem Bundesarchiv-Filmarchiv, der Stiftung Deutsche Kinemathek sowie vergleichbaren Einrichtungen, Institutionen, Bibliotheken und Archiven zur ausschließlichen und unmittelbaren gemeinnützigen Förderung der deutschen Filmkultur, Filmkunst- und Wissenschaft;
h.) die Zusammenarbeit mit internationalen kulturellen und / oder wissenschaftlichen Einrichtungen, Instituten und Filmarchiven auf vorstehend genannten gemeinnützigen Gebieten.
Kurzfilm
Einen Beitrag zur Zukunft der Filmkultur und damit auch zur Förderung junger Talente leistet die Murnau-Stiftung mit ihrem Kurzfilmpreis, den sie seit 1995 an bis zu zehn deutsche Kurzfilmproduktionen verleiht, die sich durch besondere Kinoeignung auszeichnen und in einer Länge von 3 bis 15 Minuten vorliegen.
Unter den Preisträgern der vergangenen Jahre finden sich nicht nur eine Reihe fest etablierter Filmemacher wieder, sondern auch einige Oscar-Preisträger.
Der Jury gehören je zwei Vertreter der Fachverbände für die Filmtheaterwirtschaft und für die Kurzfilmproduktion an; das fünfte Mitglied der Jury ist der Kuratoriumsvorsitzende der Murnau-Stiftung.
Die Zuerkennung des Murnau-Kurzfilmpreises gilt für den Preisträger auch als Referenzkriterium für die Kurzfilmförderung durch die Filmförderungsanstalt in Berlin (FFA).
Partner
Für die Auswertung der zum Rechtebestand der Stiftung zählenden Filme ist die Münchener Transit Film GmbH ein verlässlicher Partner. Dies betrifft den gewerblichen Kinoverleih, den Lizenzhandel mit in- und ausländischen TV-Sendern, aber auch mit Video- bzw. DVD-Vertriebsfirmen. Im sonstigen Verleih wird die Stiftung selbst neben dem Deutschen Filminstitut - DIF e.V. sowie der Stiftung Deutsche Kinemathek tätig.
Technische und archivarische Aufgaben erfolgen in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesarchiv-Filmarchiv.
Eng kooperiert die Murnau-Stiftung auch mit dem Kinematheksverbund. An seinen regelmäßigen Koordinierungsratssitzungen nimmt die Murnau-Stiftung ebenso teil wie an denen seinen Facharbeitsgruppen.
In der filmischen und politischen Bildungsarbeit arbeitet die Murnau-Stiftung mit dem Institut für Kino und Filmkultur zusammen. Insbesondere bei der didaktischen Aufarbeitung des nationalsozialistischen Filmerbes in Schulen und Einrichtungen der Erwachsenenbildung ist das Kölner Institut von großem Wert.
Partnerschaften auf internationaler Ebene pflegt die Murnau-Stiftung mit den italienischen Festivals "Le Giornate del Cinema Muto" in Sacile und "Cinema Ritrovata" in Bologna, die als weltweit führende Foren des Stummfilms gelten.
Darüber hinaus bestehen internationale Kooperationen mit Fachleuten, Filminstitutionen, Archiven und Kopierwerken, die auf die Sammlung, Restaurierung und Vorführung historischer Filme spezialisiert sind.
Service
Durch die EDV-gestützte Dokumentation aller Bestandstitel sowie der dazugehörigen Materialien bietet die Murnau-Stiftung die Möglichkeit, alle relevanten Informationen innerhalb kürzester Zeit zu beschaffen. Von sämtlichen Langfilmen liegen Videokopien vor, die mit Time-Codes versehen sind, so dass Filme und Filmausschnitte kurzfristig auf das gewünschte Format kopiert und ausgeliefert werden können.
Neben einer Präsenzvideothek des Filmstocks werden die Bestände auf einer Datenbank erfasst, die ständig erweitert wird. Dieses Serviceangebot ermöglicht umfassende Recherchen nach Filmen, filmografischen Daten, aber auch nach Musiktiteln, Interpreten und Ausstattungs-Motiven.
Wissenschaftlern und Fachinteressierten wird die Beschäftigung mit dem deutschen Filmerbe dadurch wesentlich erleichtert.
Darüber hinaus liegen in den Archiven der Stiftung tausende ergänzende Materialien zu den Filmen bereit (historische Filmplakate, Werbematerialien oder zum Großteil eingescannte Standbilder).
Die stiftungseigene Rechtsabteilung verwaltet nicht nur die Rechte und weist diese – nötigenfalls auch durch gerichtliche Schritte – nach, sie engagiert sich auch für den Neu- und Nacherwerb von Rechten. Damit gehen auch Vertragsgestaltungen zu Restaurierungsprojekten oder der Vertonung von Stummfilmen sowie die Überprüfung der zunehmenden Anfragen zu Wiederverfilmungen einher.
Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung
Murnaustraße 6
65189 Wiesbaden
Tel.: +49 (0)611 / 97708-0
Fax: +49 (0)611 / 97708-19
www.murnau-stiftung.de
Email: info@murnau-stiftung.de
Vorstand: Christiane von Wahlert