Deutscher Dokumentarfilmpreis 2018 geht an "Of Fathers And Sons"

Am 29. Juni wurde in Stuttgart der Deutsche Dokumentarfilmpreis vergeben. Mit dem gemeinsamen Preis von SWR und der MFG Filmförderung Baden-Württemberg wurde der Dokumentarfilm "Of Fathers And Sons" (deutscher Filmtitel: "Kinder des Kalifats") ausgezeichnet.

 

Filmemacher Talal Derki kehrte dafür in seine Heimat Syrien zurück. Dort gewann er das Vertrauen einer radikal-islamistischen Familie und begleitete ihren Alltag über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren.

Die Jury begründet ihre Entscheidung folgendermaßen: "Der Film führt uns in eine fremde, essentiell verstörende Welt, ohne Schutz, aber mit großer dokumentarischer Geduld, mit unwiderstehlichen Bildern, erzählerischer Präzision, mit tiefem Respekt vor der Widersprüchlichkeit des menschlichen Daseins. […] Die Welt von 'Of Fathers and Sons' ist diejenige radikaler Islamisten in Syrien. […] Als Filmemacher konnte er sie besuchen, wieder verlassen und uns das Privileg verschaffen, aus ihren Widersprüchen und ihrer Tragik zu lernen."

"Of Fathers and Sons" ist eine Produktion von BASIS Filmproduktion in Koproduktion mit Ventana Film, Cinema Group Production, SWR und rbb in Zusammenarbeit mit Arte und Impact Partners.

Der Preis der "STZ Leserjury" geht an Florian Opitz für seinen Film "System Error". Die bereits zum zweiten Mal von der Stuttgarter Zeitung vergebene Auszeichnung ist mit einem Preisgeld von 4.000 Euro dotiert.

Die "STZ Leserjury" kommentiert: "Florian Opitz zeigt, wohin grenzenloses Wachstum führt – in ungewöhnlichen und erschreckenden Perspektiven aus aller Welt. Sei es auf der Rinderfarm in Mato Grosso oder auf dem Flughafen von Peking [.] […] Ohne erhobenen Zeigefinger wird uns auch durch beeindruckendes Archivmaterial vor Augen geführt, was uns erwartet, wenn dieser Wahnsinn so weitergeht: Die Welt gibt es nur einmal."

Der Film wurde produziert von Port au Prince Film & Kultur Produktion GmbH, Florian Opitz, Spring Productions; Koproduktion: WDR, BR in Zusammenarbeit mit Arte; Filmförderung: Film- und Medienstiftung NRW, BKM, FFA, DFFF.

Der mit 3.000 Euro dotierte Förderpreis des HDF geht an "Shut Up and Play the Piano", das Debüt des Regisseurs Philipp Jedicke. Der Film dokumentiert Chilly Gonzales' Weg aus seiner kanadischen Heimat über die Berliner Underground-Szene in den 1990er Jahren bis zu den Konzerthäusern der Gegenwart.

Die Jury kommentiert: "Im Fokus von 'Shut Up and Play the Piano' steht die Musik, deren Rhythmus Jedicke stets folgt, ohne auf einen eigenen Rhythmus zu verzichten.  […] Über allem, was Jedickes schlau komponierte Künstlerbiographie über Chilly Gonzales zu sagen hat, steht freilich der früh formulierte Zweifel, ob das Gezeigte wahr oder nur eine weitere großangelegte (Selbst-)Inszenierung, ein großer Bluff ist. Das Erkenntnisinteresse des Dokumentarfilmers damit zugleich zu reflektieren und infrage zu stellen, ist eine souveräne Geste des Debütanten. Und der Clou des Films."

Produktion: Deutschland 2018; 82 Min; Buch und Regie: Philipp Jedicke; Produzent: Rapid Eye Movies; Koproduzenten: Gentle Threat (Melinda Cody, Chilly Gonzales); Filmförderung: Film und Medienstiftung NRW.

5.000 Euro Preisgeld gehen an Stefanie Brockhaus und Andy Wolff für ihren Film "The Poetess". Der Film porträtiert die Dichterin Hissa Hilal, die es als erste Frau überhaupt ins Finale der TV-Show "Million's Poet" in Abu Dhabi schaffte – verschleiert und mit dem notwendigen Einverständnis ihres Ehemannes. In ihren Werken äußert Hilal starke Kritik an der patriarchal organisierten Gesellschaft der arabischen Welt, an Terrorismus und an dem Weltbild von Islamisten.

Die Jury lobt die Filmemacherinnen und Filmemacher. Sie "lösen beeindruckend den scheinbaren Widerspruch eines Porträts einer verhüllten Protagonistin. In frontalen Interviews kann die Person unter der Nikab nicht nur durch die Kraft ihrer Sprache, sondern auch durch ihre beeindruckende und mutige Künstlerpersönlichkeit eine ungeheure Wucht und filmisches Charisma entfalten."

Der Film ist eine Produktion von Brockhaus/WolffFilms im Auftrag von Arte und ZDF mit Unterstützung des FilmFernsehFonds Bayern.

Ebenfalls 5.000 Euro Preisgeld gehen mit dem in diesem Jahr erstmals verliehenen Musikpreis der Opus GmbH an Stephan Plank und Reto Caduff für "Conny Plank - The Potential of Noise".

Die Jury lobt: "Künstler und Zeitzeugen vermitteln Stephan Plank auf seiner Reise tiefe Einblicke in kompromisslose Suche nach der Authentizität von Künstlern und damit den für ihre Kunst passenden Sound. In ruhigen, schönen Bildern, in alten Aufnahmen und Rückblenden, erfährt der Zuschauer wie komplex, empathisch und kreativ die Arbeit eines Musikproduzenten sein kann – aber auch wie stilbildend. Und fast beiläufig lernen wir viel über Pop – und kulturhistorische Entwicklungen der 70er und 80er Jahre in Deutschland und Europa."

Produktion: Deutschland 2017; 80 Min.; Buch und Regie: Stephan Plank und Reto Caduff; Produzent: Sugar Town Filmproduktion, Seneschall; Koproduktion: Cine +, WDR in Zusammenarbeit mit Arte und zischlermann filmproduktion; Filmförderung: BKM FFA DFFF Filmstiftung.

Der Deutsche Dokumentarfilmpreis wird seit 2017 jährlich (zuvor zweijährig) vom Südwestrundfunk (SWR) und der MFG Filmförderung Baden-Württemberg gestiftet. Die Preisverleihung fand dabei zum zweiten Mal im Rahmen des SWR Doku Festivals statt. SWR Intendant Peter Boudgoust betonte bei seiner Festrede: "In Zeiten von immer schneller werdenden Nachrichten und auch manchmal viel zu vielen unterschiedlichen Informationen wird nochmals deutlicher, wie sehr wir den Dokumentarfilm brauchen. Er zeigt die Phänomene, etwa von Globalisierung, Migration und Terrorismus. Er kann die komplexen Strukturen sichtbar machen, Menschen und ihre Geschichten authentisch zeigen, Zwischentöne zulassen. Wie auch schon im vergangenen Jahr beim Festival deutlich geworden ist, müssen wir uns über die herausragende Qualität des deutschsprachigen Dokumentarfilms keine Sorgen machen."

Wiltrud Baier (Filmemacherin, Produzentin "Böller und Brot"); David Bernet (Filmemacher und Gewinner des Hauptpreises 2017 sowie des Leserpreises der Stuttgarter Zeitung für "Democracy"); Ulrike Groos (Direktorin des Kunstmuseums Stuttgart); Annett Ilijew (Filmemacherin "Somos Cuba" und Schnittmeisterin); Pia Lenz (Filmemacherin, Gewinnerin des Grimme-Preis 2018 für "Alles Gut"); Klaudia Wick (Leiterin audiovisuelles Erbe – Fernsehen an der Stiftung Deutsche Kinemathek); Fritz Wolf (Publizist, Spezialgebiet Dokumentarfilm).

Die Fachjury für den Preis der Opus GmbH: Sven Meyer (Geschäftsführer Opus GmbH, Promoter Couchsurfer); Jürgen Schlensog (Geschäftsführer Opus GmbH, Promoter jazzopen stuttgart); Thorsten Schütte (Filmemacher, u. a. "Frank Zappa – Eat that Question").

Quelle und weitere Informationen: www.deutscher-dokumentarfilmpreis.de