Sabine

Deutschland 2020/2021 TV-Spielfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
Die Arunia, Rostocks älteste und größte Werft, steht mal wieder vor der Schließung. Das war nach der Wende schon so, weshalb die Belegschaft sie übernehmen wollte unter Führung von Sabine Brenners Mutter Hannelore. Was damals die Gewerkschaft unter dem bis heute amtierenden Betriebsratsvorsitzenden Hannes Hegelow verhindert hat. Der jetzt, wo der ausländische Ponosh-Konzern 800 Beschäftigen gekündigt hat, wieder das große Wort führt. Doch die Arbeiter, die auf seine Vermittlung hin bereits 470 unbezahlten Überstunden absolviert haben, wollen nicht mehr verhandeln – sie wollen für ihr Recht kämpfen. Sabine, die in der Chefetage kellnert, hat ein Gespräch zwischen der Finanzchefin Anja Ritter und ihrem jungen, skrupellosen Chef Paul Lettcke mitbekommen. Danach wirft die Werft durchaus Gewinn ab, 20 Millionen Euro zuletzt. Was einer Rendite von drei Prozent entspricht. Die Eigentümer aber erwarten fünf Prozent. Die Belegschaft ist in den Streik getreten und Sabine hat ihren elfjährigen Sohn Jonas bei ihrem geschiedenen und derzeit arbeitslosen Mann Mike untergebracht – offiziell nur fürs Wochenende.

In Wirklichkeit hat Sabine, deren dicke Ränder um apathisch-ausdruckslose Augen ihre seit offenbar geraumer Zeit bestehende verheerende Gemütslage geradezu herausschreien, vor, sich mit der Makarow ihrer Mutter aus den Beständen der einstigen Betriebskampfgruppe der Volkseigenen Werft umzubringen. Nach zwei Umschulungen erst zur Altenpflegerin und dann zur Systemgastronomin macht ihr das Arbeitsamt kein neues Angebot. Und die Bank gibt keinen Kredit mehr, sodass bei Sabine im Plattenbau-Wohnblock der Strom abgeschaltet wird. Zu allem Übel versagt die Klassenlehrerin ihrem Sohn trotz guter Noten auch noch die Empfehlung fürs Gymnasium – mangels familiärer Förderperspektiven. Weil es in der Nachbarwohnung einmal mehr hoch hergeht, kann sich Sabine nicht richtig konzentrieren. So wird der Werftarbeiter Jörg Funkel, der beinahe täglich seine Gattin Paula verprügelt, unvermutet ihr erstes Opfer.

Die Profilerin Katrin König und ihr Kommissars-Kollege Alexander „Sascha“ Bukow gehen zunächst von einem Racheakt aus, der im Zusammenhang mit der bevorstehenden Arunia-Schließung steht. Schließlich arbeitet das Opfer dort – und der Täter soll laut Zeugenaussage ein Shirt mit dem Logo der Werft getragen haben. Für Sascha aber steht zunächst ein privater Fall im Vordergrund: Sein von Klaus Manchen verkörperter Vater Veit, der König der Rostocker Unterwelt, ist tot. Und dessen Sohn tut sich schwer damit, Abschied zu nehmen. „Feiert mein Leben und vergesst, dass ich gestorben bin“: Sascha nimmt den letzten Willen Veits wörtlich und lädt zur promillehaltigen Fete in seine Wohnung. Die halbe Polizei samt Chef Henning Röder und alle ihre Stammkunden friedlich vereint. Was, erstmals, auch für Katrin und Sascha gilt. Die sich, bisher wie Hund und Katze, beim Ton-Steine-Scherben-Oldie „Halt dich an deiner Liebe fest“ richtig nahe kommen. Mit Aussicht auf mehr nach dem One-Night-Stand.

Was auch damit zusammenhängt, dass mit Melly Böwe erstmals eine Halbschwester Saschas aufgetaucht ist. Beide Kinder Veits begegnen sich seit Jahrzehnten erstmals wieder – und haben sich an dessen Lieblingsplatz an der Ostsee vieles zu erzählen und einiges zu verzeihen. Sascha war offenbar schon in sehr jungen Jahren ein raubeiniger Egomane – und gesteht das nicht nur Melly, die als 16-Jährige ein Kind geboren und im Ruhrgebiet großgezogen hat, wo sie als Polizistin arbeitet, sondern auch Katrin ein. Welche er nun auch ganz offen im Dienst duzt – zur Überraschung, aber auch zur Freude der Kollegen. Bei der Kripo gehts nun weitaus friedlicher zu, wovon nicht zuletzt Pöschel profitiert, dem Buckow einen happigen Fehler verzeiht. Während eine andere in prekären Verhältnissen lebende, ihre beiden Kinder vernachlässigende Nachbarin Sabines, Jeanine Elberlein (Mieke Schymura), eben dieser Kinder wegen nur geknebelt und gefesselt wird, erwischt es einen zynischen Zeitungsleser auf der Parkbank, der ein Gespräch zwischen Sabine und Mike über ihre Finanzprobleme belauscht und kommentiert hat, tödlich. Auf ihrer To-do-Liste stehen freilich auch noch Hannes Hengelow und Paul Lettcke, bevor es zum großen Showdown in der Geschäftsstelle ihres Bankers Olli Schmatke kommt…

„Sabine“ ist der Titel einer sozialkritischen Rostocker „Polizeiruf 110“- Folge, ein ganz aus der Sicht der nicht nur für ihren Chef unsichtbaren Titelfigur gedrehter Krimi: Lettcke nimmt überhaupt erst Notiz von Sabine, als er in der Cafeteria geviertelte Zitronen für sein stilles Wasser einfordert. Einmal mehr beweist Luise Heyer, die 2019 den Deutschen Filmpreis in der Kategorie „Beste Nebenrolle“ (Hape Kerkelings Mutter in „Der Junge muss an die frische Luft“) erhielt, ihre Vielseitigkeit bei enormer (Bildschirm-) Präsenz. Close-ups sorgen für emotionale Nähe zum Zuschauer: die Serienmörderin als Sympathieträgerin. Das Geschehen ist so realistisch, dass der NDR im Abspann (und im Netz) auf Hilfsangebote für Menschen in vergleichbar auswegloser Situation hinweist. Florian Oeller im ARD-Presseheft: „Wir wollen dieser unsichtbaren Frau eine Geschichte geben und sagen: Seid nicht so einfach in euren Urteilen! Wir wollen hier aber auf keinen Fall eine Märtyrerin erzählen. Wir glorifizieren diese Akte der Gewalt nicht. Sabines Taten sind abscheulich und strafwürdig. Doch nicht die Taten an sich sind hier Thema, sondern die Figur, die sie verübt.“

Pitt Herrmann

Credits

Drehbuch

Kamera

Schnitt

Darsteller

Produzent

Alle Credits

Drehbuch

Kamera

Kameraführung

Beleuchter

Szenenbild

Schnitt

Darsteller

Produzent

Herstellungsleitung

Produktionsleitung

Dreharbeiten

    • 18.08.2020 - 16.09.2020: Rostock, Nienhagen, Hamburg
Länge:
89 min
Format:
16:9
Bild/Ton:
Farbe, Dolby
Aufführung:

TV-Erstsendung (DE): 14.03.2021, ARD

Titel

  • Originaltitel (DE) Sabine
  • Reihentitel (DD DE) Polizeiruf 110

Fassungen

Original

Länge:
89 min
Format:
16:9
Bild/Ton:
Farbe, Dolby
Aufführung:

TV-Erstsendung (DE): 14.03.2021, ARD

Auszeichnungen

Grimme-Preis 2022
  • Grimme-Preis, Fiktion