Biografie
Das uneheliche Kind eines schwedischen Bauern und von dessen Haushälterin verbrachte die ersten Monate seines Lebens in dänischen Waisenhäusern. Nach dem Tod der leiblichen Mutter 1891 Adoption durch die streng protestantische Familie eines Schriftsetzers. Nach erfolglosen Versuchen als Cafémusiker und Buchhalter arbeitete Dreyer ab 1910 als Sportjournalist, unter anderem für die Tageszeitungen Berlingske Tidende und Extrabladet. 1912 wurde er freier Mitarbeiter bei der Nordisk Film.
Der Tätigkeit als Editor und Drehbuchautor folgte das Regiedebüt mit "Præsidenten" (1919). Nach diesem konventionellen Melodrama inszenierte er noch im selben Jahr mit "Blade af Satans Bog" einen weiteren Film für Nordisk. Der Episodenfilm zeigte bereits Ansätze der detaillierten Bildkomposition, die Dreyers spätere Arbeiten auszeichnete. Der ökonomische Niedergang der dänischen Filmindustrie zwang ihn, seine folgenden Projekte im europäischen Ausland zu realisieren. Neben der Auseinandersetzung mit christlichen Motiven wurde das Verhältnis des Bewußten zum Unterbewußten zum zentralen Thema seiner Filme.
So auch in "Michael" (1924), der Studie eines von seinen homosexuellen Neigungen gequälten Künstlers. "La passion de Jeanne d'Arc" (1928) markierte einen Höhepunkt in der filmischen Arbeit Dreyers. Das aufwendig inszenierte Drama über den letzten Tag im Leben der Johanna von Orleans, mit Renée Falconetti in ihrer einzigen Filmrolle, wurde von der Kritik als visionäres Kunstwerk gepriesen. Für die Produzenten wurde der Film jedoch zum finanziellen Desaster.
In der Filmindustrie Europas galt Dreyer als schwieriger und unprofitabler Regisseur. Als sein erster Tonfilm "Vampyr" (1932) nicht nur bei den Kinobesuchern, sondern auch bei der Kritik auf Desinteresse stieß, zog sich Dreyer für zehn Jahre aus dem Filmgeschäft zurück. Erst bei "Mødrehjælpen" (1942), einem Dokumentarfilm für die dänische Regierung über die Situation von Müttern, arbeitete er wieder als Regisseur.
Während der deutschen Okkupation entstand "Vredens Dag" (1943). Dreyers Werk über Glauben und Toleranz vor dem Hintergrund der Hexenverfolgungen verwies allzu deutlich auf die Besetzung Dänemarks durch Deutschland. Aus Angst vor Inhaftierung emigrierte der Regisseur nach Schweden und drehte dort "Två människor" (1945).
Nach dem Krieg arbeitete er erneut als Dokumentarfilmer für die dänische Regierung. 1952 wurde er in Anerkennung seiner Verdienste zum Leiter des Dagmar Bio, Kopenhagens berühmten Filmpalastes, berufen. Erst mit "Ordet" (1955) kehrte Dreyer zum Spielfilm zurück. In seinem letzten Film "Gertrud" (1964) verdichtete er die bestimmenden Motive seines Gesamtwerkes in der Geschichte einer verängstigten Frau, die schließlich aus ihrer Isolation ausbricht. Hier gelang die kompromißlose Reduktion filmischer Mittel zugunsten einer transzendenten Filmerzählung am beeindruckendsten.
1968 starb der Filmmacher, ohne sein größtes, über Jahre entworfenes Projekt, die Verfilmung des Lebens Jesu, realisiert zu haben.