Credits
Regie
Schnitt
Produktionsfirma
Produzent
Alle Credits
Regie
Schnitt
Mischung
Sprecher
- Erzähler
Produktionsfirma
Produzent
Redaktion
Produktionsleitung
Länge:
42 min
Format:
Beta DIGITAL (PAL)
Bild/Ton:
Farbe, Dolby
Aufführung:
Uraufführung (DE): 25.09.1994, Duisburg, Filmwoche
Titel
- Originaltitel (DE) Der Ort, die Zeit, der Tod
- Weiterer Titel (DE) Der Ort, die Zeit, der Tod - Ein Heimatfilm
Fassungen
Original
Länge:
42 min
Format:
Beta DIGITAL (PAL)
Bild/Ton:
Farbe, Dolby
Aufführung:
Uraufführung (DE): 25.09.1994, Duisburg, Filmwoche
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Hier ist 1990 ein Massengrab aufgefunden worden, von dem es zu DDR-Zeiten nur Gerüchte unter Eingeweihten wie den Revierförstern gab: der Geheimdienst der Sowjetarmee NKWD hat hier auf dem Gelände eines NS-Konzentrationslagers ein so genanntes „Schweigelager“ errichtet und drei Jahre bis 1948 betrieben. Dessen Name daher rührt, dass von dem Schicksal der insgesamt 12.000 Internierten nichts nach draußen gedrungen ist. Bis zur Wende. Dann konnte das Tabu solcher Lager, die es nicht nur hier am Tollensee gegeben hat, gebrochen werden ohne Furcht vor staatlichen Konsequenzen.
Wie Gesteinsformationen legt Peter Voigt binnen 42 Minuten Schicht für Schicht die Zeitläufte dieses entlegenen und nur auf den ersten Blick idyllischen Fleckchens nordostdeutscher Erde frei. Von den ursprünglich hier lebenden Slawen ist nach ihrer Vertreibung durch die Germanen nichts übrig geblieben, nachdem deren Siedlung einschließlich eines Heiligtums im gefluteten Nachbarsee untergegangen ist. Zwischen 1935 und 1941 errichtete eine NS-Organisation in Alt-Rehse die „Führerschule der deutschen Ärzteschaft“. Hier wurden im Rahmen des Euthanasie-Programms Themen wie die Massensterilisation so genannten „unwerten Lebens“ diskutiert und grausame Experimente an Menschen durchgeführt, von denen es aber heute keine Zeugnisse mehr gibt: Pioniere der Roten Armee hatten es 1945 eilig, die Gebäude abzureißen, nachdem sämtliche Geräte und Dokumente der Nazi-Mediziner nach Moskau geschafft worden waren.
Jeder Landesverband besagter NS-Ärzteschaft finanzierte den Bau eines reetgedeckten Fachwerkhauses und verewigte die Spende in gotischer Schrift auf einem Giebelbalken. Zusammen mit einer Jahreszahl, die sich auf die Gründung des Tausendjährigen Reiches, also auf 1933, bezieht. Nach 1945 wurden die Inschriften sorgsam verdeckt, nach der Wende ebenso sorgfältig restauriert. Allerdings müssen die derzeitigen Bewohner, im Rahmen der Kollektivierung der Landwirtschaft nach sowjetischem Vorbild wurde der Privatbesitz enteignet, mit dem Damoklesschwert der Klage einer Kölner Ärzteorganisation auf Restitution leben.
Weite Teile der Landschaft sind militärisches Sperrgebiet, obwohl man nur am Tor einer Kaserne 'mal einen Wachsoldaten zu Gesicht bekommt. 1941 hatte die hier unter SS-Runen agierende Wehrmacht begonnen, in dem mit siebzehn Metern langen See unter idealen Bedingungen Torpedos zu testen mit dem Ziel, eine Wunderwaffe für den Endsieg zu entwickeln. Dazu wurden als Außenstellen des Konzentrationslagers Ravensbrück getrennte Arbeitslager für Männer und Frauen errichtet: Arbeitssklaven, die eine Abschussrampe mitten in den See bauten, von der heute immerhin noch ein rudimentärer Rest zeugt, und die Waffen und Munition herstellten. Nur von serbischen Kriegsgefangenen, die offenbar einen Steinmetz in den eigenen Reihen hatten, sind noch Grabsteine vorhanden.
Nachdem die Sowjetarmee das Gelände freigegeben hatte, übernahm die Nationale Volksarmee der DDR in den 1960er Jahren das großflächige Areal, um es für Waffenübungen zu nutzen. Dafür wurde sogar eine zu DDR-Zeiten angelegte KZ-Mahnstätte geschleift, von der es aber noch im Film gezeigte Fotos gibt. Mitte der 1970er Jahre ist das Gelände zu einem zentralen Befehlsstand der NVA ausgebaut worden. Dazu wurde das Gutshaus mit Nebengebäuden großräumig mit Bunkern unterkellert, die heute, nach der Wende übernahm die Bundeswehr, museal zugänglich sind und von der Angst der SED-Bonzen vor dem eigenen Volk zeugen.
„Der Ort, die Zeit, der Tod“ ist mit „Ein Heimatfilm“ untertitelt. Peter Voigt war auch für den Schnitt zuständig und hat den Kommentartext verfasst. Inspiriert von dem Besuch einer Ausstellung japanischer Tuschezeichnungen zu Drehbeginn hat Voigt den Bildern einer geradezu archetypischen deutschen Landschaft fernöstliche Klänge unterlegt – nicht der einzige Verfremdungseffekt des Brecht-Schülers. Zu der besonderen Atmosphäre des Films, ein Ausstrahlungsdatum beim koproduzierenden Sender Freies Berlin ist nicht bekannt, gehören auch milchig grundierte Farbtöne und Momente der Stille als künstlerisches Mittel. Voigt sucht mit großer Nachdenklichkeit vor Ort nach Zeugnissen in der Landschaft, aber bewusst nicht bei heutigen Bewohnern. Unter den an Stummfilme erinnernden Zwischentiteln mit griechischen Grabinschriften aus der vorchristlichen Zeit befindet sich auch Euthanasie, wörtlich übersetzt „Leichter Tod“.
Pitt Herrmann