"Die Talentsuche steht im Mittelpunkt"

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Interview mit Heinz Badewitz (2008)


Der Mitbegründer und Leiter der Internationalen Hofer Filmtage Heinz Badewitz im Gespräch mit filmportal.de über die Lage des deutschen Films, die Geschichte seines Festivals und die Gleichberechtigung von Spiel- und Dokumentarfilm.


filmportal.de: Herr Badewitz, seit über vier Jahrzehnten setzen sie sich für den deutschen Film ein und erleben seine Höhen und Tiefen. Wo steht der deutsche Film heute?

Heinz Badewitz: Ganz oben würde ich sagen. Seit drei, vier Jahren ist ein Aufbruch festzustellen, nicht nur von den jungen Absolventen der Filmakademien, sondern auch von Regisseuren und Regisseurinnen, die plötzlich einen wunderbaren zweiten Film geschaffen haben. Der Qualitätsstandard des deutschen Films ist momentan sehr hoch. Jedoch kommen leider viele Filme aufgrund des Überangebotes in den Kinos nicht zu den Zuschauern: Vor ein paar Jahren sind nur 300 Filme im Jahr rausgekommen, letztes Jahr um die 560.
Es ist sehr schade, dass sich nur einige wenige Produktionen durchsetzen können. Und gerade Filme, von denen man meint, sie sind hervorragend, die auf Festivals mit Preisen überschüttet und von der Kritik umjubelt worden sind, brechen dann ein, weil eben zu wenig Platz im deutschen Kino ist. Aber der deutsche Film ist in seiner Qualität international sowie national sichtbar und wird weltweit auf jedes Festival eingeladen.

Die Hofer Filmtage haben einen starken Deutschland-Bezug, sind aber auch international angesehen. Denkt das Ausland durch Hof anders über den deutschen Film?

Natürlich. Seit den 2. Hofer Filmtagen im Mai 1968 sind internationale Filmemacher nach Hof gekommen. So hat sich ausgeprägt, dass wir schon damals Internationale Hofer Filmtage hießen. Da kamen damals die Prager von der FAMU [Filmová a televizní fakulta Akademie Múzických Umění v Praze] rüber und junge Regisseure reisten mit ihren 16mm-Kopien in 24-stündiger Zugfahrt vom Filmfestival in Cannes an. Es war wunderbar, was man für tolle Leute und für tolle Filme entdeckt hat. Für die ganze Entwicklung des Jungen beziehungsweise Neuen Deutschen Films, also Wenders, Herzog, Fassbinder, Kluge, Schlöndorff und andere, war Hof einer der Geburtsorte. Es gab zwar auch einige andere Festivalorte wie Oberhausen oder Mannheim, die das Junge Deutsche Kino gespielt haben, aber in Hof war die Massivität, dort kamen alle hin. Hof war ein Initial-Ort, von dem vieles ausging und wo der deutsche Film seine Heimat fand. Wim Wenders sagte, Hof sei für ihn das "Home of Films" (HOF).

Wie stellen Sie das Filmprogramm zusammen?

Seit März dieses Jahres habe ich Tausende von Filmen gesehen. Wir können aber nur 69 lange Filme in Hof zeigen. Digi-Betas zweimal, analog gedrehte Filme dreimal. Wir haben also nur einen gewissen Raum, um Filme zu zeigen. Wir wollen aber auch nicht das Festival mit den meisten Filmen im Programm sein, sondern ein Programm machen, das Hand und Fuß hat und wirklich die Talente des deutschen Films zeigt. Dafür fahre ich viel herum, besuche Festivals und Filmakademien und gehe auf Sichtungsreisen. Aber es kommen auch unaufgefordert Filme, selbst aus der Mongolei oder Alaska. Die Kuriere bringen jeden Tag stapelweise diese DVDs, das ist unglaublich. Die Berlinale hat letztes Mal über 4000 Filme in der Einsendung gehabt. Allerdings muss man sagen, dass 90 Prozent dieser Filme nicht genommen werden können. Doch auch darunter kann man Entdeckungen machen, und das ist doch das Schönste, was passieren kann.

Nach welchen Kriterien wählen Sie die Filme aus?

Der Film muss einfach eine tolle Geschichte bieten und gut erzählt sein und das Talent der Regisseure und Regisseurinnen auf die Leinwand bringen. Der Dokumentarfilm darf keine "talking heads" haben, sondern muss ein Film sein, der nicht viele Worte braucht, um die Geschichte zu erzählen. Ich konzentriere mich auf die Bildsprache, nicht auf die Dialoge.

Sie sprachen an, dass sich schon sehr viele Filmemacher durch Hof etabliert haben. Ist es nicht schwer, immer wieder neue Talente zu finden?

Es ist mein Credo, dass ich jedes Jahr die neuen Wenders-, Herzog-, Fassinder-Talente finde. Dadurch liegt ein ungemeiner Erwartungsdruck auf Hof. Es macht aber auch Spaß, neue Talente zu finden. Die Talentsuche steht absolut im Mittelpunkt. Natürlich zeigen wir auch Filme von arrivierten Regisseuren und Regisseurinnen, aber die meisten Filme sind doch Erstlingswerke.

Es haben sich bereits zahlreiche deutsche Regisseure im In- und Ausland etabliert. Trotzdem gab es in Hof noch keine Retrospektive zu einem deutschen Filmemacher? Warum?

[lacht] Das ist eine gute Frage. Weil wir eben die neuen Talente entdecken wollen. Wir machen Retrospektiven von international bekannten sowie noch weniger bekannten Regisseurinnen und Regisseuren. Wie zum Beispiel John Carpenter, den damals niemand hier kannte, oder David Cronenberg. Es interessiert uns natürlich auch, Regisseure weiter zu verfolgen. Wie machen sie weiter, wo gehen sie hin? 2003 hatten wir eine Retrospektive über den deutschen Regisseur Ulli Lommel, der auch viele seiner Filme in den USA gedreht hat.

Mittlerweile werden in Hof drei Preise vergeben. Ist das eine Reaktion auf die wachsende Konkurrenz mit anderen Festivals?

Nein, überhaupt nicht. Das Festival selbst vergibt ja gar keinen Preis, das heißt, die Preise vergeben private Personen oder Institutionen. So zum Beispiel der "Filmpreis der Stadt Hof", der an eine Persönlichkeit des deutschen Films verliehen wird, oder Kodak mit dem "EASTMAN Förderpreis für Nachwuchstalente", oder auch der "Förderpreis Deutscher Film", der sich an die Personen hinter der Kamera, vom Produzenten bis zum Tonmann, richtet und von der HypoVereinsbank, Bavaria Film und dem Bayerischen Fernsehen initiiert wird. Wir als Festival vergeben keine Preise.
Das würde ja sonst auch den privaten Charakter des Festivals verändern.

Ja klar. Ich finde es gibt so viele "Preisfestivals", die Gelder vergeben. Da übertrumpft man sich gegenseitig mit Geld, nur um Regisseure anzulocken. Das haben wir nie gemacht. Wir sind völlig unabhängig von jeder Institution, wir sind nur abhängig von der Finanzierung, das ist klar.

Betrachtet man das diesjährige Festivalprogramm, fällt die große Anzahl deutscher Dokumentarfilme auf. Wie kam es dazu?

Man darf den Dokumentarfilm nicht unterhalb des Spielfilms ansiedeln. Herzog und Wenders zum Beispiel haben abwechselnd Dokumentar- und Spielfilme gemacht. Wenn das diesmal zufällig 20 Dokumentarfilme sind, dann sind das alles Filme, die wirklich herausragend sind. Da haben wir lieber darauf verzichtet, noch einen Spielfilm einzuladen, der nur mittelmäßig ist, zugunsten eines kraftvollen Dokumentarfilms, der eine Qualität auf der Leinwand zeigt.

Das heißt, dass der Dokumentarfilm im Aufwind ist?

Ja, Gott sei Dank. Er ist nicht nur in Deutschland im Aufwind. Er ist gleichberechtigt mit dem Spielfilm und der deutsche Dokumentarfilm findet international immer mehr Beachtung. Die internationalen Festivals zeigen unglaublich gerne Dokumentarfilme aus Deutschland. Es geht schlicht um die Qualität, egal ob Spiel- oder Dokumentarfilm.

Sie sind Europas dienstältester Festivalleiter. Wie lange bleiben sie den Filmtagen noch erhalten?

[lacht] Keine Ahnung. Ich fühle mich fit und solange das so ist, bleibt alles wie es ist. Natürlich wird die Zeit kommen, wo ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin gefunden werden muss, denn man kann ja ein Festival nach 42 Jahren nicht einfach aufhören. Das will niemand in der Region und auch die Stadt und die enthusiastischen Zuschauer möchten das nicht. Unsere Zuschauer sind die Träger und die geheimen Stars des Festivals.

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