Nanouk

Bulgarien Deutschland Frankreich 2017/2018 Spielfilm

Inhalt

Irgendwo in den Eiswüsten des Nordens leben der Rentierjäger Nanouk und seine Frau Sedna. Ihr Alltag ist mühselig, aber über ihre Lippen kommt keine Klage. Stattdessen erzählen sie sich immer wieder die alten Legenden. Und ihre Träume. Von imaginären Begegnungen mit Tieren und Menschen, Lebenden und Toten. Alles hat seine Bedeutung, alles hat seinen Sinn. Sedna ist krank, schwer krank. Mit einer selbst hergestellten Salbe behandelt sie die Stelle an ihrem Bauch, die ihr so viel Schmerzen bereitet. Sie weiß, dass sie sterben wird, und würde so gern über Ága reden, die Tochter, die schon vor Jahren ihr Elternhaus verließ, um weit weg in einer Diamantenmine zu arbeiten. Doch Nanouk will davon nichts wissen. Über alles kann er sich mit seiner Frau unterhalten, über Geister und Götter, aber nicht über das eigene Kind. Was wird aus dem Alten werden, wenn sich Sedna auf den Weg in die Ewigkeit macht? Ein besonderer Liebesfilm vor der eindrucksvollen Kulisse des ewigen Eises und zugleich eine Studie über Sprachlosigkeit und seelische Verhärtungen, die erst im Angesicht des Todes gelöst werden können.

Quelle: 68. Internationale Filmfestspiele Berlin (Katalog)

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Heinz17herne
Heinz17herne
Jakutien beherbergt die Eiswüsten des sibirischen Nordens: ein unwirklicher, im Grunde genommen lebensfeindlicher Ort. Und gleichzeitig, das zeigt die häufig mit großer Distanz eingesetzte, zumeist statische Kamera Kaloyan Bozhilovs auf der großen Kinoleinwand, atemberaubend schön. Hier leben wie ihre indigenen Vorfahren Sedna (die Laiendarstellerin Feodosia Ivanova gleich zu Beginn als virtuose Maultrommel-Spielerin) und Nanouk (der Moskauer Theaterschauspieler Mikhail Aprosimov), ein in die Jahre gekommenes Ehepaar. Von ihrer einst stattlichen Rentierherde ist ihnen nur noch die Erinnerung geblieben. Ihre Jurte besteht aus Rentier- und Polarfuchsfellen: Sie versorgen sich mit Jagen, Fallenstellen und Fischen, in der Wildnis nur begleitet von ihrem Hund. Es ist ein schweigsamer und rauer Alltag, den beide ohne viele Worte verbringen. Aber kein freudloser, obwohl besonders Sedna traurig darüber ist, dass ihre Tochter ein zumindest auf den ersten Blick leichteres Leben in der Stadt dem Nomadendasein vorgezogen hat. Zumal das Überleben hier draußen schwieriger wird, denn die wenigen Tiere um sie herum verenden an einer mysteriösen Krankheit. Zudem bedrohen die immer früher einsetzende Schneeschmelze und Stürme die schützende Behausung. Als ein solcher einsetzt, sucht selbst der Hund Schutz unter den Fellen.

Ein Besuch unterbricht ihre Routine. Chena, ein junger Mann, der mit dem Motorschlitten in die Eiswüste gekommen ist und einige dringend benötigte Sachen mitbringt, darunter Batterien für das kleine Transistorradio, bildet die einzige Verbindung zur Zivilisation - und zu Tochter Ága, die einmal seine Freundin gewesen ist. Vor langer Zeit hat sie das traditionelle Leben aufgegeben und die Eltern verlassen. Die ihre Tochter, welche in einer Diamantenmine arbeitet, noch einmal wiedersehen wollen. Doch als Nanouk eines Abends von der Jagd zurückkehrt, kreisen Raben über der Jurte. Die Todesvögel verkünden ihm, dass seine Gattin, die schon seit geraumer Zeit mit einer offenen Bauchwunde kämpfte, ihren Leiden erlegen ist. Nachdem er ihr mühsam ein Grab aus Felssteinen errichtet hat, macht sich Nanouk auf den Weg – von der Wildnis in die Stadt und zu Ága (die in Jakutsk geborene Film- und Theaterschauspielerin Galina Tikhonova). Der redselige Fahrer eines Holztransporters nimmt den schweigsamen Alten mit und weist ihm die letzten Kilometer zur Mine, die er zu Fuß zurücklegen muss. In der apokalyptischen Weite des gewaltigen Tagebaus kommt es zu einer leider mit wohl unvermeidlicher Musiksauce unterlegten Gefühlseruption des Wiedererkennens von Vater und Tochter...

„Nanouk“ ist bis auf das hochemotionale Finale ein zutiefst poetischer, intimer Film. Er erzählt in großartigen Bildern, die nur auf der Kinoleinwand ihre volle Wirkung offenbaren, von einer unbeherrschten Natur, in der der Mensch oft klein erscheint, und doch geborgen ist in der ihn umgebenden Landschaft. Dem 1967 in Bulgarien geborenen Regisseur Milko Lazarov, der für sein Debüt „Alienation“ 2013 in Venedig ausgezeichnet wurde, gelingt es, mit distanzschaffenden Mitteln des Dokumentarfilms die Geschichte einer großen, tragischen Liebe zu erzählen, die an einem so entrückt-weltfremden wie wunderschönen Ort spielt. Sie weist archaische Züge auf und ist dennoch eine Geschichte, die aktueller und globaler nicht sein könnte. „Ich sehe meine Figuren als die letzte Familie auf der Erde. Sie versuchen, diese Familie zusammenzuhalten“, so Milko Lazarov im Presseheft: „Die ökologische Frage ist in unserem Film präsent, aber auf eine sehr behutsame Art und Weise. Sie ist ein Teil des Lebens der Figuren, aber unser Hauptziel war es, die Beziehungen untereinander zu beobachten.“ Free-TV-Premiere ist am 10. Februar 2021 auf Arte.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Dreharbeiten

    • 13.03.2017 - 27.04.2017: Jakutsk, Sacha
Länge:
97 min
Format:
DCP, 1:2,39 (CinemaScope)
Bild/Ton:
Farbe, Dolby
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 06.07.2018, 180379, ab 6 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 23.02.2018, Berlin, IFF - Wettbewerb;
Kinostart (DE): 18.10.2018

Titel

  • Weiterer Titel (DE) Ága
  • Originaltitel (DE) Nanouk

Fassungen

Original

Länge:
97 min
Format:
DCP, 1:2,39 (CinemaScope)
Bild/Ton:
Farbe, Dolby
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 06.07.2018, 180379, ab 6 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 23.02.2018, Berlin, IFF - Wettbewerb;
Kinostart (DE): 18.10.2018

Auszeichnungen

Sarajevo Film Festival 2018
  • Heart of Sarajevo, Bester Spielfilm
Filmkunstfest Mecklenburg-Vorpommern 2018
  • NDR - Regiepreis