Happy Birthday, Türke!

Deutschland 1991 Spielfilm

Happy Birthday, Türke



Sabine Horst, epd Film, Nr. 1, Januar 1992


Doris Dörrie hat mehr Begabung zur Autorin denn zur Regisseurin, schrieb kürzlich ein Kritiker. Tatsächlich stoßen Dörries Erzählungen in letzter Zeit auf mehr Wohlwollen als ihre Filme. Mit den schwachen Lustspielen "Ich und Er" und "Geld" hat sie sich um den Ruhm gebracht, den ihr 1985 die Komödie "Männer" beschert hatte. Während die Rede vom neuen deutschen Kinowunder verstummt ist, gilt der junge Frankfurter Autor Jakob Arjouni nach wie vor als Könner in seinem Genre, dem Krimi: Auch nach seinem dritten Roman um den türkischen Privatdetektiv Kemal Kayankaya wird er noch zum "Kultschreiber" hochgelobt. Dabei scheint sich sein Erfolg doch eher auf die geschickt synthetisierten modischen Ingredienzien seiner Bücher zu gründen als auf seine stilistischen Fertigkeiten. Arjouni verbindet Versatzstücke des klassischen amerikanischen Detektivromans mit Forderungen des Tages: Wie der neue Frauen- oder Szene-Krimi bedient er mit seinen Außenseiter-Helden die Ansprüche eines neuen Publikums, dem das Genre vormals zu sehr nach "law and order" roch.

Die Kayankaya-Romane bemühen noch einmal jenes Bild vom einsamen "private eye", das seit der Ära Hammett/Chandler zum Klischee herabgesunken ist. Mit seiner notorischen Trinkerei, seiner „toughness" und der darunter verborgenen Sentimentalität trägt Arjounis Protagonist Züge legendär gewordener Figuren – in rein veräußerlichter Form freilich, als schwache Allusion. In "Happy Birthday, Türke!", dem ersten Roman der Serie, den der Autor bereits mit dreiundzwanzig Jahren veröffentlichte, wird Kayankayas vorschriftsmäßig heruntergekommene Detektei am Ende der Frankfurter Innenstadt von einer jungen Türkin namens Ilter aufgesucht. In der Annahme, sie sei auf einen Landsmann gestoßen, betraut Ilter den erfolglosen Schnüffler mit den Nachforschungen nach ihrem verschwundenen Ehemann.

Kayankaya ist allerdings nur der Abstammung nach Türke, er sieht zwar südländisch aus und trägt einen türkischen Namen, doch aufgezogen wurde er von deutschen Eltern, und so beherrscht er weder die türkische Sprache, noch ist er mit den Sitten seines Herkunftslandes vertraut. Sein neuer Job bringt ihn umgehend in Schwierigkeiten: Im türkischen Milieu gilt er als Deutscher, und man begegnet ihm mit Mißtrauen, von den Deutschen wird er als Ausländer diskriminiert. Dazu kommt, daß der scheinbar private, banale Fall in Gewaltverbrechen und Korruption mündet. Dters Mann, so findet der Detektiv heraus, betreibt einen schwunghaften Drogenhandel, ihr Vater, der unter mysteriösen Umständen ums Leben kam, hielt sich eine minderjährige Prostituierte. Daß Kayankaya im Laufe seiner Ermittlungen verprügelt und in einen Unfall verwickelt wird, hindert einen wie ihn nicht daran, die Spur weiterzuverfolgen, die aus dem Rotlichtbezirk und der Drogenszene hinausführt: Die Drahtzieher, die eigentlichen Verbrecher, sitzen anderswo.

Da Doris Dörrie in der Tat eine respektable Autorin ist, hat sie Arjounis Roman zu einem deutlich wirkungsvolleren Szenario umgearbeitet. Unter weitgehender Beibehaltung der Fabel – die Fans von Arjouni werden wohl nicht enttäuscht sein – verlegt sie den Akzent von der etwas schwach konstruierten Krimihandlung auf die Milieuschilderung: Wo die Lücken in der Struktur des "Whodunits" allzu unübersehbar klaffen, sorgen atmosphärische Details für Ablenkung. Die Brokattapete in der türkischen Wohnung, der Grappa, der bei den Deutschen für kulturelle Vielfalt steht, der Kreidekreis um einen weggeworfenen Zigarettenstummel, an dem Kayankayas Hauswart seine These von der Unreinlichkeit der Ausländer belegt – all diese ungezwungen eingebrachten Kleinigkeiten sind sprechender als ganze Passagen der Vorlage. Schon durch den Verzicht auf den genretypischen Ich-Erzähler setzt Dörrie ein Zeichen; sie erspart uns damit den größten Teil der Ausführungen des Romanhelden, der etwa mit selbstverliebter Geschwätzigkeit über sich Auskunft gibt: "Ich machte ein durchschnittliches Abitur, fing an zu studieren, verbrachte die Zeit hiermit und damit."

Mit Hansa Czypionka hat Doris Dörrie einen Hauptdarsteller gefunden, der die kolportagehaften Züge der Figur herunterzuspielen versteht. Vor dem Hintergrund seiner zurückhaltenden Darstellung und der der türkischen Schauspieler (Özay als Ilter, Emine Sevgi Özdamar als ihre Mutter, Ömer Simsek als Bruder Yilmaz) entfaltet sich das übrige Personal zu wirklich pittoreskem Format: Da gibt es einen Kriminalkommissar im Ruhestand (Stefan Wigger), der Trainingsanzüge aus Trevira trägt, eine entfesselte Helen Vita, die den Protagonisten mit Frankfurter Spezialitäten traktiert, eine Polizistengattin in Straps und Mieder (Doris Kunstmann) und die weltkluge Inhaberin einer Imbißbude (Manuela Riva), bei der sich Kayankaya mit Jägermeister versorgt.

Dörres Frankfurt ist zwar in jenes kalte, bläuliche Licht getaucht, das eine Stadt unweigerlich als "unwirtlich" erscheinen läßt und ebenso unweigerlich Assoziationen zum "Film noir" heraufruft, aber in der Wahl der einzelnen Schauplätze beweist die Regisseurin ein erfreuliches Gespür. Vermieden werden die bekanntesten Straßen und Gebäude, jene Ansichten, die Frankfurts glamouröses Image als deutsche Metropole geprägt haben, und auch nach In-Places sucht der ortskundige Zuschauer vergeblich – die meisten Interieurs wurden eigens für den Film hergestellt. Die Kombination Dörrie, Arjouni und Frankfurt hätte leicht eine bloß modische, trendgerechte Produktion hervorbringen können – allzu kalkuliert wirkt diese Mixtur auf den ersten Blick. Entstanden ist aber eine gutfunktionierende, locker erzählte Kriminalkomödie, die sich selbst nicht zu ernst nimmt und mit der die Regisseurin zum Schwung ihrer frühen Filme zurückgefunden hat.

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