Königskinder

DDR 1961/1962 Spielfilm

Geschichte zweier Liebender


Frank Beyer, BZ am Abend, Berlin/DDR, 30.8.1962


Seit ich mit dem Schriftsteller Walter Gorrish zusammenarbeite, beschäftigen mich das Motiv und die Idee der "Königskinder", weil vieles aus dem Leben des Autors darin enthalten ist. Schon als wir gemeinsam den Film "Fünf Patronenhülsen" erarbeiteten, nahm die Fabel der "Königskinder" konkrete Formen an.

In "Fünf Patronenhülsen" erzählten wir eine Geschichte, die sich im kleinsten Kreis, auf engem, dramaturgischem Raum abspielt. Wir wollten Menschen zeigen, die für Spaniens Freiheit gekämpft haben. Ein kleiner, bestimmender Ausschnitt aus ihrem Leben sollte Rechenschaft geben. Die Geschichte der "Königskinder" vollzieht sich in einer viel weiteren dramatischen Fabel. Sie schwingt von der einfachsten menschlichen Situation bis in die extremste dramatische Zuspitzung unter den Gesetzen des brutalen faschistischen Krieges.
Wir erzählen die einfache Geschichte zweier Liebender, die – wie es im Volkslied heißt – nicht zueinander kommen, obwohl sie füreinander wie geschaffen sind. Wir beziehen in diese Tragödie die Entwicklung eines anderen Arbeiterjungen ein, der nicht so gerade wie Michael Mertens und Magdalena Seifert seinen Weg nimmt, sondern einen trügerischen Frieden mit den Nazis eingeht. Diese beiden Kategorien sind in unserem Volk vorhanden, und sie werden durch viele Gestalten unseres. Films noch genauer gekennzeichnet. Es hat mich besonders angezogen, daß diese Allgemeingültigkeit aus den Einzelschicksalen herauslesbar wird und kein Charakterzug der Helden "nach Maß" am Schreibtisch zugeschnitten wurde.

Wir wollten kein "Generationsproblem" darstellen, sondern einen aktuellen Stoff gestalten. Leider hat unsere gesamte künstlerische Produktion bisher die Interessen großer Gruppen Menschen unserer Gegenwart nicht in dem Maße berücksichtigt, wie sie im Leben vorhanden sind. Wir haben bedeutende Kunstwerke über Menschen wie Michael Mertens, die unbeirrt und ungebeugt dem Faschismus widerstanden, die selbst das Opfer ihrer Liebe nicht scheuten, um die Liebe zu retten. Aber Menschen wie Jürgen Bieneck, die heute – nach einem ehrlichen Wandlungsprozeß – in unserem Leben ihren Mann stehen, sind in der dramatischen Kunst kaum in Erscheinung getreten. Worauf beruht aber vor allem die große Wirkung des Fernsehfilms "Gewissen in Aufruhr"? Auf dem erregenden Prozeß, in dem ein – subjektiv anständiger – Mensch sein Bewußtsein verändert.

Es ging uns darum, Jürgen so zu zeigen, wie er durch die Ereignisse wurde. Er rettet seinen Jugendfreund Michael vor dem sicheren Todesurteil auf dem Kasernenhof durch Anständigkeit. Damit vollzieht er zwangsläufig eine politische Entscheidung, ohne sich der Tragweite bewußt zu sein. Im Schützengraben spitzt sich die – immer von den Ereignissen bestimmte – Feindschaft zwischen Jürgen und Michael noch einmal zu. Nach blutiger Auseinandersetzung folgt Jürgen Michael zur Roten Armee. Das Erlebnis des sinnlosen Massenmords hat ihn vorbereitet. Wir haben das ohne Verzeichnung darzustellen versucht und glauben, damit der Wirklichkeit gerecht geworden zu sein. (…)

Es kam uns also nicht darauf an, einen "epischen" oder einen "dramatischen" Film zu machen, sondern eine richtige Entwicklung zu zeigen, die das Interesse des Zuschauers mit zunehmender Steigerung der Fabel stärker bindet, bis er sich unmittelbar der Frage an sein eigenes Gewissen gegenüber sieht.

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