Das Kaninchen bin ich

DDR 1964/1965 Spielfilm

Ein Anfang ist gemacht.

Über "Das Kaninchen bin ich"



Günter Agde, Filmspiegel, Berlin/DDR, Nr. 01, 04.01.1990

24 Jahre lang war er verboten, lag ganz tief im Archiv. Legenden behaupteten gar, daß es keine Kopien mehr gäbe. der Spielfilm "Das Kaninchen bin ich" (Buch: Manfred Bieler, Regie: Kurt Maetzig) war der am meisten und heftigsten gescholtene Film jenes 11. Plenums vom Dezember 1965, dem rigorosesten und folgenschwersten Eingriff einer dogmatisch-absolutistischen Parteiführung in lebendige Kunst-Prozesse unseres Landes. Mit diesem Film wurden noch 11 weitere, eine gesamte Jahresproduktion unserer DEFA, verbannt. Welcher immense Verlust, welch Schaden damit willkürlich angerichtet wurde, wird erst jetzt allmählich wirklich sichtbar. Eine Kommission des VFF sichtet in mühlseliger Kleinarbeit alles noch erhaltene Filmmaterial (gottlob gibt es mehr, als zu hoffen war, allen Legenden zum Trotz) und recherchiert Hintergründe. Ein Gebirge an wichtigen Film-Vorschlägen zur Auseinandersetzung. Differenzierung und Festigung des jungen Sozialismus Mitte der 60er Jahre ist schon jetzt erkennbar, ebenso auch viele schmerzliche und bittere Biographien der beteiligten Künstler. Welche Wirkung von Filmkunst wurde damals abgebrochen, welche chancenreiche öffentliche Verständigung über Lebensfragen unseres Landes unterbunden. Darüber wird noch viel und oft debattiert werden müssen, zumal – und das unterstreicht Schmerz und Bitterkeit über die Liquidierung jenes Filmjahres – alle diese Filme (soweit sie jetzt gesichtet werden konnten) von einer nahezu bestürzenden, atemberaubenden Aktualität für das Jetzt, für die Zeit "danach" sind. Bei aller großartigen reichen Unterschiedlichkeit in Handschrift und künstlerischen Temperament, in Story, Heldenwahl und Sujet – die Filme können uns helfen, bei der Erneuerung unseres Landes voranzukommen, wenn sie in die vielgestaltiger werdende öffentliche Debatte unseres Landes eingreifen können.

Deshalb der schnelle Einsatz von Frank Beyers "Spur der Steine" in den Kinos. Und sein bisheriger Publikumserfolg gibt dem recht. Deshalb das Bemühen von Progreß, dem DEFA-Spielfilmstudio und anderen, die Filme zu rekonstruieren, Kopien zu ziehen und schnell in die Kinos zu bringen. Deshalb auch der Entschluß der Akademie der Künste, die Filme noch vor ihrem Kino-Einsatz wenigstens einer Berliner Öffentlichkeit umgehend zugänglich zu machen. Beginn dieser Reihe nun mit "Das Kaninchen bin ich". (…)

Manfred Bieler hatte die Geschichte Marias seinerzeit als Roman geschrieben. Der Eulenspiegel-Verlag durfte sie nicht drucken (er wird dies jetzt nachholen können). Nach dem Roman-Manuskript hatte Maetzig gemeinsam mit Bieler (Dramaturgie Christel Gräf) das Drehbuch geformt, dabei mancherlei Weiterentwicklungen des brisanten Stoffes eingebracht, die allesamt Fabel-Signale für die damaligen Anzeichen für eine Demokratisierung des Lebens setzten. Die konsequente subjektive Erzählweise – Maria berichtet dem Zuschauer direkt ihre Geschichte – gibt dem Film zudem etwas Hartnäckig-Drängendes und fordert eigene Haltungen dazu. Für Maetzig war der Film ein merklicher Neu-Ansatz seiner Ästhetik damals, für die junge Darstellerin Angelika Waller (die hier überhaupt debütierte) und Alfred Müller groß entworfene Charaktere. Nun endlich wird der Film, werden seine Mitgestalter rehabilitiert. Nun endlich kann das Publikum sein Votum geben.

Die Vorführung in der Akademie und die anschließende Diskussion waren weithin von dem großen Verlust geprägt, den das Verbot des Films und die folgenden Restriktionen - bist zu persönlichen Schäden - bestimmte. Zugleich löste nicht unerwartet Kontroversen aus, daß Kurt Maetzig seinerzeit eine sehr selbstkritische Stellungnahme öffentlich bezogen hatte, in der subjektiven Hoffnung, die gröbsten Schäden von sich und den anderen Kollegen fernzuhalten. Gewinn und Verlust dieser Haltung bleiben wohl auch fürderhin umstritten, zumal sich ziemlich alles von heute aus anders liest: (…)

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