Rückschau zum Filmbildungs-Kongress "Vision Kino 25"

Am vergangenen Mittwoch ging der 10. Filmbildungs-Kongress von Vision Kino zu Ende. An drei Tagen kamen Akteur*innen aus Bildung, Film, Kino, Kulturpolitik und Wissenschaft unter dem Motto "Netzwerke für die Filmbildung" in Hamburg zusammen und haben in verschiedenen Formaten und Workshops das Potential von Kooperationen, Allianzen und Austausch für die Filmbildung erkundet. 

 

Das Fazit in der Abschlussrunde: Filmbildung braucht starke Netzwerke zur Ressourcenbündelung und für bessere Sichtbarkeit. Ebenfalls wichtig: Zugänglichkeit von Materialen und Wissen zur Vermeidung von Parallelstrukturen sowie längerfristige Förderung, um die Arbeit über einzelne Projekte hinaus verstetigen und in den Lehrplänen und der Lehrkraftausbildung verankern zu können. 

Eröffnet wurde der Kongress im Jubiläumsjahr des 20-jährigen Bestehens von Vision Kino am Montagabend, 16. Juni, im Metropolis Kino Hamburg mit einer exklusiven Preview. Jana Schiedek, Staatsrätin der Behörde für Kultur und Medien Hamburg, sagte in ihrem Grußwort: "Film verbindet und öffnet gleichzeitig den Blick auf die Welt. Das weiß auch Vision Kino und setzt sich seit vielen Jahren für die so wichtige Filmbildung von Kindern und Jugendlichen ein. Mit dem alle zwei Jahre stattfindenden Filmbildungskongress bietet Vision Kino eine wichtige Plattform, auf der aktuelle Perspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten zu Film, Bildung und Kino diskutiert werden können. Ich freue mich sehr, dass der Kongress nun schon zum zweiten Mal in Hamburg ausgerichtet wird und auf die wichtigen Impulse, mit denen noch mehr junge Menschen für das Medium Film begeistert werden können." 

Vor dem bewegenden Filmgespräch nach dem Kurzfilm "Menschen können zweimal sterben" von Hamze Bytyçi initiierte der Regisseur, Medienpädagoge und Künstlerische Leiter des AKE DIKHEA? Festival of Romani Film eine Schweigeminute für die Opfer des Nationalsozialismus und die Opfer und Betroffenen der aktuellen Konflikte und Kriege.

Im Mittelpunkt des zweiten Kongresstages, den Vision Kino gemeinsam mit der Bundeszentrale für politische Bildung gestaltet hat, stand das partizipative Diskussionsformat "Netz + Werk – Kollektive Kräfte in der Filmbildung". Dabei hatten sich über den Tag die Teilnehmenden in Kleingruppen ausgetauscht und verschiedene Impulse zu nachhaltiger Netzwerkarbeit, Diversität im Filmschaffen und bei der Filmvermittlung, Strukturen im ländlichen Raum, junge Perspektiven und kooperative Ansätze zwischen Festivals, Schulen und Filmschaffenden angehört und anschließend mit einbezogen. Jede der mehr als 20 Gruppen präsentierte zum Tagesabschluss die Ergebnisse und/oder daraus resultierende Forderungen. Dabei wurden verschiedene Aspekte angesprochen: Einig war man sich, dass sich die Investition in Netzwerkaufbau lohne und der Perspektiven- und Erfahrungszuwachs in Gesprächen innerhalb der heterogenen Gruppen über den Tag bereits unmittelbar erfahrbar wurde. Netzwerke seien wichtig, da man gemeinsam sichtbarer werde und eine Ressourcenbündelung die Effizienz stärke. Es wurde gefordert, dass sowohl Filmbildungs-Materialien als auch das Wissen über die Arbeit und Existenz anderer Netzwerke einfach und zentral zugänglich sein sollten, um Parallelstrukturen zu vermeiden. Zur Verstetigung wurde immer wieder der Wunsch nach längerfristiger Förderung laut, damit nicht nur von Projekt zu Projekt gedacht und damit Filmbildung auch in Lehrplänen und in der Lehrerbildung besser verankert werden könne. Es wurde für ein Verständnis geworben, dass Filmbildung prozessorientiert sei und dass, wenn man Film als Kunstform versteht, es nicht immer unmittelbar konkret abrechenbare Ergebnisse gäbe – was Schulen aushalten müssten, da es um Sinneserfahrung und Meinungsbildung ginge. Diskutiert wurden aber auch Fragen, wie zugänglich Netzwerke seien und welche Hindernisse es gibt – und wie man über Differenzen und Konkurrenz hinwegkäme, wenn man ein übergeordnetes gemeinsames Ziel verfolgt. Zur Sprache kam ebenso, wie Netzwerke die Demokratie stärken und dem Rechtsruck entgegenwirken können. Dabei wurde kritisch hinterfragt, ob die Art der Finanzierung und Förderung beeinflusse, wie politisch kritisch man sein dürfe. Besonders betont wurde außerdem die Bedeutung von Kurzfilmen, die komprimiert ein sehr breites Themen- und Genrespektrum abdecken und sich deswegen optimal für den Einsatz im Unterricht eignen. Viel Zustimmung erhielt das Fazit einer der Arbeitsgruppen: "Netzwerkaufbau ist Arbeit, aber was wir gewinnen können, das haben wir gefühlt".

In den praxisorientieren Workshops und Gesprächsrunden am dritten Kongresstag wurden u. a. diskriminierungskritische Filmbildung, Film im Spannungsfeld von Inhalt und Ästhetik und innovative Ansätze für Filmgespräche diskutiert. In der Gesprächsrunde "Netzwerk SchulKinoWochen – Filmbildung im föderalen Bildungssystem" betonten die Projektbüros der SchulKinoWochen, dass Kino keine Konkurrenz zu TikTok & Co. sei, sondern eine eigene Welt, die immer wieder neu entdeckt werden könne. Die SchulKinoWochen stellen für viele Kinder die erstmalige Begegnung mit dem Gebäude und dem Raum Kino dar. Im Workshop der AG Filmvermittlung "Quatschen im Kino... oder: Was ist ein gutes Filmgespräch?" wurde diskutiert, wie man Schüler*innen dazu bewegt, wirklich über den Film zu sprechen, wie sie darauf vorbereitet werden können, welche Informationen sie vorab benötigen und auf welche Art und Weise man sich einem Film nähern kann. Beim "Kino-Takeover: mitreden und gestalten!" entwickelten Schüler*innen des Film- und Theaterkurses der Theodor-Heuss-Schule Pinneberg gemeinsam mit Mitgliedern der fbw-Jugend Filmjury Lüneburg ihre Vision davon, was Kino braucht, um für sie zu einem echten Lieblingsort zu werden. 

Ihre Wünsche reichten von bequemen Sesseln und Sofas zum Entspannen, bezahlbaren Eintrittspreisen und weniger Werbung bis hin zu besonderen Thementagen mit Verkleidungsmöglichkeiten. Auch originelle Ideen wie Burgeressen während des Films, eine thematisch passende Gestaltung und Beleuchtung des Kinosaals je nach Genre oder ein "Kinobus", der die Besucher*innen zum Kino bringt und unterwegs Trailer zeigt, wurden genannt. Ein weiterer Vorschlag: Übernachtungspartys im Kino im Anschluss an längere Filmvorführungen – ein Erlebnis, das sich viele der Jugendlichen gut vorstellen konnten. 

Im Workshop "Menschen können zweimal sterben - Filme können vielfach wirken“ analysierten die Teilnehmenden gemeinsam mit Filmemacher Hamze Bytyçi seinen Kurzfilm und entdeckten dabei auch die Bedeutung einer emotionalen Herangehensweise an einen Film. Regisseurin und Filmemacherin Soleen Yusef, Producerin und Kuratorin Sophya Frohberg und Regisseurin Susanne Kim gaben in einer Fishbowl "Zwischen Haltung und Handschrift – Kino im Spannungsfeld von Inhalt und Ästhetik" Einblicke in die persönliche Praxis. Es wurde besprochen, an welchen Stellen Haltung im Film sichtbar wird. Sie beginne nicht erst auf der Leinwand, sondern bereits hinter der Kamera – etwa bei der Frage, wie Filme produziert werden: Wie geht man mit den Beteiligten um? Wen bezieht man ein? Wie inklusiv ist das Set gestaltet? Und sogar: werden Arbeitsrechte und Arbeitszeiten eingehalten? Einigkeit herrschte darüber, dass Haltung schon bei der Entscheidung anfängt, welche Geschichten erzählt werden, von wem sie erzählt werden und ob die bestehenden Förderstrukturen diese Erzählungen überhaupt ermöglichen. Darüber hinaus wurde auch diskutiert, wie sich Haltung in eine ästhetische Form übersetzen lässt – ohne sich dabei ausschließlich auf das Thema des Films zu stützen.

Den Abschluss bildete die "Rück- und Vorblende" mit Karoline Herfurth, Soleen Yusef und Popo Fan, die Einblicke in prägende Filme für ihre persönliche Entwicklung und in zukünftige Projekte gaben. Karoline Herfurth lobte den Film "Bandits" von Katja von Garnier dafür, einen anderen Blick als in den 1990er Jahren üblichen auf Frauen und Frauenfreundschaft zu geben. Auch wenn sich seitdem vieles geändert habe, sei "die Selbstverständlichkeit weiblichen Mitwirkens an öffentlichen Bildern immer noch nicht da, nicht nur hinter und vor der Kamera, sondern auch in entscheidenden Positionen darüber, welche Filme als wertvoll angesehen werden, kulturell und finanziell", so die Regisseurin, die mit "Wunderschöner" einen der erfolgreichsten Filme des laufenden Kinojahres geschaffen hat. Für Soleen Yusef, die im Alter von neun Jahren nach Deutschland kam, war es eine prägende Erfahrung, als junge Erwachsene Filme über Kriegs-Fluchterfahrungen zu sehen. Ihr mitgebrachter Ausschnitt aus "Die letzten Glühwürmchen" von Isao Takahata zeigte dem Publikum eine filmische Verarbeitungsform von Kriegstraumata. Popo Fan hat "Das Hochzeitsbankett" von Ang Lee geholfen, seine eigene Queerness zu entdecken. Als Student erlebte er, dass ein homophober Kommilitone durch das gemeinsame Ansehen von Filmen mit queerer Thematik seine Einstellung veränderte. Diese Erfahrung bekräftigte seinen Entschluss, Regisseur zu werden. Alle drei Filmschaffenden wünschen sich für die Zukunft mehr Repräsentation möglichst vieler Erzählstimmen. Immer noch sind zu wenige marginalisierte Personen in die Entscheidungen involviert, welche Filme vermeintlich relevant und potenziell erfolgreich seien.

Seit 20 Jahren arbeitet das Team von Vision Kino mit Leidenschaft daran, die Filmkompetenz von Kindern und Jugendlichen zu stärken und sie gleichzeitig für den Kulturort und originären Rezeptionsort des Films, das Kino, zu sensibilisieren. Mit dem Kongress zeigt sich Geschäftsführer Leopold Grün zufrieden: "Es war sehr motivierend zu erleben, wie so unterschiedliche Akteur*innen nach Wegen gesucht haben, Verbindungen zu schaffen, um in der Filmvermittlung weniger Trennendes als Gemeinsames herauszuarbeiten, die Verschiedenheit der Arbeitsansätze zuzulassen und zusammen über strukturelle Veränderungen in der Förderstruktur nachzudenken."

Quelle: www.visionkino.de