1980

17. Januar
Uraufführung des DEFA-Films "Solo Sunny" von Konrad Wolf in Ost-Berlin. Autor und Co-Regisseur ist Wolfgang Kohlhaase. Mit Renate Krößner als Sunny. Das Milieustück über eine einsame, emanzipierte Schlagersängerin erinnert in seiner Genauigkeit an die Berlin-Filme von Gerhard Klein und Kohlhaase aus den fünfziger Jahren.

18. Januar
In München wird erstmals der "Bayerische Filmpreis" vergeben. Er soll "hervorragende Leistungen im deutschen Filmschaffen" belohnen. Preisträger sind Birgit Doll (Darstellung), Dominik Graf (Nachwuchsregie), Rainer Kunze (Drehbuch) und Hans Jürgen Syberberg (Gestaltung).

23. Januar
In ihrem Haus auf dem Bavaria-Gelände in Geiselgasteig stirbt die Schauspielerin Lil Dagover im Alter von 92 Jahren. In Fritz Langs "Harakiri"spielte sie 1919 ihre erste große Rolle, ihre letzte 1979 in Maximilian Schells "Geschichten aus dem Wiener Wald". Ihre Autobiografie hat den Titel "Ich war die Dame" (1979). 

18. - 29. Februar
30. Internationale Filmfestspiele Berlin mit neuer Leitung: Moritz de Hadeln übernimmt die Verantwortung für Wettbewerb, Informationsschau, Retrospektive, Kinderfilmfest und Filmmesse, Ulrich Gregor – jetzt gleichberechtigter Direktor – leitet weiterhin das "Internationale Forum des jungen Films".

29. Februar
Werner Schroeters "Palermo oder Wolfsburg" gewinnt (ex aequo mit dem amerikanischen Film "Heartland") einen "Goldenen Bären" bei den Berliner Filmfestspielen. Erzählt wird die Geschichte eines italienischen Hilfsarbeiters, der in der VW-Stadt gedemütigt wird und zwei Männer niedersticht. Vor Gericht schweigt er und erlebt Visionen. Ein "Zwitterfilm" (Wolfram Schütte).

9. März
Die Schauspielerin Olga Tschechowa, 82, stirbt in Obermenzing. Ihre erste Rolle gab ihr Murnau 1921 in "Schloss Vogelöd". "Sie spielte die selbstbewußten, souveränen Frauen von Welt." (Ulrich Kurowski). Im späteren Leben widmete sie sich der Kosmetik. Ihre Erinnerungen heißen "Meine Uhren gehen anders" (1973).

18. April
Uraufführung des Gemeinschaftsfilms "Der Kandidat" von Stefan Aust, Alexander von Eschwege, Alexander Kluge und Volker Schlöndorff:eine Collage über Franz Josef Strauß, der im Herbst 1980 für die CDU/CSU als Herausforderer von Bundeskanzler Helmut Schmidt in den Wahlkampf ziehen will. Das Porträt des bayerischen Politikers hat viele "Blindstellen" (Wolfram Schütte).

20. April
Der Regisseur Helmut Käutner, 72, stirbt in der Toscana: "Ein Individualist, der in unschöner Zeit die schönsten Filme gemacht hat." (Hildegard Knef). Sein Interesse an individuellen Schicksalen wurde lange als politische Indifferenz gedeutet. In Wahrheit war er in den vierziger und fünfziger Jahren der sensibelste Chronist deutscher Geschichte.

12. Mai
In Mülheim/Ruhr wird das "Filmbüro NW e.V." gegründet. 76 Filmemacherinnen und Filmemacher aus Nordrhein-Westfalen leisten als Gründungsmitglieder ihre Unterschrift.

22. Juni
Verleihung des ersten "Max-Ophüls-Preises" in Saarbrücken an den Film "Der Willi-Busch-Report" von Niklaus Schilling. In seiner Laudatio nennt Peter W. Jansen Schilling einen "Grenzgänger – Grenzbeweger – Grenzverletzer". Der Ophüls-Preis wird zur wichtigsten Auszeichnung für den deutschsprachigen Filmnachwuchs.

11. August
Der Regisseur und Schauspieler Willi Forst, 77, stirbt in Wien. Er war spezialisiert auf den historischen Unterhaltungsfilm: "Maskerade", "Allotria", "Bel Ami". Musikalität und Eleganz definierten seinen Regiestil. Politisch kam er nicht ins Gerede. Nur mit der "Sünderin" (1950) verursachte er in Westdeutschland eine größere Aufregung.

29. August - 8. September
Bei den Internationalen Filmfestspielen in Venedig wird Rainer Werner Fassbinders "Berlin Alexanderplatz" – ein Film in 13 Teilen, mit einem Epilog – als Sonderprogramm uraufgeführt. Den enthusiastischen Kritiken steht später eine ganz andere Fernsehrezeption gegenüber, die zwischen Oktober und Dezember in der Bundesrepublik heftige Kontroversen auslöst.

14. Oktober
In Neubrandenburg wird der Dokumentarfilm "Lebensläufe" von Winfried Junge uraufgeführt. Er dauert 257 Minuten und ist das Zwischenergebnis einer Langzeitbeobachtung, die im August 1961 als Chronik einer Schulklasse im Oderbruch begonnen hat: die Geschichte der "Kinder von Golzow".

 

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Hans Helmut Prinzler: Chronik, 1895-2004. In: Wolfgang Jacobsen, Anton Kaes, Hans Helmut Prinzler (Hg.): Geschichte des deutschen Films. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Stuttgart: Metzler 2004

© 2004 J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart.