Julia lebt

DDR 1963 Spielfilm

Summary

GDR border guard Gunter Rist is a young man from humble homes. During a swimming competition he meets Penny, a professor′s daughter from a good family, and they fall in love. However, their different social backgrounds get in the way of their happiness: Penny′s friends make it obvious that they are not willing to accept Gunter in their group. Although Penny takes Gunter′s side, she doubts if love can overcome all obstacles. In this state, she falls for the advances of her ex-boyfriend Bob and joins him on vacation. In the meantime, Gunter has an accident and is hospitalized. In the hospital, he meets the nurse Li who seems to be perfect for him. They are happy for a while, but then one day Penny reappears and asks Gunter to come back to her, claiming that she needs him. Although Li is pregnant with his child, she lets the young soldier go. Gunter, however, is refused the chance to make a final decision between Penny and Li. He is struck by a hostile bullet while on duty.

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Ein Park aus der Vogelperspektive, ein junger, uniformierter Mann hüpft selbstvergessen zwischen den Bäumen herum und eine Stimme aus dem Off belehrt uns, dass der Park den Verliebten gehört, dass es ein junger Grenzsoldat der Nationalen Volksarmee ist, der so ausgelassen seine erste große Liebe feiert – und dass auf ihn geschossen worden ist. Von wem, braucht nicht ausgesprochen zu werden: Zwei Jahre nach dem Bau der Berliner Mauer kann es sich nur um westlich-imperialistische Grenzverletzer handeln.

Kunstspring-Wettkampf in einem Hallenbad. Bevor der junge Mann die Siegerin erreicht, um ihr seine mitgebrachten Blumen zu übergeben, ist das grazile Wesen bereits unerreichbar im Frauenbereich der Umkleide verschwunden. Doch Gunter Rist wirft, zumal als junger NVA-Grenzsoldat, so leicht die Flinte nicht ins Korn und wartet mit seinem Strauß geduldig am Ausgang. Was sich auszahlt, denn die strahlende Penelope Berger, genannt Penny, bittet Gunter sogleich aufs Parkett einer kleinen, improvisierten Siegesfeier. Klar, dass er sie anschließend nach Hause begleitet und sie, wenn nötig auch ganz handfest, gegen die Zudringlichkeiten eines halbstarken Schnösels verteidigt, der sich dann freilich als ihr jüngerer Bruder Karl-Friedrich, genannt Kalle, entpuppt. Und als ganz netter dazu: Selbst kurz vor dem Abitur stehend, empfindet er den alles andere als blasierten „Neuzugang“ Gunter als erfrischend bodenständig - und nicht als männliche Konkurrenz im elterlichen Haus wie die sonstigen Freunde seiner Schwester.

So wird Gunter, der offenbar aus einfacheren Verhältnissen stammt, in die ihn Staunen machende Welt der dem Bauhaus-Stil verpflichteten Nachkriegs-Moderne eingeführt: Schicke Möbel, neueste Unterhaltungstechnik, exquisite, bei den jungen Herren vor allem dandyhafte Klamotten und Accessoires. Die zu ihrem blasierten Gesichtsausdruck ebenso gut passen wie zu den hohlen Phrasen, die ihren Mündern entweichen wie der Tabaksqualm aus einer der unzähligen Pfeifen des jungen Zahnarztes und bisherigen Favoriten Pennys, „Lord“ Bob Hasslinger. „Wir im Kommunismus“: Die bis zum Zynismus gesteigerte Ironie der Konversation ist Gunters Sache nicht, der, wo nötig, mit klaren Worten dagegenhält.

Wie er auch selbst um eine „harte Bestrafung“ beim Oberleutnant nachsucht, weil er mit blauem Auge vom Ausgang in die Kaserne zurückgekehrt ist. Zehn Tage Ausgangssperre sind in Kreisen, in denen Disziplin und Selbstbeherrschung überlebenswichtig sein können, eine Bagatelle, für Penny jedoch Anlass, selbst beim Oberleutnant vorzusprechen und um Verständnis zu bitten. Ein unerhörter Vorfall, der mindestens ebenso viel Aufsehen bei Gunters Freund und Zimmernachbarn Struppel erregt wie das rare Wartburg-Cabrio der attraktiven jungen Frau in der ganzen Truppe.

Gunter, zumal in Uniform, passt wie die Faust aufs Auge in einen Zirkel, der um die partout nicht erwachsen werden wollende Professoren-Tochter, für die das Leben ein einziges (Theater-) Spiel ist, weshalb sie auch Schauspielerin werden möchte, kreist wie Monde um ihren Planeten. Wo der „Künstler“ Macky ’mal eben in wenigen abstrahierenden Pinselstrichen á la Picasso einen weiblichen Torso auf die Wandtapete malt und diesen „Aphrodite von Bitterfeld“ nennt, was seinerzeit jeder Kinogänger als ironischen Bezug auf den von der Parteibürokratie verordneten „Bitterfelder Weg“ des Sozialistischen Realismus verstanden hat.

Plötzlich liegt Gunter mit verbundenen Augen in einer Klinik. Ein Unfall? Ein Grenzzwischenfall? Jedenfalls ist Penny mit „Pfeifen-Bob“ in Ahrenshoop und Gunter bei der so unprätentiös-praktischen wie liebevollen Krankenschwester Li, die sich für andere aufopfert und insofern exakt das Gegenstück zur so selbstverliebten wie flatterhaften Penny bildet, in allerbesten Händen. Was auch so bleibt, als Gunter die Binde abgenommen wird – und auf die volle Unterstützung des Genossen Oberleutnant trifft: „Die Republik schützen kann man nicht mit Tomaten vor den Augen.“ Dennoch entschließt sich Gunter, einem Hilferuf Pennys folgend Li allein zurückzulassen. Nach einem erneuten Grenzzwischenfall bleiben gleich zwei trauernde Frauen zurück, eine von ihnen mit einem Kind unter dem Herzen...

Konrad Wolf soll dem Drehbuchautoren-Trio geraten haben, der Story ein größeres propagandistisches Gewicht zu verleihen. In den 1960er Jahren sah die DDR weder ökonomisch noch politisch eine andere Möglichkeit, als sich vom wirtschaftlich prosperierenden und auf verführerische Weise demokratisch verfassten Westen abzugrenzen - durch Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl. Diese „Romeo und Julia“-Adaption ist nur dann die Geschichte zweier verfeindeter Familien, die ihre Kinder nicht zueinander lassen wollen, wenn man den Film analog zu seinem Prolog aus der Vogelperspektive betrachtet: hier eine westlich-dekadente, intellektuelle Clique um die Professorentochter Penny, dort mit Gunter ein junger, mehr oder minder idealistischer, aber jedenfalls pflichtbewusster Soldat, der ganz selbstverständlich seinem sozialistischen Vaterland dient, und das naturgemäß auch an der Staatsgrenze.

„Penny, mit dem Soldaten, nimm’ das ernst“: In „Julia lebt“ haben wir es zwar mit sehr unterschiedlichen „Familienvätern“ zu tun, hier der Professor und dort der Oberleutnant. Aber beide sind aus dem gleichen Holz für typisch deutsch gehaltener Tugenden wie Fleiß, Pflicht- und Ehrgefühl geschnitzt, wollen ihren Schützlingen keinesfalls die milieubedingt „grenzüberschreitende“ Liebe ausreden, mahnen im Gegenteil jeder auf seine Weise Ernsthaftigkeit im Umgang mit dem anderen an. Am Ende wird Gunter einmal mehr auf einer Bahre eilig durch einen Klinikflur geschoben. Er könnte den erneuten Anschlag auf ein Grenzsicherungsorgan der DDR überleben und dann auch von der zu erwartenden Vaterschaft erfahren – oder gleich zwei trauernde Witwen zurücklassen. Nimmt man den Filmtitel ernst, bleibt freilich nur die zweite, schlechtere Möglichkeit – ohne Chance auf eine wirkliche Entwicklung der Protagonisten.

Pitt Herrmann

Credits

All Credits

Duration:
2262 m, 83 min
Format:
35mm
Video/Audio:
s/w, Ton
Screening:

Uraufführung (DD): 01.10.1963, Potsdam-Babelsberg, Thalia

Titles

  • Originaltitel (DD) Julia lebt
  • Weiterer Titel (DD) Morgen vielleicht

Versions

Original

Duration:
2262 m, 83 min
Format:
35mm
Video/Audio:
s/w, Ton
Screening:

Uraufführung (DD): 01.10.1963, Potsdam-Babelsberg, Thalia