Haus. Frauen - Eine Collage

DDR 1982 Kurz-Spielfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
Eine offenbar seit geraumer Zeit unbewohnte Gründerzeitvilla in Potsdam. Für solch‘ bürgerlich-dekadente Wohnformen stellten offizielle Stellen der DDR nur in Ausnahmefällen finanzielle Mittel für Instandsetzungs-Reparaturen oder gar Restaurierungen zur Verfügung. An den Außenwänden blättert der Putz, an den Innenwänden die Farbe ab, überall liegt Müll herum.

Christine Harbort, die zwei Jahre zuvor in István Szabós „Oscar“-prämiertem Film „Mephisto“ die Rolle der Lotte Lindenthal verkörpert hatte, steht in elegantem Outfit der Jahrhundertwende in einem der großen tapetenlosen Räume und durchtanzt diesen selbstvergessen. „Es muss das Schwert nun entscheiden“: Die energisch vorgetragenen Worte eines Politikers reißen sie aus allen Träumen und in der nächsten Einstellung sieht man die Schauspielerin in schwarzer Witwenkleidung trauern.

Ihr Kriegstrauma wird optisch unterstrichen durch zersplitterte Scheiben, zerbrochenes Mobiliar, vergilbte Bücher und Zeitungsblätter. Auf den Schock des Ersten Weltkriegs folgt die aufregend-aufgeregte Zeit der „Roaring Twentieth“ mit ihrem eigenen Sound und neuen Tänzen wie dem Stepp: Die Frau posiert in immer neuen Kostümen vor der Kamera und rekelt sich auf einem demolierten Bettgestell: Die Ufa-Revuen der Zwischenkriegszeit mögen Pate gestanden haben.

Aber der Tanz auf dem Vulkan endet im Stalingrader Massengrab, die „Heil“-Rufe sind versiegt und schon wieder ist Trauerkleidung angesagt. Mit dem Kriegsende schwappt ein neuer Sound über den Großen Teich, zu hören ist aber der O-Tin einer internationalen Konferenz zum Thema „Frauen in der sozialistischen Gesellschaft“. Dennoch, die Frau trägt inzwischen eine Latzhose und ist offenbar Mutter geworden, sind im Hintergrund die Beatles mit „Please remember how I feel about you“ zu vernehmen.

West-Mucke im heruntergekommenen Ost-Villenviertel: Am Ende steigt die Frau lächelnd in einen Trabi-Kübelwagen mit weißem Helm auf dem Beifahrersitz. Sie fährt durch Potsdam, während aus dem Off erklärt wird, dass sie eines Tages als alte Frau über ihr Leben erzählen wird.

Christine Harbort, von der SED als politisch unzuverlässig eingestuft, weshalb sie nach „Mephisto“ keine Rollenangebote aus dem kapitalistischen Ausland annehmen durfte, war über die Wende hinaus eine vielgefragte Kino- und Fernsehdarstellerin bis zu ihrem frühen Tod am 17. Juni 2003.

Helke Misselwitz‘ 15-minütiger Kurz-Spielfilm entstand während ihres Studiums u.a. bei Jürgen Böttcher und Volker Koepp an der Babelsberger Hochschule für Film und Fernsehen (3. Jahrgang) und wurde finanziert aus dem Kamera-Budget ihres Kommilitonen und Ko-Autoren Andreas Bergmann. Das Drehbuch entstand nach der authentischen Geschichte eines Kindes, das erfährt, dass sein Vater im Dritten Reich als Wehrmachts-Offizier desertiert war und im Haus, in dem er sich versteckt hatte, erschossen wurde. Da der ursprüngliche Plan scheiterte, ein Kind mit der Hauptrolle zu besetzen, wurde das Drehbuch umgeschrieben für Christine Harbort in der Rolle der Großmutter und Mutter.

Die ursprüngliche Fassung war nicht für den Verleih zugelassen. Wie die Regisseurin bei der Wiederaufführung einer neu abgetasteten Kopie im Rahmen der 71. Int. Kurzfilmtage am 30. April 2025 in der Oberhausener Lichtburg bestätigte, fand die erste öffentliche Aufführung, und damit die Uraufführung, am 28. März 1984 am gleichen Ort im Rahmen der Westdeutschen Kurzfilmtage statt, wo „Haus. Frauen – Eine Collage“ mit dem Ehrendiplom ausgezeichnet worden war. Helke Misselwitz berichtete, dass Christine Harbort erst Jahre später davon erfahren hat, dass sie 1984 zur Aufführung nach Oberhausen eingeladen worden war, stattdessen fuhr eine gewisse Ingeborg Lange, Kandidatin des Politbüros und Sekretärin des Zentralkomitees der SED, nach Westdeutschland. Auf Nachfrage wusste Helke Misselwitz keine Erklärung für das Phänomen, dass in nationalen und internationalen Portalen bisweilen fälschlicherweise Karin Boyd als Darstellerin genannt wird.

Pitt Herrmann

Credits

All Credits

Duration:
405 m, 15 min
Format:
35mm
Video/Audio:
Orwocolor, Ton
Screening:

Aufführung (DE): 28.03.1984, Oberhausen, IFF

Titles

  • Originaltitel (DD) Haus. Frauen - Eine Collage

Versions

Original

Duration:
405 m, 15 min
Format:
35mm
Video/Audio:
Orwocolor, Ton
Screening:

Aufführung (DE): 28.03.1984, Oberhausen, IFF

Awards

IFF Oberhausen 1983
  • Ehrendiplom