Unheil aus der Flasche

DDR 1986/1987 TV-Spielfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
Ein Geschäft der Unterhaltungselektronik. Ein Junge schleicht sich ins Lager und wird erwischt. Er kann im Gedränge der Interessenten an neuen Fernsehern und Stereo-Anlagen aus Straßfurter Produktion aber einen zweiten Versuch unternehmen und sich in einem toten Winkel bis Ladenschluss verstecken. Schnitt. Eine derangierte Frau im roten Morgenmantel durchstreift ihre Wohnung und ruft nach Holger. Doch sein Bett, auf das sich die Verzweifelte weinend wirft, ist unbenutzt.

Bei ihr handelt es sich um die alleinerziehende Französisch-Dolmetscherin Henrich (eindrückliche Studie: Jenny Gröllmann). Nachdem sich die Alkoholkranke einer Entziehungskur unterzogen hat, erhält sie auch das Sorgerecht für ihren zwölfjährigen Sohn Holger (Sven Haverland) aus staatlicher Obhut zurück. Während sein drei Jahre älterer Bruder Ulf (Birk Frank) beim Vater (Jürgen Reuter) geblieben ist, der sich eine neue Bleibe und mit Lotti (Barbara Schnitzler) eine jüngere Frau gesucht hat. Und nun der Auffassung ist, die Angelegenheit „Familie alt“ sei für ihn abgeschlossen.

Als sich für die geschiedene Frau Henrich im Alltag die Probleme wieder häufen, sie übersetzt statt großer Weltliteratur nur Prospekte für Textilmaschinen, und die Hoffnung auf ein zweites Glück mit dem Ex-Mann zerbricht, greift sie wieder zur Flasche. Holger, der Junge im toten Winkel zwischen großen RFT-Kisten, liebt seine Mutter, vor allem aber will er auf keinen Fall zurück ins Heim, in das ihn damals sein mit ihm überforderter Vater gesteckt hatte. „Trink nur, dann biste immer so fröhlich“: Er ist sehr daran interessiert, dass seine Mutter ruhiggestellt bleibt und keine Dummheiten begeht. Um regelmäßig Nachschub an Hochprozentigem kaufen zu können, hat sich Holger auf nächtliche Ladendiebstähle spezialisiert.

In dieser Nacht sucht er ganz bestimmte Transistorradios aus, die durchs vergitterte Fenster des Lagerraums passen, wo sie von seinem Hehler in Empfang genommen werden. Um sich dann durch ein kleines Flurfenster nach draußen zu zwängen. Hauptmann Peter Fuchs (Peter Borgelt) und Unterleutnant Becker (Jörg Hengstler) sichern am anderen Morgen Fingerabdrücke und Fußspuren und sind sich sicher: beim Täter muss es sich entweder um einen Liliputaner oder ein Kind handeln.

Holger ist derweil mit einer neuen Flasche Korn daheim gelandet und, er verwaltet die Haushaltskasse, lädt seine Mutter anderntags in den Tierpark Friedrichsfelde ein. „Entweder du bist ein Finanzgenie, oder du druckst die Scheine selber“ ist sie sich sicher und genehmigt sich ein Mini-Fläschchen in der Telefonzelle, bevor sie ihren „Ex“ darum bittet, Holger für ein paar Tage zu beherbergen – vergeblich. „Wie ein kleiner Teufel hat er sich aufgeführt“ erinnert sich Lotti, mit deren Existenz als Stiefmutter sich Holger nicht abfinden konnte

In einer der nächsten Nächte lässt sich Holger in ein Parfümeriegeschäft mit teurer ausländischer Ware einschließen. Wieder greift die behandschuhte Hand eines Unbekannten durchs vergitterte Fenster, um das Raubgut in Empfang zu nehmen. Doch diesmal geht die Sache schief: der Junge stürzt von einem hohen Sims ab und fällt rücklings in eine Glasvitrine. Schwer verletzt bleibt er liegen. Das klirrende Geräusch hat ein junges Pärchen (Janina Hartwig und Joachim Nimtz) beim Betrachten der Auslagen des Geschäftes gehört und einen Nachbarn (Günter Drescher) alarmiert, der die Polizei ruft, welcher er später berichtet, zwar den Helfer beim Empfang des Diebesgutes gesehen, aber nur einen Schatten an der Hauswand wahrgenommen zu haben.

Die Volkpolizei hat bereits mehrere rätselhafte Einbruchsdiebstähle registriert und diesbezüglich einen Experten, Oberleutnant Thomas Grawe (Andreas Schmidt-Schaller), kontaktiert. Da sie nun den vom Unfallarzt (Wolfgang Greese) notdürftig zusammengeflickten Dieb gefasst haben, verdächtigt Unterleutnant zuallererst die Mutter. Doch der alte Fuchs gleichen Namens macht sich beim Stationsarzt der Entzugsklinik, Dr. Faber (Gerd Grasse), schlau, der bei Frau Henrich ein „Abstinenz-Syndrom“ diagnostiziert und diese sogleich in seine Einrichtung einweist: Sie kommt als Mittäterin rein von der körperlichen Verfassung her nicht infrage.

Die Ermittlungen treten auf der Stelle. Befragt werden etwa der unmittelbare Nachbar Dorus (Horst Weinheimer) und seine Lebensgefährtin Moni (Walfriede Schmitt), welche der polizeilichen Durchsuchung der Wohnung Frau Henrichs als gesellschaftliche Zeugen beiwohnen. Letzterer wird vom empathischen Pfleger (Manfred Richter) erlaubt, ein Telefongespräch entgegenzunehmen, woraufhin sie in der Zivilkleidung ihrer Zimmernachbarin heimlich die Klinik verlässt. Zusätzliche Bewegung kommt in den Fall, als zwei Arbeiter (Dietmar Obst und Klaus Tilsner) in ihrer Fabrik ein unterirdisches Versteck mit Diebesgut entdecken. Das gibt Hauptmann Fuchs Gelegenheit, einen Köder auszulegen...

„Unheil aus der Flasche“ ist innerhalb der „Polizeiruf 110“-Reihe vom Fernsehen der DDR produziert (PL: Ingeborg Trenkler) und am 3. Mai 1987 erstausgestrahlt worden. Der Szenarist und Regisseur Helmut Krätzig ist in der Episodenrolle eines Angestellten im Rundfunk-Geschäft zu sehen. Sein sehr differenzierter, jede Schwarz-Weiß-Zeichnung vermeidender Kriminalfilm offenbart wissenschaftlich fundiert Alkoholabhängigkeit als Krankheit und hält ein Plädoyer für den Zusammenhalt auch von Patchwork-Familien, als dieser Begriff noch gar nicht existierte. Zugleich geißelt er den Materialismus: Schnaps für die kranke Mutter ist nicht der einzige Beweggrund für die Einbruchsserie mit mehreren Beteiligten.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Länge:
85 min
Bild/Ton:
Farbe, Mono
Aufführung:

Uraufführung (DD): 03.05.1987, DDR-TV

Titel

  • Reihentitel (DD DE) Polizeiruf 110
  • Originaltitel (DD) Unheil aus der Flasche

Fassungen

Original

Länge:
85 min
Bild/Ton:
Farbe, Mono
Aufführung:

Uraufführung (DD): 03.05.1987, DDR-TV