Der Tod des Pelikan

DDR 1989 TV-Spielfilm

Kommentare

Sie haben diesen Film gesehen? Dann freuen wir uns auf Ihren Beitrag!

Heinz17herne
Heinz17herne
Berlin, Komische Oper. Giacomo Puccinis „Madama Butterfly“ steuert auf das tragische Finale zu. Schon hat die Titelheldin den Dolch ihres Vaters mit dem Samurai-Wahlspruch „Ehrenvoll sterbe, wer nicht mehr länger leben kann in Ehren“ in der Hand, da kommt ihr kleines Kind herein, das sie an seinen leiblichen Vater, den amerikanischen Marineoffizier Pinkerton (Andreas Roder) übergeben will für ein besseres Leben in den USA: „Mein kleiner Liebling, leb wohl“…

Große Gefühle, welche die Sopranistin Gerda Bachmann (die 30-jährige Ungarin Zsuzsa Nyertes, Synchronstimme: Cornelia Schmaus, Gesang: Edith Chmiel) nahezu mühelos über die Rampe bringt: ein Blumenmeer und Ovationen des begeisterten Publikums sind ihr allabendlicher Lohn. Kaum minder große Gefühle daheim in ihrer schicken, modernen Plattenbauwohnung: Ihr Gatte, der Pilot Herbert Bachmann (Klaus-Peter Thiele), ist ausgezogen, will sich scheiden lassen, pocht aber auf das Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn Robert (Björn Müller). Zur Freude seiner Eltern (Gretel Müller-Liebers und Helmut Hellstorff), die mit dem Enkel gerade einen Ostsee-Urlaub verleben.

„Der Junge gehört zu mir“: Gerade, weil ihm sein Anwalt Dr. Richard Scheffler (Ralf Lehm) keine Hoffnung auf Erfolg vor Gericht macht, will Herbert kämpfen: „Lieber reiße ich mir wie ein Pelikan die Federn aus, als eine Verzichtserklärung zu unterschreiben.“ Als er Robert nach beendetem Urlaub zu seiner Mutter zurückbringt, flammt sogleich der Streit in alter Heftigkeit auf. Herbert genehmigt sich wutentbrannt mehrere Gläser Cognac, bevor er sich hinter das Steuer seines Autos setzt. Es kommt zum Beinahe-Unfall mit einem Motorradfahrer, der bei Regen auf dem glatten Kopfsteinpflaster ins Rutschen gekommen ist.

Als gerade der bekannte Vorspann zur Krimiserie „Polizeiruf 110“ im DDR-Fernsehen läuft, welcher bei dieser in unmittelbarer Wendezeit gedrehten Episode fehlt, kehrt Robert überraschend zu Gerda zurück, tischt ihr die wilde Geschichte eines Autounfalls mit tödlichem Ausgang und seiner Fahrerflucht auf und fleht seine Noch-Gattin an, ihm für den Abend und die Nacht ein Alibi zu geben. Im Gegenzug werde er auf das Sorgerecht für Robert verzichten. In ihrer nicht nur der sehr emotionalen Opernvorstellung geschuldeten Aufregung ist Gerda bereit, zu schweigen, nicht aber zu lügen.

In der Tat ermittelt Gerdas hilfsbereiter Nachbar, Polizei-Oberleutnant Thomas Grawe (Andreas Schmidt-Schaller), in der gleichen Nacht bei einem Autounfall mit tödlichem Ausgang und Fahrerflucht. Der allerdings, für den TV-Zuschauer deutlich erkennbar, in einem Tunnel passiert ist und mit dem Beinahe-Unfall Herberts mit einem Motorradfahrer nichts zu tun hat. „VP bittet um Mithilfe“: Schon am nächsten Tag erreicht Gerda ein anonymer Brief mit einer Meldung aus der „Berliner Zeitung“, danach folgen weitere u.a. mit der Todesanzeige eines Günter Drechsler.

Die Opernsängerin wird immer nervöser, fühlt sich von einem Mann mit Schlapphut verfolgt, verdächtigt gar den Hausmeister (Horst Krause), Verfasser der Briefe ohne konkrete Geldforderung zu sein. Als Herbert für mehrere Tage beruflich in Asien unterwegs ist und sie ihn in Hanoi nicht erreicht, hofft sie auf Hilfe ihrer Freundin, der Stewardess Marianne Helm (Franziska Matthus). Gemeinsam besuchen sie das Grab des angeblichen Unfallopfers, erhalten vom Friedhofswärter (Gösta Knothe) dessen Adresse – und landen in einem zum Abbruch bestimmten Altbau. Gerdas Ängste steigern sich zur Hysterie, in den Nachbarn (Helga Göring und Erik S. Klein), die ihr immer wieder begegnen, vermutet sie Verschwörer und schließlich bricht sie auf offener Bühne zusammen.

Erst jetzt öffnet sich Gerda ihrem Nachbarn – und Thomas Grawe vermutet sofort, dass ihr Gatte hinter den Aktivitäten steckt, um das Sorgerecht für den Sohn zu bekommen. Denn inzwischen ist auch die Jugendhilfe involviert, nachdem sich das Kindermädchen Petra (Eva Bergert) mehr mit ihrem Freund als mit Robert beschäftigt und die Sängerin zwei amtliche Termine hat platzen lassen. Als der Oberleutnant bei der sicherheitstechnischen Abnahme der Ausstellungsräume eines Galeristen (Hanns-Jörn Weber) auf das Gemälde „Der Tod des Pelikans“ stößt, fährt er sofort zur Komischen Oper…

„Der Tod des Pelikan“, die 134. Folge der Reihe „Polizeiruf 110“, erstausgestrahlt am 1. Januar 1990 im Fernsehen der DDR, ist ein typisches Produkt der Wendezeit: gedreht von März bis Mai 1989 u.a. im Thüringischen Landestheater Altenburg, ist es die erste „110“-Episode, die nach dem Fall der Mauer gesendet worden ist. Obwohl früh klar ist, dass Herbert Bachmann den Schubert genannten Mann mit Hut (Wolf-Dieter Lingk) engagiert hat, um seine Frau in den Wahnsinn zu treiben, hat Rainer Bär (Buch und Regie) einen über 97 Minuten spannenden Suspense-Krimi geschaffen, in dem es dem Kriminalisten zwar gelingt, den Fall aufzuklären, aber nicht, das Schlimmste zu verhindern. Zuvor ein absolutes Tabu nicht nur in Adlershof. Die alten Staatssymbole Hammer & Sichel finden sich nur noch auf der Mütze des Interflug-Kapitäns und die Volkspolizei taucht nur noch in der Abkürzung „VP“ in der Zeitungsmeldung auf.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Länge:
97 min
Bild/Ton:
Farbe, Mono
Aufführung:

Uraufführung (DD): 01.01.1990, DDR-TV

Titel

  • Reihentitel (DD DE) Polizeiruf 110
  • Originaltitel (DD) Der Tod des Pelikan

Fassungen

Original

Länge:
97 min
Bild/Ton:
Farbe, Mono
Aufführung:

Uraufführung (DD): 01.01.1990, DDR-TV