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DDR 1970 Kurz-Dokumentarfilm

Inhalt

Ein bewusst modern gestaltetes Porträt berufstätiger Frauen in der DDR: Arbeiterinnen und Leiterinnen eines Textilkombinats in Ostberlin sprechen über Partnerschaften und Familienplanung, Kindererziehung und Qualifizierung, Frauenrechte und Gleichberechtigung in der sozialistischen (Leistungs-)Gesellschaft. Dabei kommen in ihren Gesprächen mit einer Ärztin auch die persönlichen Sorgen der fünf Frauen zur Sprache und, was damals für Aufsehen sorgte, ihre Einstellungen zur Pille.

Quelle: 69. Internationale Filmfestspiele Berlin (Katalog)

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Heinz17herne
Heinz17herne
„Über die Liebe werde ich sprechen müssen…“: Die Gynäkologin Gisela Otto geht mit einer Aktentasche unterm Arm über den Alexanderplatz, während sie aus dem Off über ihre bevorstehende Aufgabe spricht. Arbeiterinnen des zum Kombinat Oberbekleidung Berlin gehörenden Volkseigenen Betriebes Treff-Modelle an der Greifswalder Straße suchen bei ihr Rat zu grundlegenden Problemen der Familienplanung und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Schnitt. Der Nähmaschinen-Lärm in der Industriehalle wird von Lautsprecher-Durchsagen der Leitung noch übertönt. An der Seite des Parteisekretärs spricht die junge Akademikerin mit den Arbeiterinnen. Unter den 1.300 Beschäftigten beträgt der Frauenanteil 90 Prozent, unter den dreißig Meistern 85 Prozent. Die fortschreitende Maschinisierung und Technisierung der Textilproduktion unter den Bedingungen der DDR-Planwirtschaft erfordere eine ständige Anpassung der Ausbildung sowie eine permanente Weiterqualifizierung der Frauen. Was ihrer Persönlichkeitsentwicklung zugutekomme, aber eine exakte Familienplanung voraussetze.

Schnitt. Ein neuer Erdenbürger schreit sich in die Welt. Kinder halten die Ehe zusammen, sagt Gisela Otto. Und propagiert ganz im staatlichen Sinne einerseits das Modell der bürgerlichen Familie, andererseits das Ziel einer modernen, sexuell aufgeschlossenen und selbstbewussten Frau, die durch die Pille selbst bestimmt, wann ihr Kinderwunsch erfüllt wird. „Wenn der Kopf klar ist, arbeiten die Hände besser“: Die Gynäkologin vermittelt das Idealbild einer berufstätigen Frau und Mutter, die durch das staatliche Krippen- und Hortangebot in der Lage ist, rasch wieder in ihren Beruf zurückzukehren.

Schnitt. Der Gatte einer Näherin bei der Hausarbeit. In Gesprächen mit dem Betriebsleiter, dem Produktionsleiter und der sehr rührigen, geradezu mütterlichen Vorsitzenden der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL), die sich auch um Wohnungen für junge Kolleginnen kümmert, offenbart sich der vollzogene Generationswechsel im sozialistischen Deutschland: Dass der Mann im Bedarfsfall die Hausarbeit übernimmt, bleibt weiterhin ein hehres Ziel. Aber bei der Karriereplanung hat er der Frau nicht hineinzureden. Und bei der Kindererziehung hilft der Staat.

Die am 19. Februar 1971 als Vorfilm in den DDR-Kinos angelaufene 30-minütige Dokumentation „Sie“ ist bei der XIII. Int. Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmwoche Ende November 1970 mit der „Silbernen Taube“ ausgezeichnet worden. Mit einem sehr poppigen Grafik-Intro bewusst modern gestaltet zieht sich wie ein Roter Faden das Gedicht „Das andere Geschlecht“ von Heinz Kahlau durch den Film, rezitiert von Armin Müller-Stahl zur Musik von Kirill Cibulka: „Es wäre schön, wenn junge, kluge Fraun, / die sich und später wieder uns vertraun, / die Männerwerke endlich fertig baun. / Und wenn ihr Lächeln dann noch gütig ist.“ Jeanpaul Goergen, Kurator der Reihe „Berlin.Dokument“ im Berliner Zeughauskino, stellte „Sie“ Mitte Juli 2020 als dezidiert politischen Film vor, der systemimmanent die schöpferische Kraft und berufliche Qualifizierung der Frauen propagiert. Und die Gynäkologin Gisela Otto als Symbolfigur der modernen, berufstätigen und dabei durchaus auch sinnlichen DDR-Frau herausstellt.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Länge:
816m, 29 min
Format:
35mm
Bild/Ton:
s/w, Ton
Aufführung:

Erstaufführung (DE): 02.10.1970;
Aufführung (DE): 28.04.1996, Oberhausen, IFF - Sonderprogramm

Titel

  • Originaltitel (DD) Sie
  • Weiterer Titel She

Fassungen

Original

Länge:
816m, 29 min
Format:
35mm
Bild/Ton:
s/w, Ton
Aufführung:

Erstaufführung (DE): 02.10.1970;
Aufführung (DE): 28.04.1996, Oberhausen, IFF - Sonderprogramm

Auszeichnungen

Leipziger Kurz- und Dokumentarfilmwoche 1970
  • Silberne Taube, Dokumentarfilme mittellanger Metrage