Das blaue Licht. Eine Berglegende aus den Dolomiten

Deutschland 1932/1951 Spielfilm

Das blaue Licht


–ger., Film-Kurier, Nr. 73, 26.3.1932


Ein Film zu den Unvergeßlichen zu stellen. Ein Film von Dauer.

Am Gründonnerstag, bei der ersten Schau, war deutlich seine Wirkung zu beobachten: das Publikum war wie entrückt.

Es hatte in einer anderen Welt gelebt, ehe der Saal sich wieder erhellte. Nur langsam kehrt der Alltag zurück.

Eine mutige, ihrem Werk und ihrer Besessenheit gläubige Frau hatte den abgeblaßten Kino-Himmel eingestürzt, der Mond und die zweifelhaften Nächte geheimnisvoller Bergnatur leuchteten über uns. Leni Riefenstahl hat erreicht, was sie erstrebte: eine einmalige Film-Dichtung. (...)

Die Prophetin gilt etwas im Vaterlande.

Sie "dichtet" Film, diese Frau – sie hat das "große Gesicht" für die Natur.

Man muß dafür begnadet sein. Sie war Malerin und Tänzerin, aber sie koloriert nichts um, sie hüpft nicht über die Berge, dabei tritt ihr Kunst-Verstand, groß genug ihre männlichen Kollegen zu beschämen, hinter ihre fast naives Gefühl zurück: – der Berg kommt zur Prophetin. (...)

Béla Balász und die zart mithelfende Hand Carl Mayers reinigen die tragische Geschichte der Kristalle aus der hohen Bergschlucht von allem Materialismus. Es soll kein Rest von "marxistischen" Märchen zu spüren sein, wenn das Dorf die "Wunder" der Kristalle zu Geld und Reichtum ummünzt – mit Hilfe eines nüchtern-gutmütigen Maler-Romantikers, der die Junta besitzen wollte. Eine Natur-Geschichte ohne Soziologie. Eine (unintellektuelle) Chronik, die zwei Reisende aufblättern. (Sie lassen dabei manche dramatische, verdeutlichende Szene aus. Der epische Stil wird kommentarlos geboten. So bleibt einiges handlungsmäßig undeutlich. Warum geniert man sich vor drei, vier erklärenden Titeln. Daß es Unsinn, epische Tonfilme ohne Titel zu geben, sollte eingesehen werden.) (...)

Die Natur ist unerbittlich, unbeeinflußbar wie der Mensch. Auch grausam. Da liegt ein Toter, hier tanzt, wer sich des Lampion-Lichtes freut. Ewige Gesetze, – und solches nimmt ein Film in sich auf, ohne lehrhaft, ohne langatmig, ohne schwülstig zu werden. Wir haben nur in den besten Filmen der Welt von "Nanuk" bis Murnaus Südseefilm so mit vollen Augen im Elementaren lesen dürfen. Hochgelobte Natur-Spenderin L. R. und du gepriesener Kamera-Meister Hans Schneeberger!


Es handelt sich nicht mehr um "Photographie".
Diese revolutionierende nächtliche Aufnahme-Tollkühnheiten ertrotzende oder verzaubernde "Kamera" hat jeden technischen Beigeschmack verloren. Riefenstahl und Schneeberger "drehen" nicht, sie scheinen über den Äther zu gebieten. Berge photographieren, Täler mit Schäflein, tief verborgene Fahrstraßen; nun schön, das lernt sich: hier aber ist das Schwarz-Weiß zu solcher Fertigkeit gesteigert. Nebelberge so nah gerückt. Häuserdächer, Brückengespann, Kirchturmfriede, daß man die Meister der graphischen Künste, die Naturmaler neuer und früher Jahrhunderte zitieren muß. Unzählbar neue Licht-Entdeckungen strahlen um Wolken, Monde, Sträucher, Bäume. "Taten und Leiden des Lichtes". (...)
Der Film, die persönlichste und doch abgerundetste Leistung seit langem, enthüllt eine neue Natur nicht des lustigen Schneetreibens Idylle. Er führt weit weg von anderen Filmen. Trotzdem (oder gerade: aus diesem Grunde) wird er ins Kino Besucherscharen ziehen, die es seit langem mieden.
Diese finden einen Film von deutscher Art und Kunst.

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