Berlin - Alexanderplatz

Deutschland 1931 Spielfilm

Berlin – Alexanderplatz. Die Geschichte vom Franz Biberkopf


n. (= Kurt London), Lichtbild-Bühne, Nr. 242, 9.10.1931


In einer Epoche filmischen Schaffens, in der der sogenannte seriöse Film totgesagt (vorübergehend zumindest), in der die Parole "Lustspiele und Schwänke" das Alpha und Omega des Producers ist, ist allein die Tatsache, an einen Stoff von den Ausmaßen des Döblinschen "Alexanderplatz" herangegangen zu sein, ein Verdienst, das nicht hoch genug geschätzt werden muß. Endlich steht wieder einmal ein Film zur Debatte, der mehr will als das von den Zeitnöten arg mitgenommene Volk ablenken, zerstreuen, ein Film, der sich ein großes Thema stellt, um sich ehrlich und kompromißlos mit ihm auseinanderzusetzen.

Eine nicht kleine Aufgabe, an die man sich hier heranwagte. Den Gedanken, von der Linie des Romans nicht abweichen zu wollen, demonstriert die Tatsache, daß man den Autor zur Mitarbeit herangezogen hat. Döblins Arbeit am Drehbuch (neben Hans Wilhelm) verbürgt, daß allein die Partien, Momente und Wesenszüge, die dem Autor entscheidend erschienen, aus dem Roman in den Film transponiert worden sind.

Besitzt der Film nicht immer die Dichte, faszinierende Echtheit des Romans – viele hinter den Worten eines Buches schwingenden Dinge lassen sich eben schwer mit den so anderen Mitteln filmischer Ausdrucksform andeuten – so ist es den Bearbeitern doch restlos gelungen, die Idee als solche herauszuarbeiten, die Idee des Romans, deren Träger Bieberkopf ist, der über die zufälligen Gegebenheiten seiner Existenz zu einer symbolischen Figur Berlins, dieser unverstandensten aller Städte, hinauswächst.

Es scheint Döblin nicht leicht gefallen zu sein, den im Buch so ungeheuer realistisch wirkenden Gesprächen, Worten seiner Helden mit der nötigen Energie auf den Leib zu rücken. Gedruckte Dialoge wirken anders als gesprochene. Man kann in der Welt des Dramas, dessen Gesetzen (zum Teil wenigstens) auch der Tonfilm unterliegt, einen einfachen Menschen nicht permanent "einfache Dinge" sagen lassen. Hinzu kommt, daß gerade der berlinische Dialekt schwer, sehr schwer zu rekonstruieren ist. Das feine, an den Ton der Straße gewöhnte Ohr ist empfindlicher als das Auge. Auch ein nicht ganz stimmender Drucktext kann die richtige Assoziation auslösen, der Weg über das Ohr setzt ein hundertprozentig richtiges Tonbild voraus.

Phil Jutzi, in "Mutter Krausens Fahrt ins Glück" von überraschender Feinheit in allem Schlicht-Menschlichen, ist mit einer Aufgabe betraut worden, die, ohne Übertreibung, eine der schwerst zu meisternden seit Bestehen des Tonfilms, vielleicht des Films überhaupt zu nennen ist. Hier galt es wirklich neue Methoden, neue Mittel, neue Wege finden. Den Techniker landläufiger Spielfilm-Regie muß sich die Wiedergabe einer Roman-Idee entziehen für die alles Grell-Kriminalistische nur äußerer Vorwand ist. Andererseits verlangte die harte Substanz der Ereignisse, die diese Alexander-Welt bewegen, kräftiges Zupacken, naturalistisch durchgeführte Details. Phil Jutzi löst das Problem, indem er bis ins letzte durchgeführte Spielszenen neben symbolisch gedachte Stimmungsbilder setzt, die den Raum der Aktion weiten sollen. Die Idee ist richtig. Leider fügt sich das Ablaufen der Bilder nicht nahtlos ineinander. Das Atmosphärische bleibt hinzugefügt. Das Arrangieren der Dialoge besorgte Karl Heinz Martin. In Abwägung, Aufteilung der Gesprächspartien voller Geschick, Routine, sicherem Gefühl.

Heinrich Georges Kraft, Wucht, Fülle im wörtlichen wie im übertragenen Sinne packte offensichtlich das Parkett. Undenkbar die Rolle, die die ungeheure Vitalität dieses Mannes nicht irgendwie meisterte. Vielleicht wäre jedoch der Eindruck seines Biberkopfs stärker gewesen, wenn er sich nicht gar zu hemmungslos hätte austoben dürfen. (...)

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