Die Schuld der Lavinia Morland

Deutschland 1920 Spielfilm

Die Schuld der Lavinia Morland


Graef, Der Film, Nr. 47, 20.11.1920


Joe May hat wieder etwas Schönes geschaffen. Denn er ist, trotz vieler Namen, die neben seinem auf dem Zettel figurieren, doch wieder der geistige Vater des Ganzen. Das spürt man, wenn man seine Eigenart kennt, aus jedem Akt, aus jeder Szene heraus.

Einen nicht wegzuleugnenden Fehler hat der Film: Er ist etwas zu lang. Sieben Akte sind für das Aufnahmevermögen eines wirklich innerlich mitgehenden Publikums zu viel. Es tritt physische und psychische Ermüdung ein, und das ist schade, da es letzten Endes die Wirkung des Ganzen doch unwillkürlich etwas beeinträchtigen muß. Bewußt wird man sich dieser Ermüdung allerdings erst nachträglich. Dazu ist es zuviel des Schönen und Packenden, was an uns vorbeirollt, als daß es uns, und sei es auch nur auf Momente, aus seinem Bann läßt.

Mit zum Besten gehören die wundervollen Naturszenerien, augenscheinlich vom Genfer See, die große Teile des 5. und 6. Aktes ausmachen. Durchweg ist in Regie und Spielleitung nicht zu Überbietendes geleistet worden. Für die Spielleitung zeichnet Robert Wüllner verantwortlich.

Darstellerisch ist die bei weitem stärkste Leistung der John Morland Albert Steinrücks. Gewalttätig, grausam, brutal, zynisch, von unerhörter Ausdrucksfähigkeit und Wucht in Spiel und Erscheinung lebt er die Rolle. Fast nicht mehr menschlich in der unerbittlichen Verfolgung seiner Rache, teuflisch, satanisch. Mia May sein Opfer. (Zuletzt allerdings er das ihre!) Szenen, die ihr einzigartig gelungen waren, vor allem die, in denen sie ihrer stark ausgeprägten Mütterlichkeit nachgeben konnte. Andere wieder, in denen sie nicht absolut glaubhaft und überzeugend war. Im 6. Akt z.B. im Zusammenspiel mit Violet, im stärksten Affekt, als sie sich hintergangen fühlt. Trotzdem ist ihre Leistung als Ganzes hoch zu bewerten. Auch Alfred Gerasch als Vicomte Gaston de Cardillac, der Spieler, Hochstapler, käufliche Frauenfreund, der schließlich das Werkzeug John Morlands wird, zeigte starkes Können.

In anderen Hauptrollen, die neben diesen drei Riesenpartien immerhin weniger zur Geltung kommen konnten, sah ich noch Rosa Valetti, Albert Patry, Otto Treptow, Paul Bildt (etwas farblos als Harry Scott!), Dyumaar van Twist und, in sehr kleiner Rolle sehr ausdrucksvoll, Kitty Aschenbach.

Einwandfrei schön war wieder die Photographie Ernst Brandes, auch Jacoby-Boy hat in der Schaffung des baulichen Rahmens sehr Anerkennenswertes geleistet.

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