Die Schuld der Lavinia Morland

Deutschland 1920 Spielfilm

Die Schuld der Lavinia Morland


h–s. (= Willy Haas), Film-Kurier, Nr. 252, 13.11.1920


Einer der besten Gesellschaftsfilme seit langen Zeiten. Dies sei vorausgeschickt. Nur ein Gesellschaftsfilm: doch in seiner Art sehr gut. Vielleicht etwas langwierig; doch gelungen im ganzen. Ein einfaches und starkes Sujet. Stark und fein durchgeführt; wirkungsvoll; zugleich psychologisch subtil-ziseliert. Doch nicht nur stark; auch fein: so sagten wir. In manchen Finessen erstaunlich. Der Auftakt ein Allegro furioso. Die folgenden Rahmenszenen vor Gericht ein Meisterstück an klarer Szenengruppierung. Und dann: ein flinkes, gleichmäßiges, nie erlahmendes Tempo, nein: das Tempo des Films. Eine Leistung voll Liebe: vielleicht nur dann so restlos möglich, wenn, wie hier, Autor und Regisseur in einer Person vereinigt sind. Da – da geschieht etwas Fabelhaftes. Der gemietete Verführer, der Ahnungen hat, fällt vor der Frau auf die Knie, und, während sie zur Hundepeitsche greift – – gesteht er alles: daß er ein gemieteter Verführer sei. Doch – daß er sie liebe, wirklich liebe. Daß er nicht weiterkönne. Daraufhin wird sie, die aufgeopferte Aufopfernde, seine Geliebte – des Geständnisses wegen. Psychologisch erstaunlich fein. Mia May ist einfach, groß, unberührbar. Ihr Spiel nimmt der marmornen Starrheit ihrer Rolle das Unausstehliche, das ihr leicht anhaften könnte. Ihre schlichten, al fresco angelegten Gesten geben eine eindeutige Figur großen Stils. Um diese drei herum eigentlich alles ausgezeichnet. Noch eine ganz kleine Chargenrolle hat man sich die vortreffliche Rosa Valetti hergelangt, die in drei Minuten eine schlagend-pittoreske Frans Hals-Figur, eine Hille Bobbe, auf zwei Beine stellt. Sonst noch – aber wozu alle aufzählen; denn alle sind, wir sagten"s schon, sehr gut. Zum Schluß noch die schönen Bauten von Jacoby-Boy. Ein kleiner Fehler nur: für das Bild, das der Lungenkranke, dann der gemietete Schurke, malt, hätte man niemals Botticellis so populäre "Venus, den Wellen entsteigend" verwenden dürfen. Man hätte es besser in wohltätiges Dunkel gehüllt. Das Publikum war enthusiasmiert. Die Darsteller dankten. Frau Henny Porten applaudierte fleißig mit – ohne allen Künstlerneid. Das war sehr hübsch anzusehen.

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