Die Geier-Wally

Deutschland 1921 Spielfilm

Die Geier-Wally


Berliner Börsen-Courier, zit. nach Lichtbild-Bühne, Nr. 38, 17.9.1921


Die Londoner haben dem "großen" Sohn ihrer Stadt, Charlie Chaplin, als er dieser Tage aus Amerika heimkehrte, einen Empfang wie einem Fürsten bereitet – die Berliner bewiesen gestern abend, daß sie nicht minder kinofromm, nicht weniger begeisterungsfähig sind. Hatten sie schon nach jedem der sechs Akte der "Geierwally" Henny Porten stürmisch an die Brüstung ihrer Loge oder auf die Bühne gerufen, so bildeten sie nach Schluß der Vorstellung bis weit auf die Straße hinaus Spalier, durch das die Gefeierte von der nachdrängenden Menge mehr geschoben wurde, als daß sie es durchschritt.

Es war ein Erfolg, der hier noch nachhallte, und an dem ganz gewiß Wilhelmine v. Hillerns unrettbarer Kitschroman den allergeringsten Anteil hatte, wenn er auch die Grundlage schuf. Das Spiel der Mitwirkenden, die Regie E. A. Duponts, der zugleich als Bearbeiter des Romans zeichnet, und – nicht zuletzt – der grandiose Hintergrund der schneebedeckten oberbayerischen Berge: dies waren die entscheidenden Faktoren. Sie waren zusammengefaßt worden, um ein Filmwerk, nicht ohne Eindruck im Dramatischen wie im Genrehaften, erstehen zu lassen. Auch ethnographisches Interesse bieten die sechs Akte, denn Dupont hat mancherlei Volkssitten und -gebräuche als Schmuck der Handlung verwendet und so ihre zum Kitsch laufenden Linien zu überdecken gesucht. Er hat eine glückliche Hand in der Wahl der Schauplätze bewiesen; er hat sogar der Natur gegenüber Regie geführt, indem es ihm gelang, eine zu Tal gehende Lawine auf das Celluloidband zu bringen und in ihren katastrophalen Wirkungen festzuhalten; er hat einen sehr echten Kampf des Bärenjosef mit dem ausgebrochenen wütenden Dorfstier gegeben und mit der Aufnahme einer von Fackeln durchleuchteten Nacht Bilder von pittoreskem Reiz erstehen lassen.

Henny Porten war die GeierwaIIy. Zuerst mehr dem Theater zugewendet, mit Bewegungen, wie die Bühne sie fordert, und wie sie der dem Pathos abgeneigten Art des Landvolkes fremd sind. Ihre Stärke und Größe hat sie da, wo ihr eigentliches Naturell durchbrechen durfte, das sie auf heitere Aufgaben, auf die Ausstrahlungen eines lichten Temperaments verweist und ganz Lebensbejahung ist . . .

Lenis Innenarchitekturen sind treu der Wirklichkeit nachgebildet und Virgaghs und Hasselmanns Photographie ist jedes Lobes wert.

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