Die Geier-Wally

Deutschland 1921 Spielfilm

Die Geier-Wally


Acht Uhr-Abendblatt, zit. nach Lichtbild-Bühne, Nr. 38, 17.9.1921


Begeisterter Beifall im Ufa-Palast am Zoo. Nach unerwünscht langer Pause endlich wieder ein neuer Henny Porten-Film. Trotz Streik und Verkehrsschwierigkeiten hatten sich die Verehrer und Verehrerinnen der beliebten Künstlerin zahlreich eingefunden, um sich nicht die Gelegenheit entgehen zu lassen, der anwesenden Diva Ovationen zu bringen. Vor dem Portal hatte Schutzmannschaft Aufstellung genommen, um Henny Porten vor sich allzu stürmisch äußernder Begeisterung zu schützen. Mit sicher treffendem Blick war das Manuskript gewählt, von E. A. Dupont bearbeitet und in Szene gesetzt. Man kann schwerlich bessere Kulissen als das bayerische Hochgebirge finden, dessen Schönheiten und Stimmungszauber in satter Sommerpracht, in Nebel und tiefem Schnee, nächtlich von Fackellicht durchgeistert, dem Spiel urwüchsiger Leidenschaften zu einem wundervollen Rahmen wurde. Dupont hat gezeigt, was vorbildliche, von Geschmack geleitete Regie vermag und keine Gelegenheit versäumt, durch landschaftliche Schönheiten, den mystischen Reiz kirchlicher Gebräuche und volkstümlicher Sitten der Handlung glaubhafte Wirklichkeit zu geben. Oben in den Bergen gibt es keinen Staatsanwalt, keine Indizienbeweise. Da herrscht triebhafte Leidenschaft, lodernder Haß, Rache. Kraft siegt. Hilf dir selbst. Wenn sich die Menschenmeute auf dich wirft, schleudere Fackeln, und wenn ein Weib den Tod des andern als Beweis deiner Liebe von dir verlangt, so ist die Beute das Opfer wert. So sieht man dort die Welt. Die Instinkte sind klar und rein wie die Luft der Berge. Alle Motive haben tiefste menschliche Berechtigung. Aus aller Primitivität strahlt kraftvolles Bekennen elementarer Liebe, die leidet, sich demütigt, sich durch nichts beirren läßt, bereit ist, lieber den Tod: zu empfangen als Kompromisse einzugehen. (...) Der Kampf auf dem Tanzboden ist der Glanzpunkt des Films, der Henny Porten in ununterbrochener Reihenfolge Gelegenheit gibt, tiefstes Erleiden in ergreifender Schlichtheit zu zeigen. Sie duldet und jubelt, kämpft mit der ungebrochenen Kraft des Naturkindes um den Mann ihres Herzens, verleitet zu Verbrechen und rettet, eigene Lebensgefahr nicht achtend, den Geliebten aus jenem steinigen Abgrund, in dem sie einst den Geier erstach. Die oft kindhaften Gedanken des Spiels werden durch Henny Portens Gestaltung glaubhaft und lebenswahr. Mit wuchtigen Händen packt sie das Schicksal und zwingt es unter ihren Willen. Aufrecht und stolzen Ganges, eigener Stärke bewußt, geht sie über blühende Wiesen, trotzt sie Schicksal und Elementen. Siegerin auf der ganzen Linie. Sie fand in Dieterle einen guten Partner. Mit geistvoller Sicherheit und behender Kraft umgab er die Gestalt des Bärentöters, dem die Geier-Wally ihr Herz geschenkt, charakteristische Züge des gebirgs-ländlichen Helden. Steinrücks Vater, frei von Sentimentalität, die Überlieferung den Menschen aufquält, ist ein festgefügtes, ehernes Bild. Auch ohne den Fuß, den er der Tochter auf die Brust stellt, glaubt man ihm unbegrenzte Willensstärke, brutalste Zielverfolgung. Klopfer und Diegelmann zeichnen ausgezeichnete Typen.

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