Brüder

Deutschland 1929 Spielfilm

Brüder


Hamburger Nachrichten, Nr. 202, 2.5.1929


In einer Sondervorstellung wurde am 28. April in der Schauburg am Millerntor der Film der Werner Hochbaum-Filmproduktion Hamburg "Brüder" uraufgeführt. Der Regisseur Hochbaum ist offenbar bei den Russen in die Schule gegangen, besonders ist Pudowkin sein Lehrmeister gewesen. Nicht nur, daß er, jenem nacheifernd, das Heer der Namenlosen, naturechte Arbeiter und Arbeiterfrauen, vor die Kamera stellt, auch in der Auffassung und in der Anwendung der Mittel zeigte er sich als Pudowkins treuer Nachahmer, der von dessen Film "Das Ende von St. Petersburg" ganz offensichtlich stark beeinflußt wurde. In künstlerischer Hinsicht bleibt Hochbaum hinter seinem bedeutenden Lehrmeister allerdings beträchtlich zurück, in der Zielrichtung, den Film als politisches Werbemittel zu benutzen, kann er sich dem Russen jedoch getrost an die Seite stellen. Hochbaum benutzte eine Episode aus dem Hamburger Hafenarbeiterstreik im Winter 1896/97. Zwei Söhne einer Mutter stehen in verschiedenen Lagern: der eine ist Hafenarbeiter, der andere Polizist und Hüter der Staatsordnung. Die Geschehnisse wandeln den Polizistcn; er befreit seinen verhafteten Bruder und geht auf die Seite der "Freiheit und Brüderlichkeit" über.

Als politisches Kampfmittel für die Roten und noch Roteren mag der Film seinen Zweck erfüllen, seine manchmal sehr guten Bilder sind zu loben, aber sonst fehlt ihm alles, was ihn zum Kunstwerk stempeln könnte; vor allem der Wille zur Wahrheit. Die Unaufrichtigkeit beginnt schon mit dem Titel: Die Geschichte der Menschheit ist die Geschichte ihrer Klassenkämpfe! Wenn diese Richtung sich im Volke durchsetzen sollte, dann wären wir gar bald am Ende jeglicher Kultur und wahrhafter Geschichte der Menschheit angekommen. Der Klassenkampfgedanke wird von dem Regisseur so weit getrieben, daß der Arbeiter seinem Bruder, dem Polizisten, Hand und Gruß verweigert, daß er ihn meidet wie die Pest – so möchte man sagen. Familienbande gelten hier nichts, die Klasse alles! Auch die Herren Sozialdemokraten, die lustig Beifall klatschten, sollten es sich überlegen, ob sie eine derartige Werbung für ihre politischen Ziele gutheißen wollen, wenn sie nicht einst, wo doch gerade jetzt ihre Leute in den sozialen Schichten aufsteigen, am eigenen Leibe von den Zurückgebliebenen erleben wollen, was hier dem Bruder vom Bruder geboten wird.

Man mag Streikfilme herstellen oder nicht, man mag Arbeiterfilme, die den Arbeiter als wertvolles Glied im Volksganzen darstellen, schaffen, aber man möge sich davor hüten, politische Filme zu bringen, denen der ernste Wille zur Wahrheit fehlt, weil sie an den einfachsten Naturgesetzen der Menschheit, an der Stimme des Blutes vorübergehen. Über allem Kampf und jedem Klassenkampf stehen die Bande der Familie, die uns von unseren Vorfahren her teuer und heilig sind. Wir wollen sie uns auch durch einen Film nicht wegdeuteln lassen und wissen, daß sie noch bestehen, wenn der Film "Brüder" und sein Regisseur längst vergangen und vergessen sind.

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