Brüder

Deutschland 1929 Spielfilm

Arbeiter vor der Kamera

Bemerkung zu einem Arbeiterfilm


Max Barthel, Hamburger Echo, Nr. 116, 27.4.1929


(...) In den wenigen sozialistischen Filmen, die wir in Deutschland haben, war die tragende Figur fast immer ein Schauspieler. Im "Pressa"-Film zum Beispiel stellte Kortner das Bildnis eines Proletariers hin, in dem die alten, naturalistischen Schatten bei weitem überwogen und den Proletarier, wie wir ihn kennen, verschleierten. Das Proletariat ist keine Klasse mehr, vor der man Mitleid empfindet, die Geschichte der deutschen Arbeiter ist keine Sklavengeschichte, sie ist eine Heldengeschichte.

Die Russen haben schon lange begriffen, daß in proletarischen Filmen keine Schauspieler und berufsmäßigen Statisten das Arbeitermilieu ausschöpfen können, sie bringen Arbeiter und Bauern vor die Kamera, und wir erleben die verwirrende Bildfolge größter Schauspiele im tiefsten Sinne dieses Wortes. Wir erleben eine Fülle menschhaftester Gesichter und Menschen, die sich selbst spielen und sich selbst ihren Traum vormachen und nicht mehr durch die Schauspieler ihr Dasein klären oder verklären lassen wollen.

Der Film "Brüder" (...) reiht sich in der Darstellung proletarischer Welt und Umwelt ebenbürtig an die Russen, ohne sie nachzuahmen. In diesem Film, der noch nicht vollkommen ist, spielt der Hamburger Hafenarbeiter die Hauptrolle. Phantastisch gute Typen bevölkern diesen Bildstreifen, der trotz mancher Mängel mehr als Versuch oder Weg in eine neue Richtung ist. (...)

Manchmal springen die Arbeiter vor der Kamera über ihren Schatten, sie werden spielerisch, wo sie spielen sollen, wo sie darstellen sollen, sie nehmen die Arbeit des Regisseurs lange nicht so ernst wie ihre eigene Arbeit, aber mit jenem Bildstreifen beginnt, das wissen wir, viel mehr als durch alle technischen Tricks und Mätzchen, eine neue Filmkunst, die mit Geschäft und Geschäftigkeit nichts mehr zu tun hat.

Arbeiter vor die Kamera? Ja, stellt euch in das richtige Licht!

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