Sturm

Deutschland Dänemark Niederlande 2008/2009 Spielfilm

Sturm



Während bei Schmid der Sprachwechsel keinen Identitätsverlust bewirkt, ist das bei seinen Filmfiguren ganz anders. Gleich zu Beginn ist es die Frau des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Duric, die das familiäre Idyll der am Strand spielenden Kinder mit einem harschen "Sprich Spanisch!" durchbricht. Später, als Mira von einer Zeugenbegleiterin in ein gesichertes Hotel geführt wird, wo sie auf den Tag ihrer Aussage warten soll, wird ihr eingeschärft: "Sprechen Sie nicht in Ihrer Muttersprache!" Diese Sprachversagung symbolisiert eine verdrängte, unaufgearbeitete Vergangenheit, der sich Mira aus zutiefst persönlichen, therapeutischen Beweggründen stellen möchte, ja stellen muss, indem sie ihr langjähriges Schweigen bricht und die erlittenen Erniedrigungen in Worte fasst. Es sind die individuellen Geschichten wie die von Mira, die hier als Fundament einer historischen Vergangenheitsbewältigung erahnbar werden. Das, so suggeriert Schmids Film, ist es, worauf es in Den Haag zu allererst ankommt: den Opfern ihre Stimmen zurückzugeben, ihnen zuzuhören. Gerade dieses Recht droht ihnen durch opportunistisches Geschacher und bürokratische Routine versagt zu werden.



Vor der Folie eines packenden Politthrillers lässt sich der in den Hauptrollen überzeugend, in den Nebenrollen bisweilen etwas unglücklich besetzte Film auch als Appell für eine stärkere Unterstützung des mit viel zu geringen Ressourcen ausgestatteten Tribunals lesen, dessen UN-Mandat 2010 beendet werden soll. Indirekt macht sich "Sturm" für eine Verlängerung dieses Mandats stark, unmittelbar schlägt er sich im Zwiespalt zwischen individueller Wahrheitsfindung und politischem Pragmatismus auf die Seite der Einzelnen. So finden zumindest hier die kleinen Leute, die Opfer im großen Spiel der Macht, doch noch Gehör. Im Bemühen um eine authentische Darstellung des Geschehens greift Schmid auf formale Mittel zurück, die vor Jahren noch primär mit Dokumentationen assoziiert wurden – wacklige Handkamerabewegungen, ruckartige Zooms –, sich mittlerweile aber als Darstellungsmittel von Authentizität im Spielfilm etabliert haben. Die Stärke von "Sturm" wie von Schmid ist es, diesen Stil nicht als formalistisches Blendwerk zu verwenden, sondern mit seiner Hilfe emotionale Nähe und damit auch die nötige Empathie zu erzeugen, um dringliche politische Fragen glaubhaft aufzuwerfen.

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