Felidae

Deutschland 1993/1994 Animationsfilm

Felidae


Daniel Kothenschulte, film-dienst, Nr. 22, 25.10.1994

Es gibt nicht viele abendfüllende Zeichentrickfilme für ein ausschließlich erwachsenes Publikum. Ralph Bakshis "Fritz the Cat" (fd 18 224) hat hier vor nunmehr 21 Jahren neues Terrain erschlossen, und doch ist Kater Francis, der Held dieses Katzenkrimis, kaum zu seinen Nachfahren zu rechnen. Dieser "hochanständige Klugscheißer", wie es immer wieder heißt, der in diesem Mystery-Thriller die Ermittlungen führt, ist vielmehr den Detektiven des "film noir" nachempfunden - weniger freilich im Charisma als in geschwätziger Erzählfreude.

Zahllose Katzenleichen sorgen für Aufruhr, zumal die Tiere offenkundig nicht von Menschenhand getötet wurden; deutliche Bißspuren lassen einen Täter in den eigenen Reihen vennuten. Einen liebenswürdigen "Dr. Watson" findet Francis in dem verkrüppelten Kater Blaubart, der ihn auf seinen Streifzügen begleitet. Hilfsbereit zeigt sich auch Pascal, ein genialischer Artgenosse, der in Abwesenheit seiner Herrchen ganze Computer-Programme entwirft und auch die gesamte Katzenschaft des Viertels katalogisiert hat. Zu den skurrilsten Begegnungen zählen der Auftritt der blinden Schönheit Felicitas, die freilich kurz darauf selbst zum Mordopfer wird, und die Bekanntschaft mit dem Sektengründer "Joker". Dessen Lehre basiert auf einer seltsamen Märtyrer-Legende: Es geht um Claudandus, der in einem Versuchslabor sein qualvolles Ende gefunden haben soll. Das Tagebuch des Versuchsleiters aber offenbart, daß Claudandus lebt. Er konnte entkommen, nachdem er seinen menschlichen Peiniger getötet hatte, und nahm eine neue Identität als Rächer an. Francis hat einen Verdacht, der sich bald bewahrheitet: Pascal ist Claudandus, dessen Morde dem aberwitzigen Zweck dienen, die Katzenart zu ihrem vordomestizierten Stadium zurückzuzüchten. In einem dramatischen Showdown gelingt es Francis schließlich, Pascal das Handwerk zu legen. Es ist ein erstaunliches Wagnis, das die Produzenten dieser 15-Millionen-Mark-Produktion hier eingegangen sind. Die wenigen thematisch ernsten Trickfilme, die bislang außerhalb Asiens produziert worden sind - etwa "Aufstand der Tiere - Animal Farm" (fd 24 874) oder "Watership Down" (fd 22 636) -, waren zugleich für ein jugendliches Publikum verwertbar. Auch wenn "Felidae" gewiß weit weniger "hard boiled" erscheint als seine kommerziell überaus erfolgreiche literarische Vorlage aus dem Jahr 1989, schließen doch zahllose Gewaltszenen und eine recht naturalistische Sexsequenz ein junges Publikum von vornherein aus. So kommt dem Film zumindest eine gewisse filmhistorische Bedeutung zu. Imponierend ist auch die Ernsthaftigkeit, mit der die Geschichte wortreich erzählt wird. Diese Strenge ist jedoch fatal: Jedes der avisierten Vorbilder aus Actionkino oder "Schwarzer Serie" besitzt mehr Humor und Selbstironie. Das Bemühen um Seriösität grenzt an Verbissenheit und geht in jedem Fall auf Kosten der Unterhaltung. Große Mühe gab man sich in der Gestaltung der Bildauschnitte und Perspektiven: die stets verkantete oder bewegte Kamera erinnert gar an die Filme Oliver Stones. Dementgegen steht ein angestrebter Naturalismus in der Figurenzeichnung, der jedoch nie eingelöst wurde. Obwohl man mehr als einmal Disneys "Aristocats" studiert hat, sind die Bewegungen der Figuren alles andere als "katzengerecht". Die budjetbedingte Reduktion der Bewegungsfreiheit wirkt angesichts des konventionellen Trickfilmstils unstimmig. Hätte man sich zu einer experimentelleren Ästhetik entscheiden können, wären solche Unzulänglichkeiten integrierbar gewesen.

Der Produzent läßt keinen Zweifel daran, daß "Felidae" ein Zeichentrickfilm ist, weil sein Sujet im Realfilm nicht realisierbar gewesen wäre: "Sie können Katzen nicht abrichten." Nicht um die spezifischen Möglichkeiten des Zeichentrickfilms, eine eigenständige Welt hevorzubringen, ging es, sondern um die Imitation des Realfilms mit anderen Mitteln. Jeder "film noir" besitzt indes mehr Atmosphäre und Spannung als "Felidae".

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