Dina - Meine Geschichte

Norwegen Dänemark Schweden Frankreich Deutschland 2001/2002 Spielfilm

Dina – Meine Geschichte

Großes Drama vor großer Kulisse in einem Film von Ole Bornedal



Sabine Horst, epd film, 02.11.2004

Eins kann man auf jeden Fall sagen von "Dina": Die dänisch-norwegische Koproduktion hat eine Menge Plot. Es gibt Liebschaften, Intrigen und Todesfälle, es wird gestohlen, betrogen, gemordet und vergewaltigt. Und bereits nach einer halben Stunde stellt sich eine gewisse hämische Lüsternheit ein beim Verfolgen all der dramatischen Umschwünge, Enthüllungen, Entgleisungen und Schicksalsschläge. Dabei hat der Zuschauer das Schlimmste bereits in den ersten zehn Minuten hinter sich gebracht. Nämlich das mit atemberaubendem Aplomb inszenierte Sterben einer Mutter, die bei einem Unfall im Waschhaus in Hektolitern dampfender Lauge buchstäblich gesotten wird – vor den Augen ihrer Tochter, der Titelheldin des Films.

Das traumatisierte Kind, das die Katastrophe unabsichtlich ausgelöst hat, wird zunächst vom Vater geächtet, dann von einem Hauslehrer leidlich zu einem Bewusstsein ihrer Umgebung gebracht und schließlich, als junge Frau, mit einem Freund der Familie, dem reichen Händler Jakob (Gérard Depardieu), verheiratet. Für Dinas Schmerz, ihre Wildheit und Todesverliebtheit ist in der ländlich-pragmatischen nordnorwegischen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts kein Ventil vorgesehen. So überschreitet sie alle Grenzen. Und so kommt es zu einer von faszinierend trivialen Einfällen überbordenden Geschichte, in deren Verlauf sich –damit soll nichts über die populäre norwegische Buchvorlage gesagt sein – das Personal eines deftigen Kolportageromans die Türen in die Hand gibt: vom hübschen Stallburschen über den neidischen Bastardsohn bis zum russischen Anarchisten. Die Schauspieler werfen sich mit Gusto auf diese, sagen wir mal: farbigen Parts. Marie Bonnevie spielt in der Hauptrolle mit Verve gegen ihren modelhaften Look an, Mads Mikkelsen tut alles, um seinen Ruf als Dänemarks "sexiest man" vergessen zu machen, Christopher Eccleston gibt sich charmant mit leicht maliziösem Einschlag. Während Depardieu sich gesagt haben muss, dass seine Chancen, jemals wieder an etwas so Exotischem wie Gangrän zu sterben, gering sind.

Zuweilen zielt der Film – "Night-Watch"-Regisseur Ole Bornedal hat selbst bemerkt, ihm sei es bei dem "period piece" nicht nur um die "period" gegangen – an seinem historischen Milieu vorbei auf eine moderne Geschichte weiblicher Selbstermächtigung. Aber weil Dinas Eigensinn und Freiheitsdrang so eng ans Drama des verlassenen Kindes, an den Verdacht des psychischen Defekts gekoppelt sind, geht der Impetus ins Leere – irgendwann wird es unmöglich, der Hauptfigur durch die Irrungen und Wirrungen ihres Gefühlslebens zu folgen. Aber vielleicht muss man das auch gar nicht. Vielleicht ist der Film mit seinen exaltierten bis kitschigen visuellen Arrangements, in denen sich entschieden zu viele dräuende Wolken und wilde Felsformationen, gebauschte Unterröcke und verwegen von den Schultern rutschende Trägerhemdchen herumtreiben, einfach nur der erste vollgültige skandinavische Camp-Klassiker. "Ganghofer" trifft "Michel aus Lönneberga" vor "Herr der Ringe"-Kulisse? Es hat fadere Mischungen gegeben.

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