Männer

BR Deutschland 1985 Spielfilm

Männer



Robert Fischer, epd Film, Nr. 01, Januar 1986

"Ich wette, du warst mal verheiratet. Du hast so"n geschiedenen Zug um "n Mund", wirft Angelika, ein aufgeweckter Teenager, dem verblüfften Daniel an den Kopf. Und als sie Paula, die Freundin von Daniels Wohngenossen Stephan, auch noch als "Frau von so "nem Scheißer aus der Werbebranche" apostrophiert, ist das gleich der nächste Tiefschlag. Denn Daniel heißt eigentlich Julius, ist Verpackungsdesigner ("Creative Director" steht klotzig an seiner Bürotür) und seit zwölf Jahren mit Paula, die ihn jetzt mit Stephan "betrügt", verheiratet – mit allem, was dazugehört: zwei Kinder, großes Haus, teures Auto etc. Als er seiner Frau ausgerechnet an ihrem Hochzeitstag auf die Schliche kommt, fällt er, obwohl selbst seitensprungerfahren, aus allen Wolken. Offiziell weilt er nun auf einem Kongress, aber in Wahrheit hat er sich in Stephans Wohngemeinschaft eingemietet, um den ahnungslosen Nebenbuhler aus nächster Nähe und in aller Ruhe kennenlernen, studieren und überwachen zu können.

Stephan ist, wenngleich Mitte dreißig wie Julius, das genaue Gegenteil von diesem (und deshalb so interessant für Paula): Als stellungsloser Graphiker jobbt er heimlich in einer Imbissstube, fährt mit dem Fahrrad durch die Gegend und trägt auch sonst alle Merkmale eines Alt-Hippies und WG-Veteranen zur Schau. Gegen seinen Willen freundet Julius sich ziemlich rasch mit Stephan an; er lernt nicht nur ihn, sondern auch sich selbst durch das ständige Vergleichen des anderen mit seiner eigenen Person immer besser kennen: Bald verbinden sich die beiden Männer schon gegenseitig die Wunden, die sie sich selbst zufügen. Halb aus dem ehrlichen Bedürfnis heraus, Stephan aus seiner auf lange Sicht unbefriedigenden Lage zu befreien, halb um zu beweisen, wie leicht sich auch jemand wie Stephan von der Aussicht, am Leben der Arrivierten teilzuhaben, korrumpieren lässt, verschafft Julius ihm eine Stellung als Graphiker und hilft ihm, sich vom langhaarigen Szenen-Freak zum geschniegelten Managertypen zu mausern. Als Julius, um einige Erfahrungen reicher, zu Paula zurückkehrt, erzählt ihm diese, dass sie das Interesse an Stephan verloren habe: "Er hat sich so verändert. Am Ende war er wie du." Trotz dieses ein wenig zu konformistisch und versöhnlich wirkenden Schlusses ist "Männer", Doris Dörries dritte Kinoarbeit nach den bereits vielversprechenden "Mitten ins Herz" (1984) und "Im inneren des Wals" (1985) ein Film aus einem Guss: Drehbuch und Dialoge sind von einer im deutschen Film raren Meisterschaft, die Charakterisierung der Figuren ist stimmig bis ins letzte Detail, die Regie ist schnörkellos und einfallsreich, und die Darsteller – allen voran Heiner Lauterbach und Uwe Ochsenknecht – legen eine Spielfreude an den Tag, dass es eine wahre Lust ist, ihnen zuzusehen und zuzuhören.

Wer tiefschürfende Abhandlungen zum titelgebenden Thema "Männer" erwartet, sitzt freilich im falschen Film, und von der einschlägigen "Feldforschung", die Doris Dörrie laut Presseheft betrieben haben will, bevor sie sich ans Drehbuch machte, ist auch nicht viel zu merken. Zum Glück, möchte ich meinen: Denn wenn dieser Film so wunderbar funktioniert, dann liegt das eben nicht nur an der gradlinigen, ökonomischen Inszenierung (man beachte, wie die Exposition in wenigen knappen Szenen eine Fülle erzählerischer Informationen liefert), sondern auch an der denkbar simplen Problemstellung des Ganzen. Die Regisseurin will dem Publikum nichts erklären, sondern sie rechnet von Anfang an mit seiner Komplizenschaft. In Hof, wo ich "Männer" bei den Filmtagen zum erstenmal sah, saß denn auch jeder Lacher, gab es bei Szenen wie der, wo Julius Stephan auf dem Kinderfahrrad durch den dicksten Großstadtverkehr verfolgt, oder wie der, wo er sich den Affenkopf aufsetzt, um von Paula nicht erkannt zu werden, einfach kein Halten mehr. (Bei der gut besuchten Pressevorführung in München reagierte indessen kaum jemand.)

In der ersten Euphorie ist man versucht, Doris Dörrie nach diesem Film mit Billy Wilder oder Blake Edwards zu vergleichen, und ganz Vermessene denken gar an Ernst Lubitsch. Bleiben wir aber auf dem Teppich und lauschen der Musik von Claus Bantzer, die Doris Dörrie ihrem vergnüglichen Werk unterlegt hat: Bei diesen beschwingten Melodien – mal Akkordeon, mal Klavier, mal Saxophon – kommen einem weniger amerikanische, sondern viel eher französische Filmkomödien in den Sinn, etwa im Stile von Yves Robert oder Francis Veber. Aber deren Können ist ja auch nicht zu verachten.

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