Derrick - Die Pflicht ruft

Deutschland 2002-2004 Animationsfilm

Derrick - Die Pflicht ruft!

Die legendäre Serie als Zeichentrickfilm



Frank Arnold, epd Film, Nr. 4, 02.04.2004

"Hol schon mal den Wagen, Harry!": ein Satz, der in die populäre Kultur eingegangen ist –auch wenn er so nie gesagt wurde. 281-mal lösten zwischen 1974 und 1998 am Freitag Abend Chefinspektor Stephan Derrick und Assistent Harry Klein im ZDF Mordfälle, die sich in den Villen der Reichen und Schönen Münchens ereignet hatten. Der Erfolg der Serie ist legendär, sie wurde in über 100 Länder verkauft, selbst nach China: "Derrick" ist ein Monument der deutschen Fernsehgeschichte, nicht weniger.

"Derrick - Die Pflicht ruft!" spielt in einem München, das dank Derrick zu 100 Prozent verbrechensfrei ist. So kann der Chefinspektor nach Lappland ausgeliehen werden, um die dortige Polizei auf Vordermann zu bringen – sehr zur Freude seines ewigen Assistenten Harry Klein, der schon lange darauf brennt, aus dem Schatten seines Chefs herauszutreten und endlich zu zeigen, was in ihm steckt. Doch kaum hat er sich an den Tatort begeben, wo die Vorausscheidung des "European Song Contest" stattfindet und soeben jemand die Halteseile eines Fesselballons gekappt hat, woraufhin sich die Boygroup "The Irreplaceable Boys" beim Vortrag ihres Titels "High on You" wahrhaftig in Schwindel erregende Höhen begibt, da zerplatzen Harrys Träume: Derrick schwebt mit dem Fallschirm ein und reißt den Fall an sich. Jemand meuchelt systematisch Teilnehmer des Schlagerwettbewerbs, das steht bald fest.

Wie in der Fernsehserie ist auch der Film kein Whodunit – dass der abgehalfterte Schlagerstar Arno Hello hinter den Morden steckt, weiß der Zuschauer von Anfang an. Vielmehr setzt der Film auf eine Parodie der in der Fernsehserie immer wieder vorkommenden psychoanalytischen Erklärungsmuster: Ein einschneidendes Erlebnis in Hellos Jugend trieb ihn zu seinem Tun. Eine dezidierte Selbstironie zieht sich durch den Film, eine augenzwinkernde Demontage der Figur, die zugleich eine Hommage ist – sonst hätten Horst Tappert und Fritz Wepper wohl kaum ihren Figuren die Stimmen geliehen und das ZDF hätte wohl auch nicht als Co-Produzent fungiert.

Aus der Vertrautheit mit der Serie entsteht eine Überhöhung, die Implizites explizit macht. Derricks Toupet und seine große, eckige Brille sind äußerliche Attribute; am besten ist der Film, wenn er Gags eher nebenbei einbaut – so besitzt Derrick im Polizeipräsidium einen eigenen Fahrstuhl (während alle anderen sich in einen weitaus kleineren daneben zwängen müssen). Die bedrohten Teilnehmer des Schlagerwettbewerbs sind dagegen eher grobe Karikaturen, so schrill und nervtötend wie ihre Vorbilder im realen Leben. Eher milder Spott wird über die Branche ausgeschüttet, wenn die "Irreplaceable Boys" ihrem Namen keine Ehre machen, denn nach ihrem Ableben werden sie von ihrem Manager flugs durch die "New Irreplaceable Boys" und später durch die "Really New Irreplaceable Boys" ersetzt. Viel interessanter ist die Figur eines mad scientist namens Dr. Zark, der in Arno Hellos Auftrag eine Strahlenkanone konstruiert (die für ein spektakuläres Finale sorgt). Ihm hat man die Gesichtszüge und die Physiognomie von Peter Lorre verliehen. Der Zeichenstil erinnert an Manfred Schmidts Nick-Knatterton-Figuren: eckig, mit klaren Linien im Vorder- wie im Hintergrund.

"Derrick - Die Pflicht ruft!" bietet 80 mehr oder weniger kurzweilige Minuten und ist dabei immerhin aus einem Guss - das sollte man nicht gering schätzen in einer Zeit, in der viele europäische Animationsfilme internationale Verkäuflichkeit durch standardisierte Zutaten zu erzielen versuchen.

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