Familie, Kultur und Zeitgeschichte: 1,8 Millionen Euro kulturelle Filmförderung für 17 Dokumentarfilme

Die FFA-Jury für Dokumentarfilme hat in ihrer dritten und letzten Fördersitzung des Jahres 1.461.300 Euro Produktionsförderung für zwölf Filmprojekte vergeben, sieben davon wurden als Talentfilme gefördert. 

 

Fünf weitere Projekte erhielten 322.966 Euro Projektentwicklungsförderung. Somit wurden insgesamt 17 Projekte mit 1.784.266 Euro gefördert.

Die Spannweite der Themen, die die geförderten Projekte behandeln, reicht von (Zeit-)Geschichte wie in dem Film   "Flags Of An Imaginary Nation" über Jugend und Demokratie in Indien oder "Weimar X Buchenwald" über das Nebeneinander von Aufklärung und Vernichtung bis zu Familiengeschichte wie in "Gestohlene Kinder" über Zwangsadoption in der DDR oder "Zwischen zwei Zeiten" über eine Rückkehr ins irakische Kurdistan; vom Kulturschaffen wie im Dirigentenporträt "Kurt Masur – Gegen den Strom" bis zu Frauennetzwerken wie in "Komplizinnen" über die für weibliche Selbstbestimmung kämpfenden Compañeras in Venezuela.

Diese Themen finden sich auch in den mit Projektentwicklungsförderung vorbereiteten Projekten wieder, etwa im Familienporträt "Amir und seine Brüder – Die Ibragimov-Story" über eine migrantische Familie in Großbritannien, deren vier Söhne vor dem sportlichen Durchbruch stehen, in "Double Exposure" über die Wiederaufführung eines Pina-Bausch-Stücks mit den um knapp 50 Jahre gealterten Originaltänzer*innen oder im Porträt einer weiblichen Gemeinschaft in Ecuador, "Amazonas" (AT).

Die Förderung im Detail:

Produktionsförderung

"Komplizinnen"
Produktion: TUMULT Film GmbH  
Drehbuch und Regie: Paola Calvo, Patrick Jasim
Förderung: 180.000 Euro
In den feministischen Untergrundnetzwerken Venezuelas riskieren die Compañeras ihre Freiheit, um Frauen heimlich den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen zu ermöglichen. Vom Widerstand in Venezuela bis nach Deutschland kämpfen sie für die Selbstbestimmung aller Frauen, die von Abtreibungsverboten betroffen sind.

"Mutationen"  (AT)
Produktion: solo:film GmbH
Drehbuch und Regie: Christine Nagel
Förderung: 162.000 Euro
Cornelia Hesse-Honegger zeichnet und malt seit Tschernobyl mutierte Insekten. Ihre großformatigen Bilder machen das Unsichtbare sichtbar. Lange wurde sie dafür belächelt. Als Fotos von deformierten Schmetterlingen aus Fukushima um die Welt gehen, fühlt sie sich bestätigt. Im Labor des japanischen Biologen Joji Otaki auf der Insel Okinawa wird offensichtlich: Strahlen verursachen Mutationen.
 
"Flags if an Imaginary Nation"
Produktion: Filmbetrieb Dedek & Engelhardt GbR
Drehbuch und Regie: Rebana Liz John
Förderung: 150.000 Euro
Inmitten der stärksten gesellschaftlichen Umbrüche seit Bestehen der indischen Demokratie begleitet der Film Schüler*innen in Mumbai über mehrere Jahre hinweg bis zu ihrer ersten Parlamentswahl im Jahr 2029.
 
"Urpsrung des Flusses"  (AT)
Produktion: Voices Films UG
Drehbuch und Regie: Vitaly Trevoga
Förderung: 150.000 Euro
Ein beobachtendes, mosaikartiges Bild des postsowjetischen Raums zeichnet die Entstehung einer neuen Generation nach. Sie wird geprägt von vererbten Traumata, Isolation und den Nachwirkungen des ideologischen Erbes. Unter den Belastungen bewegen sich junge Menschen, als haben sie bereits verloren, in einer melancholischen und fragmentierten Realität. Sie schweben zwischen Vergangenheit und Zukunft, oder stecken sie dort fest?
 
"Weimar X Buchenwald"
Produktion: Filmgalerie 451
Drehbuch und Regie: Heinz Emigholz
Förderung: 140.000 Euro
Anhand authentischer Zitate und an Originalschauplätzen in Weimar und Buchenwald klärt der Film über die Schattenseiten der Aufklärung auf. Anders als es das konventionelle Bewusstsein will, ist die historische Aufklärung nicht das absolute Gegenteil nazistischer Vernichtungspolitik, sondern in mancher Beziehung sogar ihre Voraussetzung. Weimar und Buchenwald liegen also in vieler Hinsicht nicht weit auseinander.

"Kurt Masur - Gegen den Strom"
Produktion: Departures Film GmbH
Drehbuch und Regie: Anna Schmidt
Förderung: 130.000 Euro
Der Film erzählt das Leben eines Dirigenten, der Haltung zeigte — mit Musik, Mut und Menschlichkeit. Er nähert sich Masur aus heutiger Perspektive in dessen Resonanzräumen Leipzig, New York und Tel Aviv.

"Heroines of Hope"
Produktion: Elemag Pictures GmbH
Drehbuch und Regie: Bernadette Weber, Ulrike Decker
Förderung: 125.000 Euro
In vielen Demokratien werden feministische Errungenschaften von autoritären Akteur*innen vermehrt infrage gestellt. Doch es gibt Widerstand: Junge Frauen, die mit rebellischer Kreativität Netzwerke der Solidarität bauen und sich miteinander vernetzen.

"Alle spielen was ihr wollt"
Produktion: Trabant Filmproduktion GbR
Regie: Raphael Schanz
Drehbuch: Raphael Schanz, Jenny Fitz
Förderung: 120.000 Euro
Der Film öffnet die Türen zu einem verborgenen Reich: der Hinterbühne. Zwischen Maske, Garderobe, Raucherbalkon und Kantine entfaltet sich ein Raum voller Dramatik, Humor und Menschlichkeit. Beobachtet werden drei sehr unterschiedliche Ensembles während der Aufführung von Shakespeares Verwandlungskomödie „Was ihr wollt": das Stadttheater Bielefeld, das inklusive Theater RambaZamba in Berlin und die Gefängnistheatergruppe der JVA Bruchsal.
 
"Gestohlene Kinder"
Produktion: Charakterfilm GbR
Drehbuch und Regie: Julia Charakter
Förderung: 110.000 Euro
Unter dem Vorwand des plötzlichen Kindstods wurden in der DDR, aber auch in anderen Ostblock-Ländern Neugeborene bei der Geburt ihren Eltern entrissen und in staatlichen Einrichtungen untergebracht oder zur Adoption freigegeben. Der Film begleitet Betroffene, die bis heute auf der Suche nach ihren Angehörigen sind und sucht mit ihnen nach Antworten und ihren verlorenen Kindern, die heute Erwachsene sind.

"Shoshi"
Produktion: Jürgen Brüning
Drehbuch und Regie: Shauly Melamed
Förderung: 84.300 Euro
Zalman Shoshi, geboren in Haifa als Kind von Holocaust-Überlebenden, wuchs in einem von Gewalt und Traumata geprägten Elternhaus auf. Im Jugendalter floh Zalman von zu Hause und überlebte durch Sexarbeit. Später erfand sich Zalman neu als Shoshi, Israels erste Transgender-Berühmtheit, die sowohl verehrt als auch gefürchtet wurde. Deren Weg führte auch nach Berlin: eine geteilte Stadt, in der Holocaust-Überlebende Bars, Bordelle und Peepshows wiedereröffneten und in der israelische Transfrauen sowohl Zuflucht als auch Gefahr fanden.

"Zwischen zwei Zeiten"  (AT)
Produktion: Road River Films GmbH
Drehbuch und Regie: Daniel Kötter, Miedya Mahmod
Förderung: 60.000 Euro
Ein Kleinbus steuert durch die Landschaften der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak. 35 Jahre nach seiner Flucht vor den Giftgasangriffen Saddam Husseins nach Deutschland sucht ein ehemaliger kurdischer Freiheitskämpfer – heute Busfahrer im nordrhein-westfälischen Sauerland – gemeinsam mit seinem erwachsenen Kind und wechselnden Fahrgästen noch einmal die Orte der gewaltsamen Einschreibungen auf – eine Psychogeographie der Verstrickungen zwischen Deutschland und Kurdistan.

"Staying Alive"
Produktion: Sunday Filmproduktions GmbH
Drehbuch und Regie: Sebastian Franke
Förderung: 50.000 Euro
Die Musiker Vince Melouney (80) und Blue Weaver (78) – einst Mitglieder der Bee Gees – touren heute als Gäste der Revival-Show eines thüringischen Konzertveranstalters durch Kulturhäuser, Sporthallen und Freilichtbühnen zwischen Wuppertal und Weißenfels, begleitet von Sänger-Doubles, Glitzerhemden und der Jugend von damals, die ihnen zujubelt. Drei Monate Tournee jedes Jahr – zwischen Autobahnraststätten, Budget-Hotels und Rentenlücke. Doch diesmal ist alles anders: Es ist ihre letzte Tour.

Projektentwicklungsförderung

"Portrait of A."
Drehbuch und Regie: Rand Beiruty
Förderung: 100.000 Euro
Die Geschichte von Andrea, einer jungen Roma-Frau in Ostdeutschland, die zwischen familiären Erwartungen und dem Wunsch nach Selbstbestimmung ihren Weg sucht. Dokumentarische Beobachtungen verbinden sich mit gemeinsam mit Andrea entwickelten Stop-Motion-Sequenzen.

"Amir und seine Brüder - Die Ibragimov Story"
Produktion: Rodeo Film UG
Drehbuch und Regie: André Hörmann
Förderung: 87.572 Euro
Die muslimisch-dagestanische Familie Ibragimov ist auf dem Sprung, Sportgeschichte zu schreiben. Der 17-jährige Amir ist gerade Profi bei Manchester United geworden, seine beiden Brüder spielen in der Jugend des Klubs. Ibragim, der Älteste, kämpft in der internationalen MMA-Elite. Die Brüder Ibragimov wollen den Traum von Millionen leben. Eine Langzeitbeobachtung über familiären Ehrgeiz, religiöse Disziplin und westlichen Freiheitsdrang.

"Amazonas"  (AT)
Produktion: JYOTI Film GmbH
Drehbuch und Regie: Clara López Rubio
Förderung: 85.000 Euro
Ein Dokumentarfilm mit und über Waorani-Frauen aus dem ecuadorianischen Amazonas. Ausgangspunkt ist der Konflikt um den Bau einer Straße: Die Gemeinschaft ringt um Einheit; die Dorfälteste Nanci setzt auf Entwicklung, ihre Cousine Huanginkamu warnt vor Zerstörung indigenen Lebensraums.

"Double Exposure"
Drehbuch: Bettina Borgfeld
Regie: Bettina Borgfeld, Meryl Tankard
Förderung: 30.434 Euro
Neun Tänzer*innen im Alter von 69 bis 81 Jahren haben den Mut, sich noch einmal zu zeigen. In einer Neuinszenierung von Pina Bauschs „Kontakthof" begegnen sie den Projektionen ihrer 47 Jahre jüngeren Ichs.

"Marianne"  (AT)
Drehbuch und Regie: Jochen Hick
Förderung: 19.960 Euro
Marianne, Mutter des Filmemachers, ist eigenwillig, aber geprägt von gesellschaftlichen Normen. Geboren 1929, wuchs sie in der Kriegszeit auf, heiratete 1954 und gab ihre Berufswünsche auf. Filmaufnahmen aus über 20 Jahren, Fotos und Aufzeichnungen verhandeln Themen wie Geschlechterrollen, Verlust und Einsamkeit sowie den Einfluss von Mariannes Generation auf die Boomer.

Genderübersicht – Jurybasierte kulturelle Produktionsförderung für programmfüllende Dokumentarfilme:
23 Anträge, davon
15 Projekte von/mit Beteiligung weiblicher oder non-binärer Autor*innen
15 Projekte von/mit Beteiligung weiblicher oder non-binärer Regisseur*innen
11 Projekte von/mit Beteiligung einer Produzentin

12 geförderte Projekte, davon
8 Projekte von/mit Beteiligung weiblicher oder non-binärer Autor*innen
8 Projekte von/mit Beteiligung einer Regisseurin
6 Projekte von/mit Beteiligung einer Produzentin

Genderübersicht – Jurybasierte kulturelle Projektentwicklungsförderung für programmfüllende Dokumentarfilme:
18 Anträge, davon
12 Projekte von/mit Beteiligung weiblicher oder non-binärer Autor*innen
12 Projekte von/mit Beteiligung weiblicher oder non-binärer Regisseur*innen 

5 geförderte Projekte, davon
3 Projekte von/mit Beteiligung einer Autorin
3 Projekte von/mit Beteiligung einer Regisseurin 

An der Sitzung nahmen Daniel Abma, Claas Danielsen, Annekatrin Hendel, Appolain Siewe und Britta Strampe teil. 

Die  nächste Fördersitzung  der Jury für Dokumentarfilm findet  am 16. und 17. März 2026  statt, Einreichfrist  ist der 15. Januar.
 
Alle Förderentscheidungen des laufenden Jahres finden Sie hier.

Quelle: FFA