Annas Mutter

BR Deutschland 1983/1984 Spielfilm

Annas Mutter


BHR, film-dienst, Nr.2, 24.02.1984

Wer Sieger im unsinnigen Wettlauf um die filmische Ausbeutung des Falles Bachmeier geworden ist, wird sich vermutlich ebenso schnell herumsprechen wie der marktschreierische Start der beiden Spielfilme von Burkhard Driest und Hark Bohm. Zumindest in künstlerischer Hinsicht dürfte es kaum einen Zweifel geben: Bohms " Keine Zeit für Tränen" (fd 24 368) ist nicht nur der dramaturgisch überzeugendere, sondern auch der sensiblere, einfühlsamere, letztlich trotz aller emotionalen Anteilnahme auch kritischere Film. Während Bohm versucht, den Motiven der Tat im sozialen und seelischen Bereich nachzuspüren, konzentriert sich Driest auf das Milieu. Auch dies im Ansatz eine legitime Interpretation. Marianne Bachmeier ist in "Annas Mutter" das Erzeugnis einer oberflächlichen Halbwelt nach Münchener Boulevard-Zuschnitt, eine Frau, deren Wünsche unbefriedigt bleiben und die ihre eigene Unerfülltheit durch immer neue Betriebsamkeit zu kaschieren versucht. Das Kind glaubt sie zu lieben, doch ist es ihr oft genug nur im Weg. Eine Konstellation, die glaubwürdig sein könnte, würde sie nachvollziehbar und überzeugend vermittelt. Driest jedoch entwirft ein künstlerisches Klischeebild voll statisch agierender Protagonisten, denen er keinerlei Entwicklung gestattet. Seine Darsteller, allesamt bedauernswert lieblos geführt, liefern vorgestanzte Illustriertentexte ab, die nichts Erhellendes dazu beitragen können, warum die Bachmeier denn nun eigentlich den Mörder ihres Kindes im Gerichtssaal erschießt.

Die Unfähigkeit Burkhard Driests, mit dem Stoff fertig zu werden, die schreckliche Tat zu hinterfragen, zeigt sich am deutlichsten an den Proportionen seines Films: Die Vorgeschichte bis zu der Ermordung des Kindes nimmt zwei Drittel des Films ein; der "Rest" wickelt sich ganz schematisch ab. Als sei er sich selbst der mangelnden Glaubwürdigkeit seiner Inszenierung bewußt, springt er, kaum daß der Mörder erschossen ist, auf eine andere Ebene über und widmet sich (mit albernsten Pointierungen) der Kritik des um die Tat entstehenden Sensationsrummels. Auch an Einzelheiten zeigt sich das Versagen Driests als Regisseur. Annas Ermordung, von Bohm völlig ausgespart, montiert er wie in einem drittklassigen Wallace-Krimi mit dem exaltierten, symbolisch befrachteten Tanz der Mutter in ihrer Kneipe. Spätestens an dieser Stelle wird die beabsichtigte Milieu-Theorie auch dem letzten Zuschauer mit dem Holzhammer klargemacht, gleichzeitig aber durch die dilettantische Präsentation vollends in Frage gestellt. Bleibt anzumerken, daß "Annas Mutter" nicht einmal ein Film der Hauptdarstellerin ist, deren Ruhm aus van Ackerens "Flambierter Frau" nachträglich dem Regisseur und nicht der Landgrebe zugeschrieben werden muß; denn hier erweist sie sich von höchst begrenztem Ausdruck. Hat man beide Bachmeier-Filme gesehen, so stellt sich schon am folgenden Tag heraus, daß man sich an Einzelheiten des Driest-Films kaum noch erinnert, während Bohms Film in allen Details gegenwärtig bleibt.

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