Die Verlobte

DDR 1979/1980 Spielfilm

Antifaschistische Thematik – Widerstandsfilm – Liebesgeschichte?



Klaus Wischnewski, Film und Fernsehen, Berlin/DDR, Nr. 10, 1980




Der fast beschwörende Brief Günter Reischs und Günther Rückers anläßlich der Pressevorführung ihres Films "Die Verlobte" an die Kritiker zitiert die rubrizierenden Schlagworte, warnt vor deren stumpfsinnigem, den Zuschauer verscheuchenden Gebrauch, fordert Aufmerksamkeit für das, was in jedem wirklichen Kunstwerk das Eigene, Wesentliche ist – für das Menschliche und das Ästhetische, als Einheit, versteht sich. Dennoch: Allzu heftige Betonung der – richtigen! – These: "Dies ist die Geschichte einer Liebe!" provoziert auch Polemik. Es ist schon merkwürdig und bezeichnend, daß oft genug für unzulängliche Filme aufwertende politisch-thematische oder das Genre betonende Etiketts unbekümmert und verschwenderisch benutzt wurden, während bei einem empfindsamen – und empfindlichen! – Film der Benennung seiner politischen Substanz und Relevanz nahezu mit Askese begegnet wird. Die Gründe liegen auf der Hand – Begriffsentleerung durch Inflationierung, Verneblung des Konkreten und Einmaligen durch das Austauschbar-Allgemeine. Die Schlußfolgerung auch: Je mehr unsere Filme "ihre Sache" vertreten, desto genauer muß das Begriffsinstrumentarium gestimmt sein, mit dem wir uns gemeinsam über unsere Sache zu verständigen suchen.



Das Menschliche – das Politische



Der besondere Stellenwert dieses Films liegt darin, daß er seine Heldin in menschliche Grund- und Grenzsituationen führt, in denen die physische und psychische Kraft eines Menschen dem eigentlich nicht mehr Ertragbaren, Sagbaren, Darstellbaren ausgesetzt werden. Dabei ist es wichtig, daß Niederlage, Zusammenbruch, Zerstörung des Menschen immer ganz nahe sind; das Sich-Behaupten, Sich-Bewahren ist groß, weil die Gefährdung größer erscheint, das Menschen-Mögliche ist das scheinbar nicht mehr Mögliche. Der Sieg – ich kenne keine bescheidenere, stillere Szene in unseren Filmen zum Thema Befreiung als die der Hella – Jutta Wachowiak im fahl-diffusen Licht, das vor einer schmalen Öffnung in der Zuchthausmauer Freiheit und unbekanntes Leben ankündigt! –, dieser Sieg ist belastet mit Verlusten, die nicht vergessen, mit Wunden, die nicht vernarben werden. Brechts "An die Nachgeborenen" fällt einem ein, der Zorn, der die Stimmen heiser macht, die Unmöglichkeit, freundlich zu sein … Und jenes "Ecce homo – Seht, welch ein Mensch!", das ja längst aus einem Zitat der christlichen Überlieferung zu einem humanistischen Motiv der Kunst geworden ist. Man sage nicht, jene existentielle Zuspitzung bis in solche Grenzsituationen sei zwar bei Kriegs- und antifaschistischen oder ähnlichen Stoffen möglich, nicht aber bei Helden und Geschichten, die in unseren grundsätzlich freundlichen Zeiten und Umständen angesiedelt sind. Ausrede oder Mißverständnis – ein solcher Irrglaube wäre für die Weiterentwicklung unserer Filmkunst, für ihr Bestehen vor den gewachsenen und selbstbeförderten Erwartungen, für ihre nationale und internationale Wirkung höchst schädlich, und allein schon "Solo Sunny", "Bis daß der Tod euch scheidet" oder "Die Legende von Paul und Paula" widerlegen ihn.



Ja, dies ist eine Liebesgeschichte. In einem Umfeld, da allzu oft und bis zum Überdruß Liebe auf der Kinoleinwand ohne verschämte oder verbissen ausgestellte Nacktheit und verklemmte Bett- oder Couchduette nicht mitteilbar zu sein scheint, wiegen die drei Begegnungen der Liebenden in diesem Film doppelt schwer. (…)

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