Asphalt

Deutschland 1928/1929 Spielfilm

Asphalt




Fritz Walter, Berliner Börsen-Courier, Nr. 120, 12.3.1929




Auch
dieser Film ist ein bezeichnendes Beispiel dafür, wie der Versuch, neue
und gegenwärtige Lebensbezirke in den deutschen Film aufzunehmen, an
der Zähigkeit scheitert, mit der man an alten und überlebten
Gefühlsinhalten hängt. Ja, wie man absichtlich und planmäßig neue
Formen, wo sie sich auch nur in Bildung begriffen zeigen, rasch mit
diesen alten Klischeegefühlen zustopft. Asphalt: braucht man zu sagen,
welche Vielfalt von Darstellungsmoglichkeiten dieses programmatisch
großstädtische Thema dem Film bietet? Gewiß, die Schwierigkeiten liegen
gerade in der Bewältigung dieses Vielfältigen. Aber der zeitgenössische
Roman ist hier längst auf dem Wege zu neuen Darstellungsmitteln: Der
Roman "Manhattan Transfer" des Amerikaners John Dos Passos z. B.
versucht die Unzahl und Verschiedenheit großstädtischer Schicksale in
der Parallel-Schilderung vieler menschlicher Lebensläufe aufzuzeigen.
Muß man sagen, daß die Gleichzeitigkeit und das Nebeneinander mehrerer
Vorgänge auch die gegebene Ausdrucksform für den Film ist?


Aber
was heißt Asphalt in der Filmsprache? Kampf zwischen Pflicht und Liebe.
Fall eines braven jungen Wachtmeisters, Sohnes achtbarer Eltern, der in
die Fänge einer Diebin und Dirne gerät. Don José auf dem
Großstadtpflaster. Carmen am Kurfürstendamm. Juste milieu unter
Bogenlampen. Kein Wunder, daß unter diesem falschen Blickpunkt auch die
Großstadt zu leiden hat. Man betrachtet ihre selbstverständlichen
Erscheinungsformen mit jenem finsteren und feierlichen Ernst, der die
Einzelheit zum Symbol aufsteift. Der Schutzmann, der den Verkehr
regelt, reckt sich zur Statue, Autobusse, Straßenbahnen, Autos bekommen
das Ansehen von mythischen Fabelwesen.





Die
Banalität des Filmmanuskripts wäre unerträglich, führte nicht ein Mann
wie Joe May Regie. In der Rhythmik des Bildablaufs, in den
Kontrastierungen, Übergängen und Entsprechungen der Bilder erreicht er
Meisterliches, zusammen mit der vorzüglichen Photographie
Günther
Rittaus. Man sieht den Einfluß des Regisseurs auch bei einem
Schauspieler wie Gustav Fröhlich, der noch nie so einfach und gehalten
war. Albert Steinrück zeigt in einer Episodenrolle, einer seiner
letzten Filmrollen, noch einmal die ganze sparsame Fülle seines
Komödiantentums. Nur mit ihren jungen Stars hat die Ufa kein Glück.
Betty Amann, als Neuentdeckung angekündigt, ist aus dem Titelblatt
eines amerikanischen Magazins ausgeschnitten; hat aber in der Bewegung
nicht einmal die Niedlichkeit dieses Typs.

Das
Vorbild des amerikanischen Films beginnt verhängnisvoll zu werden, weil
es mißverstanden worden ist. Auch hierfür ist dieser Film, unter der
Produktionsleitung Erich Pommers, ein Schulbeispiel. Man hat die äußere
Vervollkommnung, die technischen Effekte gelernt, aber die inhaltliche
Substanz einschrumpfen lassen. Man bedenkt nicht, daß man doch niemals
die Ursprünglichkcit und Unmittelbarkeit der technischen Wirkungen wie
die Amerikaner erreichen wird; während sich gerade vom Inhaltlichen her
der deutsche Film seine Eigenart erobert hat. Und sich von hier aus
wieder erneuern müßte.


Rights statement