Danton

Deutschland 1921 Spielfilm

Danton

Die französische Revolution in Johannisthal (Drehbericht)


jh., Film-Kurier, Nr. 71, 24.3.1921


Über der Johannisthaler Luftschiffhalle i. P., dem Jofa-Atelier, in dem jetzt ein Ding aus der französischen Revolution gedreht wird, schwebte gestern der Geist Max Reinhardts, und pikanterweise wandelte der Meister selbst unter den Gästen, die die Wörner-Film-Gesellschaft zu dem Clou ihrer "Danton"-Aufnahmen geladen hatte. Ein junger russischer Regisseur, Dimitri Buchowetzki, in der Statur und im Temperament Ernst Lubitsch ähnlich, hat einen Danton-Film geschrieben, ein Mixtum aus Historie und dramatischer Erfindung, die wir aus "Dantons Tod" und anderen Dramen kennen. Im dritten Kriegswinter ließ Max Reinhardt Büchners Werk durch neue Mittel der Bühne aufflammen. Er baute das große Revolutionsdrama vornehmlich aus Menschenleibern und Licht zwischen mächtigen, runden, grauen Säulen und wußte die Stärke der Natur durch die bloße Andeutung zu erreichen. (...)

Der junge Russe ist in der exakten Behandlung der Chorregie, mit Klugheit und Erfolg mehr in Reinhardts Schule gegangen, die im Großen Schauspielhaus gelehrt wird. Er geht aufs Volle los und sucht das äußere Leben in allen Teilen nachzubilden. Die klare Kraft theatralischer Accentuierung, in der sich Reinhardt wie kein zweiter entfaltet hat, verstand Dimitri Buchowetzki in der Behandlung der Statisterie dem Meister getreulich abzugucken, ohne der Phantasie des Zuschauers Konzessionen zu machen. Gestern führt er seinen Gästen die Paradeaufnahme des Revolutionstribunals vor. Auf hohem Amphitheater, auch getragen von grauen Säulen, fern von der Echtheit des Pariser Revolutionstribunals, sitzen zweitausend Blutknechte und Furien der Revolution, Männer mit nackter Zottelbrust, die Weiber in flatternden, bunten Lumpen, Pöbel der Straße, Dantons Verhör beginnt. Fouquier inquisiert. "Deine Wohnung?" –"Meine Wohnung? Bald im Nichts!" – "Dein Name?" – – Und Danton-Jannings, aus dessen Antlitz die feminine Weichlichkeit des lüsternen Lebenskünstlers schwindet, reckt sich zu ungeheuerlicher Höhe, und das Siegerwort schmettert revolutionierend zu den Massen in die Höhe: – "Mein Name – halb im Pantheon der Geschichte!" Und dann bricht Danton in herzliches Lachen aus, er steckt das Volk an, und es brüllt, es wiehert vor Lachen, es windet sich und schlägt die Arme hoch – angefeuert von Dimitri Buchowetzki, der wie ein Schutzmann alle Phasen dieses Lachsturmes mit allen Gliedmaßen, die ihm eigen, in toller Leidenschaft beispielgebend exekutiert.

Das ist ein Regisseur, der Lungenkraft und Feuer im Körper hat. Er beherrscht den Raum und wirkt suggestiv auf die Massen und die Schauspieler. Seine Erklärung der Szene ist kurz und klar. Das Statistenvolk versteht ihn und folgt ihm in der Realisierung wirrer Lebendigkeit. Wenn ich auch einschränkend bemerken muß, daß ihm Reinhardts beste Hilfskräfte Gerner, der umsichtige Regisseur, und Plischke, der gewandte Komparsengeneral, zur Seite stehen, daß oben unter dem wilden Volk Florath vom Staatstheater die Männer führt und die tüchtige Lorenz vom Deutschen Theater die Weiber entflammt. Er arbeitet rasch, er beherrscht das Instrument der Masse, sucht es ins helle Licht zu stellen, wie es Dürer und Raffael lehrte. Er wagt es sogar, ohne Probe die wilde zügellose Menge über die Stufen des Tribunals herabstürzen zu lassen, um Danton zu befreien – die wildesten über die Köpfe der anderen hinweg – vielleicht angefeuert durch vier Hundertmarkscheine, Prämien für die raschesten Stürmer und Dränger. Eine dichte Staubwolke fegt durch den Raum. Von allen Seiten, wird das rasende Bild gekurbelt – Viragh fängt es von der Mitte auf, hoch aus der Vogelperspektive, von der Seite seine Assistenten. Dann, kommandiert die helle, durchdringende Stimme des Regisseurs: "Licht aus!", und als vernünftiger Massenpsychologe schmettert er ein "Ausgezeichnet!" in die dichten Ballen der Komparserie.

Pause. Man bewundert den geschickten Aufbau der Tribüne auf der die aktive Einheit der Volksmassen tobt. Man mißt den Raum der Aufnahme, den Batterien von Jupiterlampen erhellen. Fast 90 Meter liegen zwischen Richtertisch und der tobenden Menge. In hunderten von Behelfsgarderoben knattern die Stullenpapiere.

Kompanieweise treten die jetzt gezähmten Jakobiner an, um sich von einem viertel hundert von Friseuren neu schminken zu lassen. In der Kantine verschwinden Berge von Pfannkuchen. Und Max Reinhardt plaudert mit Jannings und Winterstein über die Möglichkeiten des Filmes. Atelierarbeit war ihm bisher etwas Fremdes. Aber der Löwe hat Blut geleckt . . .

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