Die Verschwörung zu Genua

Deutschland 1920/1921 Spielfilm

Die Verschwörung zu Genua


Ajar., Film-Kurier, Nr.236, 20.10.1920


Auf weißschimmernden Stufen, hinanstrebend zu dem gemeißelten Tore des strengen Palastes, eine erregte Masse. Bürger von Genua. Ein Schrei fliegt auf; wilde Bewegung kommt in die Massen. Mit erbitterten Rufen drängen sie sich nach oben. Die Schweizer bilden einen Wall. Und jetzt, gefolgt von seiner devotesten Kreatur, erscheint auf der obersten Stufe der, dem die Bürger von Genua in dieser Stunde erbittert fluchen: Gianettino Doria, der Erbe, der Kronprinz (wenn man will), und die Bürger da unten sind aus den winkeligen Gassen, von überall her zusammengeströmt, um zu protestieren gegen den Bruch der Verfassung. Gegen die tyrannischen Gelüste des Erben der Togenwürde. Jetzt unter dem Schutze der Bajonette will er die Treppe hinabsteigen. Eine ehern-würdige Gestalt löst sich aus dem Kreis der Empörten – ein Blick, ein fester und willender, bannt den, der die Verfassung als Spielball seiner Laune nützen wollte – und dieser Blick des alten Berrino ist Mahnung und Warnung zugleich. Vieltausend Hände recken sich zum blauen Himmel Genuas empor. Ein kühnes, großartig geschautes Bild...

Es ist eines von den vielen großen, die der Gloriafilm "Die Verschwörung zu Genua" entrollen wird. In unseren Tagen heißersehnter Erneuerung wird dieses Renaissancestück getragen vom Brausen, Kämpfen und Leiden der Gegenwart und kehrt aufs neue, das alles Gewesene fortwirft durch die Jahrhunderte, sich erneuert unter anderen Bedingungen und in ähnlichen Formen. Schiller wies diesem Film die dramatische Aktion. Das Historienmaterial über den Grafen von Lavagna, die Memoiren des Kardinals von Retz waren die lehrreichsten Anleiter für die geschichtliche Treue. Zwischen Schiller und der Memoirenliteratur aber war ein Drittes, ein Entscheidendes, und der moderne Regisseur (der Historie niemals "stellen", sondern in ihrem Geiste erfühlen will), ließ sich von der dritten Erkenntnis treiben: Lessing hat sie ausgesprochen mit dem Satz, daß der Sinn historischen Geschehens vom Menschen der Gegenwart nur fühlbar werden kann als Gleichnis seiner eigenen Zeit.

So sah der Regisseur Paul Leni jene Renaissancepolitik in Genua, die in die Verschwörung des klugen Demagogen Fiesco von Lavagna mündet. In festlichen Palästen werden tragische Intriguen gesponnen, die schöne Gräfin Imveriali spielt Liebe und wird, Törin und Betörte, selbst der wichtigste Stein in dem kühnen Spiel des ehrgeizigen Lavagna. Und eine andere Frau leidet, sie weiß nichts von den dunklen Wegen der Politik, und ein keusches Mädchen wird Sinnbild des geschändeten Genuas. Einzelschicksal weitet sich zum Weltgeschehen. Diese Stadt ist unsere Welt, die Kämpfe sind unser Kampf – doch nichts ist Tendenz, nichts Parteinahme. Wenn die ewig über alle guten und bösen Tage strahlende Sonne aufgeht über dem phantastisch weiten Hafen von Genua, dann ist kein Jubel über sie zu Ende: nur Sehnsucht nach Friede, der Wille einander zu verstehen, ohne Haß, ohne Streit, ohne Bürgerkrieg.

Der Abglanz einer farbigen, verrauschten Zeit lebt hier in bannenden Bildern. Und in die Musik der Gegenwart strömt die Melodie der Vergangenheit – und läßt uns aufhorchen und nachdenklich werden.

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