Summary
After Winter Comes Spring
One year before the fall of the Berlin Wall, director Helke Misselwitz travelled from the South to the North of East Germany by train. On her trip, she met women from all walks of life who speak about their respective hopes and fears in Eighties Germany.
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Im Zwickauer Bahnhof stimmen junge Leute das Steigerlied an. Schnitt. Begegnung im Zugabteil auf der Fahrt nach Altenburg mit Hiltrud Kuhlmann. Die 42-jährige Werbeökonomin bei der Handelsorganisation (HO) ist mit fünf Geschwistern aufgewachsen, erzählt vom übermächtigen Vater, von ihren beiden Kindern aus zwei Ehen und von einer Ehrung als stellvertretende Direktorin der HO-Werbung in Berlin durch den SED-Genossen Günter Schabowski.
Tanzschule Schaller im thüringischen Altenburg, die älteste Deutschlands: Die 73-jährige Lieselotte Schaller erzählt von (Vor-) Kriegszeiten und dem Neuanfang 1946, als zahlreiche Flüchtlinge aus Ostpreußen mitversorgt werden mussten. Schnitt. Die 37-jährige geschiedene zweifache Mutter Christine Schiele schlägt mit dem Holzhammer gegen Öfen, Rohre und Schächte. Sie arbeitet im Drei-Schicht-Betrieb in der Brikettfabrik Meuselwitz bei Altenburg und absolviert diesen Rundgang täglich achtmal, damit sich kein Kohlenstaub ansetzt. Die gelernte Gärtnerin ist als Bauerntochter harte Arbeit gewohnt, ist aber auch daheim stark gefordert: ihre Tochter ist behindert. Christine Schiele kritisiert die Gesellschaft, die ihrer Doppelbelastung als Alleinerziehende zumeist verständnislos gegenübersteht.
Nach einer Bildsequenz aus dem Führerstand einer Lok im Leipziger Hauptbahnhof mit subjektiver Kamera und einem schlaglichtartig-kurzen Besuch in der Puppenklinik Helene Welt in Delitzsch, wo wir lernen, dass es Puppen mit Mama-Stimmen und sogar mit Bären-Stimmen, aber keine mit Papa-Stimmen gibt, kommt Helke Misselwitz mit Anja und Kerstin ins Gespräch, zwei 16-jährigen Punkerinnen, die von Zuhause abgehauen sind. Erstere hat weder Bock auf ihre sich ständig streitenden Eltern noch auf die Schule, Letztere lebt bei ihrer Mutter: der Vater saß im Knast und ist dann „rübergegangen“. Zu ihm besteht seitens des Staates Kontaktverbot, wofür Kerstin kein Verständnis hat. Beide landen, so die Regisseurin aus dem Off, später in einem der berüchtigten Jugendwerkhöfe.
Wieder im Zug – mit einer fünfköpfigen Familie. Der Vater hat früher Strumpfhosen gefärbt, arbeitet jetzt bei der Staatl. Versicherung in Zwickau. Er beklagt die exorbitanten Preiserhöhungen in jüngster Zeit, die durch das Kindergeld nicht aufgefangen werden. Schnitt. Das frisch verheiratete Paar Helga und Andreas Gerlach aus Greiz verbringt die Flitterwochen in einem Berliner Jugendtouristhotel, das seit kurzem über eine Hochzeitssuite mit französischem Bett verfügt. Schnitt. Eine ungenannte Berliner U-Bahn-Fahrerin, seit über 20 Jahren bei der BVG, muss am Int. Frauentag arbeiten – und findet das normal. Schnitt. Die Adlershofer Nachrichtensendung „Aktuelle Kamera“ berichtet über Erich Honeckers Ehrung verdienter Frauen mit der Clara-Zetkin-Medaille.
Junge Mädchen im Zugabteil träumen vom eigenen Haus, auch von Kindern, aber nicht vom Heiraten. Im Autokino läuft Heiner Carows „Die Legende von Paul und Paula“ mit Angelica Domröse und Winfried Glatzeder. Im winterlichen Groß Fredenwalde, einem kleinen Dorf in der Lausitz, feiern Margarete und Hermann Busse Diamantene Hochzeit. Die 85-Jährige stellt ihrem Hallodri von Gatten kein gutes Zeugnis aus: „So gut ist der nicht, ich hätte einen besseren Mann heiraten sollen, ich hatte auch einen gehabt, Vater hat ihn mir besorgt, er war ein Förster - ich darf gar nicht daran denken.“
In der Diskothek läuft DDR-Mucke, „Freitagabend in Berlin“ der Punkband „Die Anderen“. Nach der Sperrstunde wird gefegt – und die Kamera fängt durch eine geöffnete Hintertür das „DDR“-Nationalitätskennzeichen eines parkenden Autos ein. Schnitt. Junge Rekruten der Nationalen Volksarmee marschieren zum Bahnhof Neubrandenburg, wo sie von ihren Liebsten verabschiedet werden. Schnitt. Die Frauen der Brigade Ilse Braatz im Fischwerk Saßnitz auf Rügen beklagen die hohe Scheidungsrate, die auch am Schichtsystem liege – und stets auf Kosten der Kinder gehe. Schnitt. Erika Banhardt, 55-jährige ledige Mutter zweier Kinder, ist stellvertretende Bürgermeisterin und Kreistagsabgeordnete in Nienhagen an der Ostsee, wo sie ein Heim für Kinder aus gestörten Familienverhältnissen leitet. Da bleibt kein Raum für Privatsphäre: „Das Leben ist ein Kampf und wird es für mich auch immer bleiben.“
Der Film der Gruppe „Kinobox“ (PL Herbert Kruschke und Peter Mansee) ist die erste abendfüllenden Dokumentation, die Helke Misselwitz als Meisterschülerin Heiner Carows an der Akademie der Künste realisierte: „Winter adé“ brachte ihr eine Festanstellung bei der Defa ein. Einen Tag nach der Kinopremiere am 2. Februar 1989 im Toni Berlin-Weißensee lief „Winter adé“ landesweit an und wurde am 15. November 1989 im Fernsehen der DDR erstausgestrahlt, die West-TV-Premiere erfolgte bereits am 28. November 1989 im ZDF.
Pitt Herrmann