Wäscherinnen

DDR 1972 Kurz-Dokumentarfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
Junge Frauen in einheitlichen weißen Kitteln stehen an gewaltigen Trommeln, in denen Wäsche bei offenbar erheblichen Temperaturen gewaschen wird. Es dampft und qualmt, dazu kann man bei dem Lärmpegel nur ein paar Satzfetzen von dem Gespräch der offenbar gut gelaunten, sämtlich weiblichen Lehrlingen der VEB Rewatex in Berlin-Heinersdorf verstehen.

Jürgen Böttcher zeigt in seinem 23-minütigen schwarz-weißen Kurzfilm sehr ungeschminkt den Alltag, die körperlich schwere Arbeit der Rewatex-Lehrlinge an den gewaltig dimensionierten Waschmaschinen-Trommeln und den die ganze Breite der Pankower Industriehalle füllenden Rollen, zwischen denen die saubere Wäsche geplättet wird. Welche schließlich zusammengelegt und versandfertig verpackt wird. Man spürt die Sympathie für, ja geradezu die persönliche Nähe der Filmemacher zu den jungen und häufig naiv-versponnenen Arbeiterinnen.

Kühler, distanzierter, geradezu oberlehrerhaft dagegen wirkt die Stimme des Sprechers Wolfgang Ostberg, die aus dem Off zu vernehmen ist: „Es gibt keinen Beruf, der besonders wichtig ist, keinen. Alle sind wichtig.“ Wie die folgenden kurzen Einblicke belegen sollen, die Auszubildende beim Wursten in einer Fleischfabrik zeigen und Bäckerlehrlinge in der Umkleide: „Berufe, von denen unser leibliches Wohl abhängt.“

Die 180 Lehrlinge, die hier in Heinersdorf täglich bis zu 18.000 Wäschestücke bewältigen, unterstützen mit ihrer nicht gerade abwechslungsreichen, aber kräftezehrenden Arbeit die werktätigen Frauen in der DDR. Waschen, mangeln, bügeln, sortieren, packen und dann ab zur Expedition: bis zum Abschluss als Textilreinigungs-Facharbeiterin müssen die Mädchen zwei Jahre schuften. Was der moralisierende Kommentator den Mädchen mit der Entwicklung ihres eigenen Schönheitssinnes und dem Appell an ihr Verantwortungsgefühl schmackhaft zu machen versucht: Dienstleistung ist sorgsamer Umgang mit fremdem Eigentum.

Weil Rewatex nur weibliche Lehrlinge hat, organisiert der Volkseigene Betrieb Freizeitveranstaltungen mit den Jungs von der Straßenreinigung. Jürgen Böttchers Kurzfilm ermöglicht so nicht nur einen Blick hinter die Kulissen einer fremden und dem Betriebsfremden natürlich unzugänglichen Welt, sondern auch in den Alltag einer Generation, die dem erklärten Willen der SED-Ideologen nach den neuen sozialistischen Menschen verkörpern soll.

Das tut sie hier, gedreht wurde im März 1972, höchst unbefangen und voller Lebensfreude. Auch wenn die Zukunftsvorstellungen der sich betont unpolitisch gebenden jungen Frauen heute, 44 Jahre später, als der Filmemacher Robert Thalheim im Berliner „Arsenal“ in Anwesenheit Jürgen Böttchers drei Dokumentarfilme seines älteren Kollegen und Vorbildes vorstellte, kleinbürgerlich und kitschig erscheinen mögen: ihre Unbeschwertheit hat auch mit der Sicherheit ihrer Arbeitsplätze und der staatlichen Rundumversorgung von der Wiege bis zur Bahre zu tun. Das dabei manche Wünsche unberücksichtigt bleiben, gerade auch was die eigene Berufswahl betrifft, kehrt Böttcher, selbst „gebranntes Kind“, nicht unter den Tisch: Wer Feinmechanikerin werden wollte und jetzt in der Großwäscherei gelandet ist, kann vor der offiziösen Defa-Kamera nur eine möglichst gute Miene zum bösen staatlichen Spiel machen. „Wäscherinnen“ ist 1973 beim VIII. Internationalen Filmfestival Moskau mit dem Ehrendiplom der Kurzfilmjury ausgezeichnet worden.

Pitt Herrmann

Credits

All Credits

Duration:
632 m, 23 min
Format:
35mm, 1:1,33
Video/Audio:
s/w
Screening:

Uraufführung (DD): 10.11.1972;
Aufführung (DD): 19.11.1972, Leipzig, Internationale Dokumentar- und Kurzfilmwoche, Capitol;
Erstsendung (DE): 16.10.1973, ZDF

Titles

  • Originaltitel (DD) Wäscherinnen
  • Weiterer Titel (DD) Rewatex
  • Weiterer Titel (DD) Laundry Women

Versions

Original

Duration:
632 m, 23 min
Format:
35mm, 1:1,33
Video/Audio:
s/w
Screening:

Uraufführung (DD): 10.11.1972;
Aufführung (DD): 19.11.1972, Leipzig, Internationale Dokumentar- und Kurzfilmwoche, Capitol;
Erstsendung (DE): 16.10.1973, ZDF