Eine Geschichte von drei Schwestern

Türkei Deutschland Niederlande Griechenland 2017-2019 Spielfilm

Summary

A Tale of Three Sisters

The three sisters Reyhan (20), Nurhan (16) and Havva (13) all live with their father in a remote village in central Anatolia. One after the other they were sent away to town to work as housemaids, but each of them has now returned. The last of the sisters to do so is Nurhan. She beat the local doctor’s son because he wet his bed every night. When Reyhan returned home pregnant, her father hastily married her off to the shepherd, Veysel. One day, the inebriated Veysel rises up against the village elder; his actions have dramatic consequences. Even if the dream of a better future does not come true for any of these young women and they always seem to be getting into arguments with each other, they nonetheless steadfastly stick together. While they wait for the snow-covered roads to become passable again, father and daughters pass the time with stories.

Emin Alper, who grew up in the Anatolian mountains himself, unfolds his fairy tale in haunting images. He portrays a society in which neither women nor men have a chance to break their predetermined cycle, and yet he still leaves room for hope.

Source: 69. Internationale Filmfestspiele Berlin (Catalogue)

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Heinz17herne
Heinz17herne
In der türkischen Provinz Anatolien war es früher weit verbreitet, dass wohlhabende städtische Familien Pflegekinder aufnahmen. Diese „Besleme“ waren nicht einfach nur Bedienstete oder, wie man heute sagen würde, Au-pair-Mädchen, sondern Familienmitglieder, welche ihre Gasteltern mit „Vater“ und „Mutter“ anredeten. Vielfach war es für Mädchen aus armen Familien die einzige Möglichkeit, aus ihrem Heimatdorf herauszukommen und Zugang zu Bildung zu erlangen. Nicht selten mit der Chance einer Heirat mit einem vergleichsweise gebildeten Städter.

Die 15-jährige Havva hat als eine solche Besleme gearbeitet, sich um den Haushalt und Turan, das kleine Kind der Familie, gekümmert. Als dieses plötzlich stirbt, wird Havva durch eine karstige Steinwüste hindurch wieder in ihr entlegenes Bergdorf in Zentralanatolien zu ihrem verwitweten Vater Sevket zurückgebracht. Mit ihm zusammen leben Reyhan, seine mit 20 Jahren älteste Tochter, und deren Mann Veysel. Auch Reyhan hat in der Stadt als Besleme gearbeitet, beim angesehenen Arzt und Tankstellen-Besitzer Necati Bey. Ist dort aber, als sie angeblich vom Apothekerlehrling geschwängert worden ist, in Unehren entlassen und gegen ihren Willen mit dem ärmsten Mann des Heimatdorfes, dem Schafhirten Veysel, verheiratet worden. Es geht freilich das Gerücht, dass in Wahrheit der Hausherr Vater des Kindes ist.

Es dauert nicht lange, da bringt Necati Bey mit der 16-jährigen Nurhan auch die dritte Tochter Sevkets ins Elternhaus zurück. Seine Frau will die, so Reyhan, „verfluchte Hexe mit spitzer Zunge“ nicht mehr sehen, seit sie ihren bettnässenden Sohn geschlagen hat. Offenbar nicht der erste Vorfall der jähzornigen Besleme, weshalb sich der Arzt dagegen sträubt, es nun mit der dritten Schwester Havva zu versuchen. Für alle drei Töchter Sevkets hat sich der Traum von einer besseren Zukunft nicht erfüllt – und die Gegenwart verspricht keine Besserung. Im Dorf gibt es keine Arbeit, viele wie der alte Nuri (Mehmet Akin) klauben sich Kohle aus der längst geschlossenen, einsturzgefährdeten Mine, um sich mühsam über Wasser zu halten.

Reyhan führt eine freudlose Ehe mit ihrem aus ihrer Sicht allzu einfältigen Gatten, der weder lesen noch schreiben kann, aber davon träumt, in der Stadt einen auskömmlichen Job zu bekommen. Denn nachts draußen die Schafe zu hüten, hat er gründlich satt, fürchtet sich nicht nur vor Schlangen, Wölfen und Unwetter, sondern auch vor zwielichtigen Gestalten wie zwei angeblichen Viehhändlern (Emin Alper und Selim Güntürkün), die es auf die 50 Schafe der Dorfbewohner abgesehen haben.

„Die Mädchen haben mich blamiert“ lässt sich Sevket gegenüber Necati Bey und dem Dorfvorsteher vernehmen, bemüht sich aber gleichzeitig, die jüngeren Töchter wieder in der Stadt unterzubringen. Deren familiäre Bande ist bei allem Streit untereinander freilich stark und als Nurhan mitten im Winter ernstlich erkrankt, sind ihre Schwestern bereit, sie notfalls über den zugeschneiten und für den Verkehr gesperrten Pass ins städtische Krankenhaus zu tragen. Als Veysel, der sich von Reyhan – auch sexuell – gedemütigt fühlt, unter Alkoholeinfluss im Kamin so stark herumstochert, bis der Kessel aus der Verankerung fällt und das Baby vom heißen Wasser verbrüht wird, ist Reyhans Entschluss, zur Tante in die Stadt zu ziehen, endgültig. Zumal die als verrückt geltende, noch im Schnee ständig Purzelbäume schlagende Hatice den am Baum erhängten Veysel gefunden hat. Während sie darauf warten, dass die verschneiten Straßen wieder passierbar werden, vertreiben sich Sevket und seine Töchter die Zeit mit Geschichten. Als der Vater das Märchen von den drei undankbaren Mädchen erzählt, schläft Nurhan ein. Für immer?

„Eine Geschichte von drei Schwestern“, am 19. April 2019 unter dem Originaltitel „Kız Kardeşler“ beim Ankara International Filmfestival erstmals in der Türkei gezeigt, ist auf zahlreichen Festivals mit Preisen überhäuft worden. Der Film, der am am 25. August 2021 als Free-TV-Premiere bei Arte zu sehen ist, fesselt mit der Kargheit der Landschaft, der Einfachheit des Lebens und den sich stets verändernden Gemütslagen der Protagonisten. Die allesamt weder gut noch böse sind – vom verzweifelten Veysel über die drei Schwestern bis hin zu Necati Bey, einer Brecht-Figur, die im betrunkenen Zustand zum guten Menschen mutiert.

Ermin Alper im Grandfilm-Presseheft: „Der Film untersucht nicht nur soziale Ungleichheit, die Suche nach einem Ausweg, die Hoffnungen und Erwartungen, die an eine neue Umgebung gekoppelt sind, sondern auch die Hoffnungslosigkeit und den Mangel an Perspektiven, den insbesondere arme Menschen erleben. (…) Dies ist keine spezifische Geschichte, die an einem bestimmten Ort stattfindet, sondern eine universelle, da Menschen ständig mit ähnlichen sozialen Situationen und Gefühlen konfrontiert werden, egal, in welcher Weltregion oder in welchem Kontext sie sich befinden.“

Pitt Herrmann

Credits

All Credits

Duration:
108 min
Format:
DCP 2K, 1:1,85
Video/Audio:
Farbe, Dolby
Screening:

Uraufführung (DE): 11.02.2019, Berlin, IFF - Wettbewerb;
Kinostart (DE): 04.06.2020;
Veröffentlichung (DE): 02.12.2020, VoD

Titles

  • Weiterer Titel (DE) A Tale of Three Sisters
  • Weiterer Titel (TR) Kız Kardeşler
  • Arbeitstitel Sisters
  • Originaltitel (DE) Eine Geschichte von drei Schwestern

Versions

Original

Duration:
108 min
Format:
DCP 2K, 1:1,85
Video/Audio:
Farbe, Dolby
Screening:

Uraufführung (DE): 11.02.2019, Berlin, IFF - Wettbewerb;
Kinostart (DE): 04.06.2020;
Veröffentlichung (DE): 02.12.2020, VoD

Awards

Filmfestival Türkei Deutschland 2021
  • Preis für die beste Regie
World Cinema Amsterdam 2019
  • World Cinema Amsterdam Exchange Award
Sarajevo Film Festival 2019
  • CICAE Art Cinema Award
  • Heart of Sarajevo, Beste Regie
IFF Istanbul 2019
  • FIPRESCI Preis, Bestes Ensemble
  • FIPRESCI Preis, Beste Musik
  • FIPRESCI Preis, Beste Regie
  • FIPRESCI Preis, Bester Film