Credits
Director
Screenplay
Director of photography
Editing
Music
Production company
All Credits
Director
Screenplay
Script editor
Director of photography
Editing
Miscellaneous
Music
Voice
Production company
Original distributor
DVD distributor
Duration:
396 m, 14 min
Format:
35mm
Video/Audio:
Orwocolor, Ton
Screening:
Erstaufführung (DD): 07.03.1980;
Aufführung (DE): 21.04.1980, Oberhausen, IFF
Titles
- Originaltitel (DD) Der Schneider von Ulm
Versions
Original
Duration:
396 m, 14 min
Format:
35mm
Video/Audio:
Orwocolor, Ton
Screening:
Erstaufführung (DD): 07.03.1980;
Aufführung (DE): 21.04.1980, Oberhausen, IFF
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„Bischof, ich kann fliegen / Sagte der Schneider zum Bischof. / Paß auf, wie ich’s mach! /
Und er stieg mit so ‘nen Dingen / Die aussahn wie Schwingen / Auf das große, große Kirchendach“: Der Schauspieler Alexander Lang spricht die ersten Zeilen des Gedichts „Ulm 1592“, das Bertolt Brecht im Mai 1937 in seine „Kinderlieder für Helli“ (Helene Weigel) aufgenommen hatte, im Jahr darauf auch in die Sammlung „Kinderlieder“ aus 13 Gedichten, die zwischen 1925 und 1938 geschrieben worden sind, und 1948 schließlich in die „Kalendergeschichten“.
Die Jahreszahl „1592“ soll, so der Kommentar zur Großen kommentierten Berliner und Frankfurter Brecht-Ausgabe, auf die Entdeckung Amerikas 1492 durch Kolumbus anspielen. Der historische Schneider von Ulm, der 1811 vergeblich versuchte, von der Stadtmauer Ulms über die Donau zu fliegen, hieß übrigens Albrecht Ludwig Berblinger.
Aus dem Nebel in der Ferne wird sie Silhouette des Doms sichtbar, dann die Dächer der Häuser in seiner Umgebung. Die Kamera scheint in die Tiefe der Kanalisation einzutauchen, so realistisch erscheint zunächst die filigrane Gestaltung des 1948 in Leipzig geborenen Malers, Grafikers und Filmemachers Lutz Dammbeck. Aus Öffnungen aller Art, aber auch aus Chimären und häufig als Wasserspeier genutzten Gargoylen fließt gallerartartiger pinker Schleim.
Der Dom besteht aus einem gemauerten Turm in Form eines vertikal gedehnten Gesichts mit riesigem, ständig sprechendem Mund, einem langen Nasen-Zylinder und einem Zyklopen-Auge unter dem Dachfirst. Typische Dammbecksche Figuren, hier aber noch mit Unterleib, bevölkern den Ort und den Kirchplatz, stecken entweder in Schleimhaufen fest und rudern gymnastisch mit den Armen oder fressen sich auf allen Vieren kriechend buchstäblich durch die ekelerregende Masse hindurch. Auch das gotische Gewölbe im Inneren des Turms, welcher durchaus als Bischof interpretiert werden kann, weist zahllose Schleimkanäle auf.
In auch farblich großem Gegensatz das Kreativität und Innovationsfreudigkeit ausstrahlende Schneider-Atelier mit Puppen, an denen noch unfertige Kleider mit Stecknadeln befestigt sind. Allerhand (Dampf-) Maschinen sind in permanenter Bewegung und zeugen vom Erfindungsreichtum der Titelfigur, die mit großen auf den Rücken geschnallten Flügeln die Kirchturmspitze besteigt. Und sich in Le Bleu-Blanc-Rouge, den Farben der französischen Revolution, in die Lüfte erhebt.
Der Schneider umkreist den Dom mehrfach, entfernt sich von der bedrückend engen, düsteren Stadt - und strandet doch wie Ikarus: „Der Mensch ist kein Vogel / Es wird nie ein Mensch fliegen / Sagte der Bischof den Leuten.“ Zu den Worten Alexander Langs flattern Dutzende Federn nicht nur in den Farben der Trikolore auf den Kirchplatz.
Die Titelfigur ist bei dem Versuch, sich von der Macht des Bischofs zu befreien, gescheitert. Aber wenn man Lutz Dammbecks nur auf den ersten Blick skurril-surreale Adaption, eine Produktion der Gruppe Kontakt (PL Sybille Pahl) des Defa-Studios für Dokumentarfilme (Filmarchitektur: Frank Wittstock, Animation: Heiko Ebert), ernst nimmt, war es den Versuch wert. Sein nächster Kurz-Experimentalfilm, „Einmart“, gilt als eine Fortschreibung des „Schneider von Ulm“. Die im Dresdener Defa-Studio für Trickfilme entstandene Allegorie, mit orientierungslos in wüster Gegend umherirrenden Kopffüßlern noch desillusionierender, noch abgründiger, wurde seinerzeit für den Wettbewerb der Kurzfilmtage Oberhausen nicht zugelassen.
Pitt Herrmann