Summary
Corinna Schmidt
Berlin in 1878: Corinna Schmidt, who was brought up in a petit-bourgeois, academic family, is romantically interested in Leopold Treibel, the son of the lordly councillor of commerce Jenny Treibel – although Corinna is also deeply in love with her cousin Marcel. Leopold is also falling for cute Corinna, and Jenny Treibel tries to prevent their friendship by all means, but changes her opinion when their secret engagement becomes public. To avoid a scandal, she urges them to marry quickly. But Corinna soon withdraws from this complicated situation and again turns to her cousin, who is banished from the country for his social democratic beliefs.
The contents of this entry were funded with the support of the DEFA-Stiftung.
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Was nicht zuletzt der gegenüber der Öffentlichkeit sorgsam verborgenen Tatsache geschuldet ist, dass Jenny und Willibald einmal ein Liebespaar waren, Erstere sich dann aber lieber für den erfolgversprechenden Berliner Blau-Fabrikanten und nunmehrigen Kommerzienrat Treibel entschieden hat. Der keine Skrupel hat, in seinem Unternehmen noch mehr giftiges Eisenvitriol für die blauen Uniformen der preußischen Soldaten einzusetzen, dessen Dämpfe die Gesundheit seiner Arbeiter angreifen.
Aus dieser konventionellen, aber nicht unglücklichen Verbindung sind mit Otto und dem jüngeren Leopold zwei Söhne entsprungen. Während der ältere Bruder mit der eleganten Salonlöwin Helene verheiratet ist, ist der jüngere noch zu haben, aber „nicht unter 500.000“, wie Schmidt seiner Tochter Corinna eröffnet, die sich offenbar Hoffnungen macht, ihren Gespielen seit frühen Kindertagen einmal ehelichen zu können. Obwohl sie seit geraumer Zeit mit ihrem Vetter Dr. Marcel Wedderkopp liiert ist, einem Gymnasiallehrer, der Bismarcks Sozialistengesetze mit Beiträgen in einer sozialdemokratischen Zeitung bekämpft und damit in Gefahr gerät, selbst unter sie zu fallen und vom Öffentlichen Dienst ausgeschlossen zu werden.
Treibel feiert mit anderen Fabrikanten die zu Optimismus Anlass gebende wirtschaftliche und politische Lage, als mit Leutnant a. D. Vogelsang der Vorsitzende der noch recht jungen Royaldemokratischen Partei eintrifft, um vor potentiellen Geldgebern sein Programm vorzustellen. Treibel gehört bereits zu den Sponsoren, obwohl ihm die Konservative Partei inhaltlich nähersteht. Doch dem Blau-Fabrikanten fehlt nach realistischer eigener Anschauung das blaue Blut, um sich in diesen Kreisen wohl fühlen zu können.
Beim Empfang im Hause Treibel ist Corinna mit Marcel erschienen, scherzt und tanzt aber ausgiebig mit Leopold. Sie raucht sogar dessen Zigarre an, was der Genosse Wedderkopp „unweiblich“ findet und sich darin einig ist mit Frau Kommerzienrätin und ihren alten Schachteln von Hofdamen. Während Kammersänger Krola die Gesellschaft musikalisch unterhält, kommen sich Corinna und Leopold im Garten näher. Sie gibt gegenüber dem eifersüchtigen Marcel, dem das Geturtel der beiden vor allem peinlich ist, offen zu, dass sie, wenn Leopold sie wollte, nicht ablehnen würde. Auch den Gastgebern ist das neue intime Verhältnis nicht verborgen geblieben: um die drohende Mesalliance zu verhindern, lädt Jenny mit Hildegard Munk die in Hamburg lebende Schwester ihrer Schwiegertochter Helene nach Berlin ein.
Nachdem im beliebten Ausflugslokal Eierhäuschen (neben der Färberei in Spindlersfeld der einzige authentische Drehort, die Gründerzeit-Milieus entstanden komplett in den Babelsberger Studios) der erste Kuss zwischen Corinna und Leopold gefallen ist, dem sogleich die heimliche Verlobung folgt, versuchen seine Mutter und ihr Vater, die sich anbahnende Verbindung noch zu verhindern. Vergebens: Corinna ist eine emanzipierte junge Frau, die sich in Liebessachen nicht hereinreden lässt. Als die Verlobung durch eine Zeitungsindiskretion öffentlich bekannt wird, drängt Jenny Treibel auf eine baldige Hochzeit. Doch Corinna geht Marcels Schicksal, der nach einer Polizeiaktion in der Redaktion der Zeitung „Freies Wort“ („Die Bude wird hier dichtgemacht“) tatsächlich seinen Lehrerberuf verliert, zu nahe: Er muss das Land verlassen. Ausgerüstet mit einem von August Bebel und Karl Liebknecht persönlich unterschriebenen Parteiausweis wird er am Bahnhof durch die Genossen mit „großem Bahnhof“ verabschiedet. Mitten unter ihnen Corinna, die von jungen Arbeitern untergehakt und mitgenommen wird: „Wir haben doch den gleichen Weg.“
Von einer werkgetreuen Klassikerverfilmung des Romans „Frau Jenny Treibel oder Wo sich Herz zum Herzen find’t“, der von Januar bis April 1892 in der „Deutschen Rundschau“ vorabgedruckt wurde, bevor er Ende 1892 als Buch herauskam, kann hier wirklich nicht die Rede sein. Bei Theodor Fontane, wo die bürgerlich-konservative Jenny Treibel ganz im Mittelpunkt steht und Arbeiter so gut wie gar nicht vorkommen, finden sich am Ende zwar auch Corinna und der mit zwei „l“ geschriebene Marcel, der aber hat soeben eine Stelle als Gymnasial-Oberlehrer angetreten, sodass materiell gesichert geheiratet werden kann.
Bei Arthur Pohl (sein Vorname wird zu DDR-Zeiten ohne „h“ geschrieben) ist Corinna Schmidt als Titelheldin in den Vordergrund gerückt. Diese Romanfigur hatte Fontane nach dem Vorbild seiner Tochter Martha gestaltet, die 1860 zur Welt kam zu einer Zeit, in der sich ihr 40-jähriger Vater noch als Journalist herumschlagen musste. Martha, eine ausgebildete Lehrerin, begleitete Theodor Fontane auf Reisen und korrespondierte ausführlich mit dem erst allmählich anerkannten Literaten. Die beiden Kameraleute Eugen Klagemann und Rudi Radünz, deren Qualität in einer Ballszene zum Ausdruck kommt, in der Kamera und Montage die Figuren im Rhythmus der Musik in Beziehung setzen, zeigen die hochherrschaftlich-dekadente Welt der Treibels immer wieder aus der Dienstbotenperspektive, prangern die Kinderarbeit an, zu der sich die teuerste Import-Zigarren rauchenden Fabrikanten ganz selbstverständlich bekennen und offenbaren die repressiven Folgen der Bismarckschen Sozialistengesetze.
Der hochkarätig besetzte Film ist von einem in Charlottenburg lebenden Regisseur, dem zehn Prozent seines Defa-Gehaltes in DM-West ausgezahlt wurde, mit bekannten Ufa-Stars wie Trude Hesterberg, Bühnenschauspielern wie dem Dresdener Willi Kleinoschegg und mit Gästen aus dem kapitalistischen Ausland wie Peter Podehl gedreht worden. Weshalb es bald Kritik an der ersten eigenständigen Fontane-Adaption nach dem Zweiten Weltkrieg hagelte und Pohl 1957 als letzter West-Regisseur seine Defa-Tätigkeit beendete.
Die erste Verfilmung des Romans „Frau Jenny Treibel“ überhaupt regte das Politbüro des SED-Zentralkomitees Ende Juli 1952 zu einer Resolution über die Verfilmung klassischer Stoffe an. Vorausgegangen waren kritische Rezensionen in der DDR-Presse nach der Premiere. So schrieb Hans Ulrich Eylau in der „Berliner Zeitung“ am 23. Oktober 1951 unter der Überschrift „Zu frei nach Fontane“, dass eine Adaption „im Sinne, im Stile, in der ursprünglichen Haltung der Vorlage und ihres Schöpfers“ geschehen müsse. In der Resolution „Für den Aufschwung der fortschrittlichen deutschen Filmkunst“, veröffentlicht 1952 in der „Neuen Filmwelt“ (Heft 9), heißt es, „daß die Verfilmung von klassischen Stoffen mit der größten Verantwortung und nach sorgfältiger Auswahl aufgrund exakter wissenschaftlicher Forschung zu erfolgen hat. Das Politbüro warnt vor allen Tendenzen einer Vulgarisierung des Marxismus in bezug auf die Bearbeitung (…) des deutschen Kulturerbes (…).“
Pitt Herrmann