Buñuel im Labyrinth der Schildkröten

Spanien Niederlande Deutschland 2018 Animationsfilm

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Heinz17herne
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In einem Pariser Cafe wird heftig über den Surrealismus gestritten. Welchen Sinn hat die Kunst? Um sich als Künstler selbst auszudrücken? Um die Welt zu verändern? Um wenigstens die Kinobesucher aufzurütteln? Letzteres hat immerhin geklappt, als 1930 in Paris Luis Buñuels früher Film „Das goldene Zeitalter“ einen regelrechten Skandal auslöste, der bis zum Papst im Vatikan Wellen schlug. Allerdings gab es auch positive Stimmen, darunter die vom Künstlerkollegen und Übervater Salvador Dali. Und ein Script von Eli Lotar für einen Dokumentarfilm über das Armenhaus Spaniens, die Extremadura. In das sich der junge Filmemacher Tag und Nacht vertieft – bis der Aschenbecher überquillt.

Buñuel reist nach Aragonien und trifft sich in Huesca mit seinem Freund, dem anarchistischen Schriftsteller und Bildhauer Ramón Acín, um Geld für den Film zu sammeln. Aber außerhalb von Paris kennt niemanden den aufstrebenden Filmemacher, sodass Ramón ihm nur versprechen kann, als Produzent zu fungieren, wenn er in der Weihnachtslotterie gewonnen hat. Gesagt, getan. Im Jahr darauf reisen beide in die westspanische Bergregion an der Grenze zu Portugal, um den halbstündigen Film „Las Hurdes – Land ohne Brot“ zu drehen. Aus Paris kommen mit Eli Lotar der Kameramann und Buñuels Mitarbeiter Pierre Unik hinzu, das vierköpfige Team mietet sich in einem Kloster ein, um von dort aus das 50 kleine Dörfer mit rund achttausend Bewohnern umfassende Gebiet zu bereisen. Nach einer langen Autofahrt geht es häufig noch zwei Stunden und mehr zu Fuß weiter in dem von der Zivilisation abgeschnittenen Gebiet, sodass die Filmleute bisweilen noch vor den Mönchen aufstehen.

„Fake Images“ würde man heute zu diesem Dokumentar-Spielfilm sagen, dessen spektakuläre Szenen gestellt, ja bewusst herbeigeführt worden sind ohne Rücksicht auf Verluste – von abstürzenden Ziegen im Gebirge, die zuvor erschossen werden mussten, über einen auf gleiche Weise final erlösten Esel, der von mehreren Bienenvölkern attackiert wird, bis hin zu einem an der Wäscheleine baumelnden Hahn, dem der Kopf abgerissen wird. Luis Buñuel verteidigt diese bewusst Emotionen hervorrufenden fiktionalen Elemente gegenüber seinen Mitstreitern, aber auch einem erzürnten Bürgermeister als „dramatische Wiedergabe, was passiert ist“, schließlich soll „Les Hurdes“ die bürgerliche Gesellschaft Spaniens aufrütteln. Als der Schnitt 1933 abgeschlossen ist, stoßen Buñuel und der inzwischen versöhnte Ramón Acín in Madrid auf den gelungenen Film an. Der freilich sogleich verboten wird.

Nachdem am 18. Juli 1936 der spanische Bürgerkrieg begonnen hat, wird Ramón Acín am 6. August 1936 von Francos Armee hingerichtet, 17 Tage später wird seine Gattin, Conchita Monrás, ebenfalls von den Falangisten erschossen. Erst Ende 1936 erlaubt die republikanische Regierung die Uraufführung, streicht Ramón Acín aber aus dem Abspann. Als Luis Buñuel 1960 „Las Hurdes - Tierra sin pan“ erneut veröffentlicht, setzt er den Namen seines Freundes in den Abspann ein und gibt alle Einnahmen an Ramón Acíns früh verwaiste Töchter Katia und Sol weiter…

„Buñuel en el Laberinto de las Tortugas“, uraufgeführt am 20. Oktober 2018 in Los Angeles beim Animation Is Filmfestival, ist ein 75-minütiger Hybrid aus Animations- und Dokfilm (mit Ausschnitten aus „Las Hurdes“). Er beruht auf der Graphic Novel von Fermín Solís und verbindet die Entstehungsgeschichte des Dokumentar-Spielfilms mit der Biographie des Regisseurs, die ins Jahr 1909 und nach Calanda in der spanischen Region Aragón zurückreicht. Für bewegte Bilder in einer ersten Familienvorstellung sorgt eine Laterna Magica, die Luis geschenkt bekommen hatte. In den Alpträumen des erwachsenen Luis erscheint immer wieder der leibliche Vater mit dem charakteristischen Dali-Bart seines künstlerischen Übervaters, aber etwa auch dessen Bilderwelten wie die dürren Elefanten auf den überlangen spillerigen Beinchen.

Der spanische Animationskünstler Salvador Simó studierte Filmregie im Centre d'Estudis Cinematogràfics de Catalunya (CECC) in Barcelona. Er arbeitete für die Animationsstudios Bill Melendez Productions in Los Angeles und Walt Disney Animation in Paris, es folgten Stationen in London und Bangkok. Seit den 1990er Jahren widmet er sich vor allem Kurzfilmen und Fernsehproduktionen. Seine auch ästhetisch außergewöhnliche Animation „Buñuel im Labyrinth der Schildkröten“, eine so liebevoll wie detailreiche Hommage an Luis Buñuel, wird am 30. September 2021 von Arte erstausgestrahlt.

Pitt Herrmann

Credits

All Credits

Duration:
80 min
Video/Audio:
Farbe, Ton
Censorship/Age rating:

FSK-Prüfung (DE): 20.12.2019, 196439, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Screening:

Kinostart (DE): 26.12.2019

Titles

  • Originaltitel (DE) Buñuel im Labyrinth der Schildkröten
  • Weiterer Titel (ES) Buñuel en el laberinto de las tortugas
  • Weiterer Titel Buñuel in the Labyrinth of the Turtles

Versions

Original

Duration:
80 min
Video/Audio:
Farbe, Ton
Censorship/Age rating:

FSK-Prüfung (DE): 20.12.2019, 196439, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Screening:

Kinostart (DE): 26.12.2019

Awards

Europäischer Filmpreis 2019
  • Europäischer Filmpreis, Bester Europäischer Animationsfilm