Voll normal! Darsteller ausländischer Abstammung im aktuellen Kino

Bis Mitte der 90er Jahre galt unter türkischstämmigen Schauspielern in Deutschland die Meinung, dass es "im deutschen Film nur Türkenrollen, aber keine Rollen für Türken gibt". Dieses Bild hat sich mittlerweile gewandelt. Jenseits der vorwiegend humoristisch motivierten Besetzung als wandelnde Klischees in Kinokomödien oder als zwielichtige Gestalten in Fernsehkrimis sowie als "Quotenausländer" in TV-Serien wie "Lindenstraße" hat sich eine ganze Reihe junger transnationaler Darsteller zu festen Größen der deutschen Kino- und Fernsehfilmszene entwickelt: Hilmi Sözer ("Elefantenherz", "Voll Normaal"), Mehmet Kurtulus ("Nackt"), Stipe Erceg ("Die fetten Jahre sind vorbei"), Idil Üner ("Im Juli"), Tamara Simunovic ("Schnee in der Neujahrsnacht") oder Jasmin Tabatabei ("Mondscheintarif") sind nur ein paar der Darsteller/innen mit ausländischen Wurzeln, die in einigen der bekanntesten deutschen Filme der letzten Jahre tragende Rollen spielten.  

 

Dabei präsentiert sich die Riege erfolgreicher Darsteller/innen ähnlich heterogen wie die ihrer Regie-Kollegen. Komödianten wie Hilmi Sözer stehen neben maskulinen Typen wie Mehmet Kurtulus, junge Rebellen wie der Max-Ophüls-Preisträger Stipe Erceq ("Yugotrip") neben melancholischen Wilden wie dem Deutschen Filmpreisträger Birol Ünel ("Gegen die Wand").

 

Quelle: Senator, DIF
Moritz Bleibtreu und Idil Üner in "Im Juli" (2000)
 

Herkunft - Egal?!
Und ganz gleich, ob sie in Filmen deutscher oder ausländischer Regisseure oder Regisseurinnen zu sehen sind: die Herkunft der Charaktere, die diese neue Darstellergeneration verkörpern, spielt häufig eine untergeordnete Rolle. Selbst wenn Hilmi Sözer in "Auslandstournee" einen Türken spielt, der quer durch Europa nach Istanbul reist, oder Serpil Turhan in "Der schöne Tag" eine Berliner Türkin darstellt, speisen sich die Konflikte und Entwicklungen dieser Charaktere aus Themen, die mit der eigenen Herkunft oder der Herkunft ihrer Eltern praktisch nichts mehr zu tun haben. Und wenn Idil Üner in Fatih Akins beschwingtem Roadmovie "Im Juli" eine türkische Traumfrau verkörpert, ist dies vor allem ein bewusstes Spiel mit dem alten Klischee von der "mysteriösen exotischen Schönheit" – wie überhaupt der ganze Film ein Spiel mit diversen Länderklischees treibt. Auf der anderen Seite vollzieht sich die Integration transnationaler Darsteller bisweilen unmerklich: Darsteller mit osteuropäischen Wurzeln beispielsweise werden häufig als Deutsche besetzt. In „Die fetten Jahre sind vorbei“ verkörpert Stipe Erceq ebenso selbstverständlich einen Deutschen wie Lenn Kudrajwizki in "Kiki & Tiger". Wenn man will, lässt sich auch in dieser Casting-Politik eine Methode sehen, Grenzen aufzulösen.