Ich war, ich bin, ich werde sein

DDR 1974 Dokumentarfilm

Chile – ein Grunderlebnis


Klaus Wischnewski, Film und Fernsehen, Nr. 12, 1974


Im Pressematerial des Fernsehens der DDR zum neuen, dem vierten Chile-Film von Walter Heynowski, Gerhard Scheumann und Peter Hellmich – übrigens wie beim "Krieg der Mumien" ein sehr gut gestaltetes, vorbildliches Material – äußern sich Heynowski und Scheumann in einem Interview zu "lch war – Ich bin – Ich werde sein".

"Wir haben noch nicht alles gesagt. Chile ist ein exemplarischer Fall für die revolutionäre Weltbewegung geworden. "Chile-Filme", die über den Report hinausgehen, sind Filme auch über Portugal, Griechenland oder Zypern, um aktuelle Beispiele zu nehmen. Es geht darum, das Exemplarische im Film erlebbar zu machen. (…)"

Heynowski und Scheumann waren nie Vertreter jenes Reportagefilms, der sensationelle oder alltägliche Erscheinungsbilder zu einem atmosphärischen Eindruck montiert (bzw. manipuliert). Diese Methode ist eine Domäne bürgerlicher Fernseh- und Filmpublizistik, die damit den Effekt sowohl liberaler Objektivität wie eines konservativen Geschichtsfatalismus erreicht. H & S waren eher manchmal geneigt – wie auch andere sozialistische Dokumentaristen –, Fakt und Bildmaterial über Gebühr durch Montage und Kommentar für eine Verallgemeinerung zu strapazieren, die über deren tatsächliche Aussagekraft hinauszugehen drohte. Wenig davon in "Krieg der Mumien", kaum noch etwas in "Ich war – Ich bin – Ich werde sein". Statt dessen: der Sache und Wirkung dienliche Verknappung und Versachlichung des Kommentars, Verzicht auf emotional übersteigerte Montagemittel zur Verdeutlichung eines Tatbestandes. Dokumente der Willkür und Brutalität aus dem Herbst 1973 werden knapp und nur erinnernd eingesetzt. Der sich selbst entlarvende Sermon des Nationalstadion-Kommandanten, eines subalternen, dümmlich-eitlen Rassisten, wird durch wenige, harte Standfotos der KZ-Realität gekontert, die Aussagen der Junta-Vertreter werden der Selbst-Dekuvrierung preisgegeben bzw. mit knappen, ironischen Wertungen bedacht. Gerade bei einer solchen Disziplinierung und Überlegenheit fallen einige wenige Texte ab. Sätze wie "Sie können auf Eure Köpfe und Hände. nicht verzichten" (zur Häftlings-Arbeit im Lager Chacabuco) oder der Hinweis, daß nach Berichten "weibliche Häftlinge von den Wachmannschaften mißbraucht werden" (nach den Interviews weiblicher Gefangener in Pisagua) wirken überflüssig und werden – weil im einen Fall nicht stimmig, im anderen nicht durch das konkrete Material belegbar – daher als störend empfunden. Aber wenn man die sich immer wiederholenden Häftlingsbefragungen schon als monoton kritisieren möchte, dann beugt man sich sofort dem erregenden, wahrhaft welt-historischen Fakt: Hier schweigt jegliche "Dramaturgie" und "Montage-Regel" – hier hat jeder das Wort, der nur vor der Kamera erscheinen konnte, hier spricht das revolutionäre Chile zur Welt, knapp, vorsichtig, selbstbewußt.


Ähnliches ist über die Berichte der drei Salpeterarbeiter zu sagen, die im gedanklichen und rhythmischen Zentrum des Films stehen. Die Regie verzichtet auf jegliche Effekt-Steigerung durch Montage und Kommentar. Schmucklos, "ungeschickt", roh, nüchtern wird da über Geschichte der chilenischen Arbeiterbewegung erzählt. Länge, "Unattraktivität" werden in Kauf genommen, Aufmerksamkeit, Achtung, Erkenntnis werden provoziert. Scheinbare Mängel sind hier sehr betont als tatsächliche Tugenden des Films zu behaupten. (Eine Einschränkung ist notwendig: Gerade bei dieser anspruchsvollen Methodik ist von großem Nachteil, daß das Bestreben nach akustisch-atmosphärischer Deckungsgleichheit des Synchronsprechers manchmal zu Lasten der phonetischen Verständlichkeit und Klarheit geht!) (…)

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