Go, Trabi, Go

BR Deutschland 1990 Spielfilm

Go, Trabi, Go


A. Pa., film-dienst, Nr. 3, 05.02.1991

Daß die erste Reaktion des deutschen Kinos auf den Fall der Mauer und die deutsch-deutsche Vereinigung eine Komödie ist und nicht ein tiefsinniger Problemfilm, berührt sympathisch. Die Erwartungen werden noch dadurch positiv bestärkt, daß im Mittelpunkt der annoncierten Komödie ein ebenso putziger wie umweltschädlicher kleiner Kerl steht: ein Trabant, zärtlich auch Trabi genannt, ein Zweitakter-Automobil, einst sichtbares Zeichen für den real existierenden Sozialismus deutscher Provenienz und ein Dauerbrenner für Sachsen-Witze (Ost) als Pendant zu den Ostfriesen-Witzen (West). Freilich, was in der ehemaligen DDR bejubelt wird, muß in den übrigen Bundesländern nicht ungedingt auch begeistern. Vor dem Dresdner Publikum sei der Film ein durchschlagender Erfolg gewesen, heißt es (FAZ, 21.1.1991), immer wieder habe es Szenenapplaus gegeben und zuletzt anhaltenden Jubel. Dieses Wir-Gefühl, die Identifikation von Publikum und Film fehlt außerhalb Sachsens und der früheren DDR. Hierzulande kann sich das Publikum auf Grund dieses Films nicht selbst feiern, wie das die Sachsen offensichtlich tun. Bei uns fällt die Rezeption deutlich weniger enthusiastisch aus – und das zu Recht. Denn an Peter Timms „Trabi“-Film ist die Idee das Beste. Ihre Realisierung hätte ein besseres Drehbuch verdient gehabt. So, wie sich der Film präsentiert, langt die Idee allenfalls für einen Kurzfilm. Auf die lange Distanz des Spielfilms hin ist der Film schlicht langweilig.

Familie Struutz (Vater, Mutter, 17jährige Tochter) kehrt dem Braunkohlenkombinat Bitterfeld den Rücken und fährt mit Goethes „Italienischer Reise“ als Atlas über die Alpen nach Italien. Die drei kommen zum Gardasee, nach Rom, schließlich nach Neapel. Der sie dorthin bringt, ist sozusagen die vierte Person der Reisegesellschaft: „Schorch“, der 20 Jahre alte Trabi, der die Reisenden infolge seiner Anfälligkeit in turbulente Situationen bringt, in denen sie sich allerdings durchweg als geschickt und lebenstüchtig erweisen. Peter Timm, 1973 zusammen mit anderen regimekritischen Künstlern aus der DDR ausgebürgert und seither in der Bundesrepublik Deutschland arbeitend („Meier“, fd 25640; „Fifty-Fifty“, fd 27441) hat nach eigenem Bekunden mit der Story von der Bitterfelder Familie, die mit der Erfüllung ihrer Italien-Sehnsucht ihren Zwickauer Horizont erweitert, keine Ost/West-Problematik behandeln wollen, sondern eine Nord/Süd-Sehnsucht. Als Mitautor am Drehbuch und auch als Regisseur hat sich Peter Timm an diese Vorstellung indes kaum gehalten. Er reiht – durchaus als solche erkennbar – Stereotypen aneinander, hakt kurze Kabarett-Sketche ab – gleich dem Hauptakteur, dem Deutschlehrer Udo, der auf einem Zettel am Armaturenbrett des Trabis die Reisestationen notiert hat und eine nach der anderen ausstreicht. Ein Regie-Einfall, der spätestens beim zweiten Mal verbraucht ist. Die Nähe des Films zum Kabarett ist unverkennbar, ein Gutteil des Personals sind gestandene Kabarettisten: Wolfgang Stumph von der „Herkuleskeule“ in Dresden als Familienvater und Deutschlehrer Udo, Ottfried Fischer mimt in kabarettistischer Überzeichnung seinen westdeutschen Schwager, und Dieter Hildebrandt taucht als einfallsreicher Automechaniker auf. Selbst der Liedermacher Konstantin Wecker ist mit von der Partie. Die „Sketche“, von unterschiedlicher Qualität finden keine Bindung zueinander, die Handlung schreitet fort mit der Fortbewegung des Trabis Bitterfeld, Regensburg, München, Brennerpaß, Gardasee, Rom, Neapel. Eine lange Fahrt, zu lang für Peter Timms filmischen Atem, ihm geht die Puste ziemlich bald aus. Gewiß, es ist ganz nett anzuschauen, daß nicht nur der Trabi auf der Reise Veränderungen unterliegt und am Ende kaum mehr wiederzuerkennen ist, sondern auch die Familie zu einem neuen Lebensgefühl findet, die familiäre Routine erfrischender Spontaneität im Umgang miteinander weicht. Aber diese Entwicklung zieht sich arg hin und wird auch nicht besser durch die – zugegeben nicht ungeschickt – eingestreuten Goethe-Zitate. Positiv anzumerken ist, daß Timm seine Figuren nicht ins Lächerliche zieht; er nimmt „Wessis“ wie „Ossis“ ernst im komödiantischen Spiel. Allerdings, aus der Idee wäre mehr zu machen gewesen; eine blitzgescheite, luzide Komödie. Das ist der Film leider nicht geworden.

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