Ernst Thälmann - Sohn seiner Klasse

DDR 1953/1954 Spielfilm

Ernst Thälmann – Sohn seiner Klasse



Günter Agde (Hg.): Filmarbeit, Berlin/DDR, Henschelverlag,1987




Günter Agde: Ich habe in einer Rede von Willi Bredel gelesen, daß die Thälmann-Filme ein Auftrag an die Autoren waren. Sie selbst haben in vielen Gesprächen über die Thälmann-Filme darauf hingewiesen, daß auch Sie das als einen großen gesellschaftlichen Auftrag empfunden haben. Gab es da so etwas wie einen direkten Parteiauftrag oder einen Regierungsauftrag oder ähnliches?



Kurt Maetzig: Ja, das war eine Auftragsarbeit. Das heißt, es wurde der Wunsch geäußert, es solle ein solcher Film gemacht werden. Und dieser Wunsch, die Regie zu übernehmen, wurde auch an mich herangetragen. Ich habe es als einen Auftrag von Anfang an aufgefaßt. Es ist nicht so ein Auftrag in einer formellen äußeren Form gewesen: "Hiermit werden Sie beauftragt, den Thälmann-Film zu machen", sondern ich wurde schon gefragt. Aber es ist doch ein Auftrag im richtigen echten Sinne insofern, als die gesamte Initiative für dieses Werk "von oben" herunter kam, wenn man solchen Ausdruck überhaupt verwenden will, was eigentlich meinen Auffassungen widerspricht. Es wurde auch insofern ein Auftrag, als die Genossen, die die Initiative gegeben und das Werk in Gang gesetzt haben, sich dann für die verschiedenen Etappen der Fertigstellung verantwortlich fühlten. Also zum Beispiel schon für die Betrauung des Regisseurs oder die Besetzung des Hauptdarstellers usw. Dann hat man den Film auch in den verschiedenen Stadien der Fertigstellung vorgeführt. Das Buch wurde auch besonders abgenommen, noch einmal diskutiert, und zwar im Politbüro der SED.




G. A.: In Anwesenheit der beiden Autoren und des Regisseurs?


K. M.: Ja.



G. A.: Gab es anschließend noch Änderungen?



K. M.: Das kann schon sein. Man darf sich das allerdings nicht eng vorstellen, nicht etwa in dem Sinne: "Also am soundsovielten Bild ist noch etwas zu ändern." Die Genossen haben diese Unterhaltungen sehr zurückhaltend geführt, das heißt, sie haben ihre politischen Meinungen ausgedrückt und haben manchmal ihr Behagen oder Unbehagen ausgedrückt. "Aber das Künstlerische ist Eure Sache", haben sie gesagt. Und wir haben uns dann hinterher zusammengesetzt und untersucht: "Was haben die Genossen gemeint, was haben sie ausdrücken wollen? Haben wir dieses richtig, jenes falsch gemacht? Gucken wir uns das daraufhin noch einmal an!" Und wir haben dann auch verändert. Das war kein grobes Eingreifen, sondern wirklich eine respektvolle Zusammenarbeit.


G. A.: Mehr ein Beratungsstatus als Zensur?


K. M.: Ich hatte nie den Eindruck einer Zensur, sondern wirklich einer Beratung. Diese Beratung brauchte ich ja auch sehr, sehr dringend. Ich war für eine solche Beratung außerordentlich dankbar; denn ich hatte Thälmann persönlich gar nicht gekannt und die Parteigeschichte aus dieser Zeit auch nur aus der Literatur kennengelernt. (…) Es hat in der Vorbereitung des Thälmann-Filmes und in der Kritik der einzelnen Abschnitte, bei der Vorführung von Teilen des gedrehten Filmes eine Menge Gespräche gegeben, die ich im einzelnen heute gar nicht mehr weiß. Ich entsinne mich aber mit Vergnügen an ein Gespräch mit Walter Ulbricht, der irgend etwas kritisierte, was mir auch einleuchtete und was mich nachdenklich machte. Aber er blieb dann nicht bei der Kritik stehen, sondern er entwickelte einen Vorschlag, wie man das besser machen könnte, wie man die Szene eigentlich gestalten sollte. Das entsprach nicht mehr meinen Intentionen und auch nicht dem üblichen Stil der Beratung. Und so sagte ich im Scherz zu ihm: "Genosse Ulbricht, wenn Sie sich operieren lassen wollen, haben Sie natürlich freie Arztwahl. Aber wenn Sie auf dem Operationstisch liegen, würde ich Ihnen nicht raten, zu versuchen, dem Chirurgen die Hand zu führen und den Schnitt ein bißchen höher oder tiefer anzusetzen." Da lachte er sehr und sagte: "Das ist der Grund, weshalb ich mich nicht operieren lasse, ich liefere mich nicht gerne aus." So war die Sache ins Scherzhafte abgebogen. Aber Walter Ulbricht war für ein solches kritisches Wort durchaus zugänglich.

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