Mathias Kneißl

BR Deutschland 1970/1971 TV-Spielfilm

Mathias Kneißl

 

W. Z., Evangelischer Filmbeobachter, Nr. 16, 17.04.1971

Seit Schlöndorffs "Der plötzliche Reichtum der armen Leute von Kombach" (EFB 23,67) kommt eine neue Art von Heimatfilm in Schwung; das soll aber nicht heißen, daß Schlöndorffs Fernsehfilm mit dem hier angezeigten mehr als das Thema gemeinsam hat. Vielmehr versucht sein Regisseur, der junge Reinhard Hauff, einen neuen Stil zu finden. Er hätte z. B., wie er selbst in einem Interview sagte, die Fluchtszene filmisch auflösen können: " ... mit Schnitten auf die Füße, auf die Nasenlöcher, aufs linke Ohr gegen den Wind, die Haare flattern, der Schweiß kommt usw.". Aber er fand es interessanter zu zeigen, wie die Füße den Weg suchen, jetzt kommt der Graben, jetzt das Gestrüpp, er fällt hin. Hier sieht man, wie ein Regisseur, der auch Dokumentationen gemacht hat, den Darsteller nicht nur "agieren" läßt.

Es ist die Geschichte des berühmten bayerischen Räubers Mathias Kneißl (ausgezeichnet: Hans Brenner), der aber nicht in Art einer glitzernden Räuberhistorie gezeigt wird; die Sprache ist rüde. Kneißl hat außerhalb der Gesellschaft gelebt. Hier stellt sich ein Bezug zum Heute ein. Der Großvater, ein eingewanderter Italiener und berüchtigter Räuber, und der Vater sterben an den Folgen von Mißhandlungen durch die Polizei. Mathias kommt wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt ins Gefängnis, versucht, wie so viele, nach der Entlassung auf ehrliche Weise durchzukommen. Um nicht erneut gefaßt zu werden, führt er ein unstetes Räuberleben. Durch ein Massenaufgebot von Militär und Polizei gelingt es mit Hilfe der Bauern, den "Räuber-Hias" festzunehmen. Angeschossen, wird er – wie es historisch verbürgt ist – im Hospital wieder gepflegt, man macht ihm den Prozeß, und er wird schließlich hingerichtet.

Das alles ist in realistischer Manier gezeigt, obwohl man so oft sagte, Farbe passe nicht für dramatische Sujets. Daten zur Haft, Gerichtsbescheide werden zitiert, allerdings, nicht so oft und so konsequent wie in "Der plötzliche Reichtum der armen Leute von Kombach". Das schadet der Authentizität des Fernsehfilms keineswegs. Hauff versucht, nicht einfach Aktionen zu zeigen (man würde im amerikanischen Film von "Action" sprechen), er will vielmehr aufdecken, wie Aktionen entstehen. Einbruchsszenen werden nicht in der herkömmlichen Weise gezeigt, es ergeben sich Schwierigkeiten, und als die Räuber den Pfarrer aufsuchen, der gar kein Bargeld hat, wollen sie zunächst gar nicht die Pfandbriefe: "Was wollt ihr mit Pfandbriefen", fragt einer, ganz einfach, weil er nicht weiß, was das ist, was man damit anfangen kann. Auch Kneißl träumte vom Auswandern in das Paradies Amerika, aus dem nichts wird. Fern aller Folklore ist er ein neuartiges Filmgenre.

Die Ballade vom bayerischen "Räuber-Hias" Mathias Kneißl, ohne Glanz vom Rebelleleben à la Robin Hood, dafür realistisch und in ihre Zeitbezüge gestellt, Kneißl rebelliert gegen eine Ordnung, die für seine Sippschaft nur Not bedeutete. Er schießt auf die Vertreter der Ordnung und muß dafür büßen. Ein sehr gut gemachtes Fernsehspiel von Schuld und Sühne, das, fern aller Folklore, eine interessante Abwandlung des Genres "Heimatfilm" darstellt.

 

Rechtsstatus